«Landser» ‑Romane im Heron Buchhaus diskutiert / Lehrer am Thema nicht
interessiert
(LR, 30.4.) Obwohl alle Cottbuser Schulen informiert waren, stellte sich Donnerstag im
Heron Buchaus nicht ein Lehrer der Diskussion über die Kriegsromanreihe «Der
Landser» . Dabei sprechen «die Krieg und Diktatur als ideale Lebensform
propagierenden Bände» besonders 15- bis 18-jährige Schüler an, so Dirk
Wilking vom Mobilen Beratungsteam «Tolerantes Brandenburg» in seinem
nachdenklich machenden Vortrag.
Landser sind mutig und treu, sie gehen auf in der Gemeinschaft der
Wehrmachtssoldaten. Zum Beispiel die Jäger: «Sie geben ihr Letztes und
stemmen sich gegen einen übermächtigen Gegner.» Oder die Pioniere: «Sie
stürzen über weggeworfene Gewehre, rasierklingenscharf geschliffene Dolche
und alte Schrotflinten, flitzen um die Ecken und achten auf keine Gefahr.»
Derlei Textpassagen gab es viele nachzulesen, in den Landser-Heften, die
Dirk Wilking vor sich ausgebreitet hatte. Es war nur ein kleines Häuflein
Interessierter, das gespannt seiner Analyse einer Literatur folgte, die für
«bildungsschwache junge Männer» als Türöffner in die rechte Szene fungiert.
Geschickt, so der studierte Germanist Wilking, verstehen es die Autoren, ein
nationalistisches Weltbild zu inszenieren, ohne dass sich der Verlag
juristisch angreifbar macht. «Es werden keine einstigen Kriegsverbrecher
glorifiziert, es finden sich keine antisemitischen Äußerungen.»
Landser-Hefte gibt es seit mehr als 50 Jahren. Unter den ersten Schreibern
waren ehemalige NSDAP-Mitglieder, die im Propagandaministerium gearbeitet
haben, so Dirk Wilking, der sich während des Studiums eingehend mit den
Romanen beschäftigt hat. Mitte der Siebziger wurde «Der Landser» in den
alten Bundesländern auf öffentlichen Druck hin aus den Kiosken verbannt -
tauchte aber wenig später in Tankstellen in unvermindert hoher Auflage
wieder auf. Heute erreicht «Der Landser» Woche für Woche rund 100 000 Leser.
Dirk Wilking plädiert klar dafür, dass die Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Schriften den Landser auf den Index setzt. Seine Zuhörer
widersprachen ihm da nicht — weder Roland Quos, Geschäftsführer des
Heron-Buchhauses, noch Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann von der
Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Wilking eingeladen hatte. Auch Gudrun Hibsch
vom Verein Bücherei Sandow war ganz bei Wilking: «Die Bücher sind völlig
ohne Moral.» Demokratische Werte würden komplett negiert, ergänzte Hoffmann.
Roland Quos kann sich allerdings nicht vorstellen, dass jetzige
Landser-Leser nach einem Verbot ihrer Lieblingslektüre plötzlich etwas
halbwegs Gescheites lesen würden. Wilking und Hoffmann waren da
zuversichtlicher. Als packende Ersatzlektüre nannte Wilking «Kirschen der
Freiheit» von Alfred Andersch. Ein Roman, in dem ein Deserteur der Held ist.
Hoffmann verwies auf «Adressat unbekannt» von Kressman Taylor, den
Briefwechsel zwischen einem Deutscher und einem amerikanischen Juden in der
Hitlerzeit. Wilking gibt außerdem die Hoffnung nicht auf, mit Landser-Lesern
auch in die Diskussion zu kommen. Drei Vertreter eines Cottbuser Jugendklubs
bezeugten hingegen wenig Lust, sich mit Landser-Lesern auseinander zu
setzen.
Völlig unverständlich war den zehn Besuchern der Veranstaltung, warum nicht
ein einziger Lehrer der Einladung gefolgt war.