Weil die Lausitz immer weniger Asylbewerber bekommt, haben größere
Flüchtlingsheime ausgedient
(LR; 30.4.) Die Lausitz bekommt immer weniger Asylbewerber. Seit Mitte der Neunziger
sank ihre Zahl um fast 35 Prozent, heißt es aus dem Büro der Brandenburger
Ausländerbeauftragten Al muth Berger. Die Landkreise können große
Flüchtlingsheime mit mehr als 150 Betten kaum noch auslasten und erwägen,
sie zu schließen. Die Ausländerbeauftragten sehen darin die Chance für eine
bessere Integration von Asylbewerbern.
«Das Lager muss weg! Das Lager muss weg!» Diesen Sprechgesang auf den Lippen
kamen Anfang April 200 Demonstranten zu einer Kundgebung ins
Asylbewerberheim in Bahnsdorf (Oberspree wald ‑Lausitzkreis). Die Redner
anti rassistischer Gruppen prangerten «menschenunwürdige Bedingungen» an.
Verschiedenste Nationalitäten würden im abgelegenen Heim zusammengepfercht,
was Konflikte programmiere. Kilometerweit entfernt von den nächsten
Geschäften und Kultureinrichtungen könne man am Leben nicht teilhaben. Was
die Protestler nicht wussten: Die OSL-Kreisverwaltung trägt sich mit dem
Gedanken, das Heim zu schließen.
«Wegen der ständig zurückgehenden Auslastung der Einrichtung» , erklärt
OSL-Landrat Holger Bartsch. Anfang der Neunziger hatte der Landkreis 1000
Asylbewerber, heute 400, von denen 300 auf dem Bahnsdorfer Areal leben,
einer einstigen Flugplatz-Außenanlage mit Flachbauten und Wohncontainern.
Weitere 80 Asylbewerber wohnen im benachbarten Sedlitzer Heim, einige wenige
Familien dezentral in Wohnungen. Für immer weniger Bewohner ein so großes
Heim in Schuss zu halten, gehe ins Geld. Bartsch verweist auf das
56-Millionen-Euro-Defizit im Kreishaushalt. Wohin aber die 300 Asyl bewerber
umziehen sollen, stehe noch nicht fest.
Vorteile für beide Seiten
Für Mohamed Hamdali, Mitarbeiter der Ausländerbeauftragten Almuth Berger,
sollten solche großen und abgelegenen Asylbewerberheime wie das in Bahnsdorf
längst ausgedient haben. Hamdali hat sich in Bahnsdorf umgesehen. Ähnlich
schlechte Bedingungen wie dort würden nur noch in Barnim und Perleberg
herrschen. Bis ins Dorf bedarf es vom Bahnsdorfer Heim eines kilometerweiten
Fußmarsches, bis in die nächste Stadt Senftenberg einer Bahn- oder Zugfahrt
über elf Kilometer. Almuth Berger habe dem OSL-Kreis dringend empfohlen, das
Heim zu schließen und die Flüchtlinge zentraler wohnen zu lassen. Das bringe
beiden Seiten Vorteile, sagt Hamdali: Der Landkreis spare Geld, den
Asylbewerbern gehe es besser. Hamdali führt Cottbus als Vorbild an. Dort
leben 176 Asylbewerber über die Stadt verstreut in Wohnungen, nur 95 in
einem Heim, das gut ausgelastet ist. «Das Bürgerecho» , so der Cottbuser
Sozialamtsleiter Friedhelm Gissel, «ist mittlerweile positiv.»
Asylbewerber gleichmäßig verteilen — dieses Konzept verfolgt auch der
Spree-Neiße-Kreis. Je rund 100 Flüchtlinge leben in Heimen in Guben,
Spremberg und Forst. Etwa jeder fünfte Flüchtling bezieht eine Wohnung. Weil
auch im Spree-Neiße-Kreis die Zahl der Asylbewerber stetig schrumpft — von
557 im März 2004 auf 463 im März diesen Jahres — rechnet
Ausländerbeauftragte Monika Wagschal damit, dass Heime schließen. Allerdings
werde man dann die Asylbewerber nicht auf ein oder zwei Standorte
konzentrieren, sondern sich in den drei Städten nach kleineren Immobilien
umsehen.
Sachsen rigoroser
Eine andere Linie verfolgt der Elbe-Elster-Kreis. Pressesprecher Holger
Fränkel kann nicht erkennen, dass die derzeit 343 Asylbewerber das abseits
gelegene Heim in Hohenleipisch — das Einzige im Landkreis — verlassen
wollen. Es sei zu 80 Prozent ausgelastet, von einer Schließung in der
Verwaltung keine Rede, so Fränkel.
Nur noch zu 70 Prozent ausgelastet ist das 140-Betten-Asylbewerberheim in
Quitzdorf/Kollm im Niederschlesischen Oberlausitz-Kreis. Der Landkreis
schaffe es kaum noch, dem Betreiber des ehemaligen Ferienlagers die
vertraglich zugesicherte Zahl an Asylbewerbern zuzuweisen, sagt Peter
Könnicke von der Ausländerbehörde. Der Landkreis hat in Niesky ein zweites
kleineres Heim. Insgesamt leben nur noch 200 Asylbewerber im Kreisgebiet.
1998 waren es doppelt so viele. Sollten die Asylbewerberzahlen weiter
sinken, gehe an einer Schließung des Quitzdorfer Heims kein Weg vorbei.
Sicher könne man dann über eine zentraler gelegene Unterkunft nachdenken, so
Könnicke.
Nicht anders als in Brandenburg schrumpft auch in Sachsen die Zahl der
Asylbewerber rapide. Hatte das Bundesland Ende 1996 noch fast 13 000
Asylbewerber, sind es jetzt noch knapp 10 000. Daher werden auch in Sachsen
Asylbewerberheime schließen, so Fanja Frenzel vom Büro der
Ausländerbeauftragten Friederike de Haas. Sie nennt als Beispiel das
340-Betten-Heim in Seeligstadt im Landkreis Bautzen, das aufzugeben
Friederike de Haas dringend empfohlen hat. In Seeligstadt hat die
Menschenrechtsorganisation Pro Asyl im vergangenen Jahr «menschenwürdige
Mindeststandards» vermisst. 250 Menschen werde dort nur ein Sportplatz gegen
das Nichtstun angeboten. Es gebe zu wenige Toiletten und Waschbecken, die
oft demoliert sind.
Fanja Frenzel sieht nach Heim-Schließungen allenfalls die Chance, dass
Asylbewerber weniger abgelegen untergebracht werden. Wohnungen dürften ihnen
weiterhin verschlossen bleiben. Dafür spreche die Erlasslage in Sachsen, die
eine Privatunterbringung nur aus humantitären oder gesundheitlichen Gründen
auf Empfehlung des Amtsarztes vorsieht. Sächsische Asylbewerber verlassen
das Heim nicht mal zum Einkaufen. Sie lösen ihre Wertgutscheine in Magazinen
ein, die zum Heim dazugehören. In Brandenburg können Flüchtlinge ihre
Gutscheine in Geschäften in der Umgebung in Ware umsetzen.
Wohnungen gewünscht
Frenzel hat Zweifel, ob die Asylbewerber ihre Isolation in Wohnungen eher
überwinden als in Heimen, wo sie sozial betreut werden. Fest stehe aber:
«Wenn sich Asylbewerber aussuchen könnten, wo sie leben wollen, würden fast
alle in Wohnungen wollen.»
Hintergrund Zentrales Aufnahmelager
# Laut Ausländerzentralregister waren in Brandenburg per 31. Dezember
vergangenen Jahres 2565 Asylverfahren anhängig. Zum Vergleich: Per 30. Juni
2004 waren es 30 36.
# Laut Landesverteilerverordnung weist die zentrale Ausländerbehörde für
Brandenburg Landkreisen und Städten Asylbewerber zu. Fläche,
Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl sind die Kriterien. Entsprechend bekommt
der Elbe-Elster-Kreis vom zentralen Aufnahmelager in Eisenhüttenstadt fünf
Prozent der Asylbewerber zugewiesen, der Oberspreewald-Lausitzkreis 5,2
Prozent, der Landkreis Dahme-Spreewald 6,4, der Spree-Neiße-Kreis 5,5 und
Cottbus 3,8 Prozent.