POTSDAM Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) befürchtet eine Belastung des brandenburgischen Regierungsbündnisses wegen des Streits um das neue Zuwanderungsgesetz des Bundes. Wie Schönbohm gestern in Potsdam sagte, könne er sich einen Ausstieg seiner Partei aus der Koalition mit der SPD vorstellen, falls Brandenburg dem Gesetz im Bundesrat zustimmt. “Die Beendigung der Koalition ist das Letzte, was ich will”, so der Minister, zumal die CDU auch angetreten sei, um eine PDS-Beteiligung an der Regierung zu verhindern. Allerdings hingen die Christdemokraten “nicht um jeden Preis” an der Großen Koalition. Beim Votum über die Zuwanderung gehe es um “Glaubwürdigkeit in einer Grundsatzfrage”.
Wie Schönbohm sagte, sei der gegenwärtige Entwurf des Zuwanderungsgesetzes für die märkische Union nicht zustimmungsfähig. Das Papier sei zu ungenau, wie die Zuwanderung begrenzt werden kann. Zudem müsse das Zuzugsalter für Kinder gesenkt werden. Für die Integration sei es dringend nötig, Kinder im frühen Alter nachzuholen. Als junge Erwachsene eingereist, stünden sie oft ohne Sprachkenntnisse und Ausbildung am Rand der Gesellschaft und seien auf Sozialleistungen angewiesen.
Schönbohm erwartet, dass mit dem Koalitionspartner SPD ein “Weg der Vernunft” beschritten werden kann. Sollte es keinen Kompromiss geben, müsse sich Brandenburg bei der Abstimmung im Bundesrat enthalten. Der Koalitionsvertrag schreibe das bei strittigen Fragen vor. Brandenburg ist in der Länderkammer zum “Zünglein an der Waage” geworden. SPD- und CDU-geführte Länder haben jeweils 31 Stimmen. Für die Mehrheit sind die vier Stimmen Brandenburgs ausschlaggebend. Schönbohm hofft, dass die von der Union geforderten Nachbesserungen bereits bis zur ersten Lesung des Gesetzespakets im Bundesrat am 21. Dezember eingearbeitet sind. “Mal sehen, ob wir den Sprengsatz ent-zündern können.” Der “Lackmustest” erfolge dann Anfang nächsten Jahres bei der Länder-Abstimmung.
Schönbohm räumte ein, dass bei der Zuwanderung Druck von der Bundes-CDU ausgeübt werde. Es gebe einige Leute, die damit in den Bundestagswahlkampf 2002 ziehen wollten. Er plädiere aber dafür, das Thema aus dem Schlagabtausch der Parteien herauszuhalten. Allein mit der Arbeitslosigkeit und den Auslandseinsätzen der Bundeswehr gebe es genug Stoff für Auseinandersetzungen.
SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness sieht keinen Bedarf, das Zuwanderungsgesetz nachzubessern. Für ihn sind Schönbohms Äußerungen “parteipolitisch motiviert”. Das Gesetz sei gerade auch von der Wirtschaft begrüßt worden. Natürlich solle man Veränderungen nicht von vornherein ausschließen. “Bis 21. Dezember haben wir noch eine Menge Zeit.” Ness zeigte sich zuversichtlich, dass die Potsdamer SPD/CDU-Regierung bis 2004 hält.
Ähnlich äußerte sich Gunter Fritsch, SPD-Fraktionschef im Landtag. Zu Bundesratsentscheidungen habe es immer Einigungen gegeben. Damit sei auch diesmal zu rechnen. Die Stimmenthaltung sei die Variante für den absoluten Notfall.
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