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Chamäleon“-Überfall: Haft für Neonazi

(Gabriele Hohen­stein und Juliane Wede­mey­er, PNN) Innen­stadt — Zu ein­er Haft­strafe von einem Jahr und zwei Monat­en hat das Jugend­schöf­fen­gericht den Angeklagten Dan­ny L. (26) gestern im Zusam­men­hang mit dem Über­fall Recht­sradikaler auf das alter­na­tive Pots­damer Jugend­pro­jekt „Chamäleon“ in der Neu­jahrsnacht 2003 verurteilt. Nach dre­itägiger Beweisauf­nahme und dem Anhören von über zwei Dutzend Zeu­gen wurde der vielfach vorbe­strafte Dan­ny L. wegen schw­eren Land­friedens­bruchs verurteilt. Der Mitangeklagte Michael G. (21) erhielt eine Jugend­strafe von einem Jahr und fünf Monat­en, aus­ge­set­zt zu zwei­jähriger Bewährung. Er muss eine Geld­buße von 500 Euro an den „Chamäleon“ e. V. zahlen sowie 200 Stun­den unent­geltlich arbeit­en. Damit blieb das Gericht deut­lich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. 

Ein drit­ter ursprünglich mit auf der Anklage­bank Sitzen­der wurde am zweit­en Ver­hand­lungstag freige­sprochen. Er sagte gestern als Zeuge gegen seine Kumpels aus, denen vorge­wor­fen wird, in der Neu­jahrsnacht 2003 aus ein­er Gruppe von etwa 20 Rechts­gerichteten her­aus das Jugend­pro­jekt „Chamäleon“ in der Her­mann-Elflein-Straße mit Hol­zlat­ten und Feuer­w­erk­skör­pern ange­grif­f­en und die Bewohn­er in Angst und Schreck­en ver­set­zt zu haben (PNN berichteten). „Eine Horde wildge­wor­den­er Recht­sradikaler stürmte kurz nach Mit­ter­nacht auf ein Haus zu, in dem sich fünf junge Leute aufhiel­ten, deren linke Gesin­nung ihr ein Dorn im Auge war“, so der Staat­san­walt in seinem Abschlussplä­doy­er. Die Angeklagten bestrit­ten die Vor­würfe. Sie wur­den allerd­ings von mehreren unbeteiligten Zeu­gen in der Men­schen­menge erkan­nt. „Es kommt über­haupt nicht auf ihren konkreten Tat­beitrag an. All das, was aus der Gruppe her­aus geschehen ist, haben sie sich auch anzurech­nen. Das nen­nt man Mit­täter­schaft“, betonte der Vertreter der Anklage. Aus sein­er Sicht sollte das zur Tatzeit bewohnte Jugend­haus aus purem Hass gegen Ander­s­denk­ende abge­fack­elt werden. 

Unter­dessen hat­ten sich gestern Mor­gen 8 Uhr rund 50 Mit­glieder der linken Szene vor dem Amts­gericht ver­sam­melt. Der Protest der über­wiegend jugendlichen Demon­stran­ten richtete sich gegen die ihrer Mei­n­ung nach vom Gericht gedulde­ten Dro­hge­bär­den der recht­sex­tremen Prozesszuschauer: In den Fluren des Gerichts­ge­bäudes hät­ten die Nazis an den vor­ange­gan­genen Prozessta­gen Besuch­er geschub­st, teil­weise geschla­gen, Zeu­gen und Opfer bedro­ht, erk­lärte ein link­er Demon­strant. Die Nazis hät­ten im Gericht gebrüllt: „Wir wis­sen, wer du bist und wo du wohnst!“. Das Gericht sei dage­gen nicht vorge­gan­gen und habe die Recht­en nicht des Saals verwiesen. 

Dass die Dro­hun­gen dur­chaus ernst zunehmen sind, erfuhren die Mit­glieder des Jugend­vere­ins nach eige­nen Angaben zulet­zt in der Nacht vor dem gestri­gen Ver­hand­lungstag. „Die Nacht über sind immer wieder schwarz ver­mummte Gestal­ten um unser Haus geschlichen. Sie hat­ten Steine und Ket­ten in der Hand und haben an unseren Fen­stern und Türen gerüt­telt“, so die Vere­insvor­sitzende Julia Senf. Aus Angst hät­ten sie die Polizei gerufen, die vier der von den Jugendlichen als bekan­nte Neon­azis iden­ti­fizierte Ran­dalier­er aus Berlin „stellte und der Stadt verwies“. 

Um weit­ere Zwis­chen­fälle zu ver­mei­den, waren gestern rund 50 Polizis­ten im und am Gericht im Ein­satz. Ein­sat­zleit­er Andreas Merten bestätigte, dass es während der vorheri­gen Ver­hand­lun­gen „ab und an“ zu Rangeleien und Belei­di­gun­gen „seit­ens der Nazis“ im Gerichts­ge­bäude gekom­men sei. „Am ersten Prozesstag gab es zwei kleine Kör­per­ver­let­zun­gen, am zweit­en eine“, so Merten. Gestern hät­ten zwei Per­so­n­en Anzeige wegen Belei­di­gung erstat­tet. Trotz stark­er Präsenz ver­hin­derte die Polizei nicht, dass in der Ver­hand­lungspause die bei­den Angeklagten mit den Mit­gliedern der recht­en Szene vor dem Gericht­sein­gang posierten, so dass jed­er, der das Gebäude betreten wollte, die Nazis passieren musste. Zum Grüp­pchen vor dem Ein­gang gesellte sich auch Michael G.s Anwalt Wol­fram Narath, ehe­mals Vor­sitzen­der der mit­tler­weile ver­bote­nen recht­sex­tremen Wiking-Jugend. 

Gegenüber des Amts­gerichts, auf dem Prom­e­naden­streifen der Hege­lallee, warteten etwa 20 Neon­azis die Ver­hand­lung ab. Unter ihnen der am 2. Juni in diesem Fall freige­sproch­ene Torsten S. (21). Laut Julia Senf waren auch die vier Recht­sex­trem­is­ten, die in der Nacht zuvor um das Chamäleon-Haus geschlichen sind, anwe­send. Über die Straße riefen sich die Jugendlichen hin und wieder provozierende Sprüche zu, anson­sten lief es ruhig ab. 

Kurz vor 11.30 Uhr gin­gen die Ein­satzkräfte der Polizei in Stel­lung, forderten die Linken zum Ver­lassen des Bürg­er­steigs vor dem Gericht auf, diese fol­gten ohne größeren Wider­spruch. Die Neon­azis wur­den nach dem Prozess von Polizis­ten teil­weise unter Gejohle zum Bahn­hof geleit­et. Während der Ver­hand­lung kam es auch am Platz der Ein­heit zu ver­balen Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen Recht­en und Linken.

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