Ein bisschen wie im falschen Film muss sich Karel S. fühlen. Der Tscheche
hat einen Termin im Senftenberger Amtsgericht, wird in Handschellen von
Vollzugsbeamten in den Saal geführt. Ganz in sich zusammengesunken sitzt
Karel S. auf seinem Stuhl, scheint gar nicht zu begreifen, was um ihn herum passiert.
Dabei ist er die Hauptperson: Er ist angeklagt, weil er zwei Asiaten nach
Deutschland eingeschleust haben soll. Bei einer gewöhnlichen
Verkehrskontrolle auf der A 13, Höhe Anschluss Ortrand, ging er Polizisten
am 20. Mai ins Netz. Auf der Rückbank seines Pkw saßen zwei junge Männer
ohne Papiere, die sich als Chinesen ausgaben. Seit dem Tag sitzt der
47-jährige Tscheche im Cottbuser Gefängnis und wartet auf seinen Prozess.
Für Richterin Anett Winkler und Staatsanwältin Sybille Hoffmann kein
einfacher Fall: Die beiden Asiaten sind längst wieder in ihrer Heimat, nicht
mehr ausfindig zu machen. Der Angeklagte trägt auch nicht dazu bei, Licht in
das Dunkel zu bringen — während der gesamten Verhandlung spricht er kein
Wort. Obwohl ein Dolmetscher direkt neben ihm sitzt.
Nur die Protokolle der Vernehmungen direkt nach dem Aufgriff liegen auf dem
Richtertisch. Die Version der Asiaten: 10 000 Euro hätten die 21- und
29-Jährigen in ihrer Heimat an einen professionellen Schleuserring gezahlt,
um nach Deutschland gebracht zu werden. In Moskau begann ihre abenteuerliche
Reise. Unbekannte Männer hätten ihnen hier die Pässe abgenommen und sie in
einen Anhänger gepfercht. Den Fahrer hätten sie nie zu Gesicht bekommen,
gaben sie zu Protokoll. Nach einer langen Fahrt, die durch Tschechien
führte, mussten sie in das Auto des Angeklagten umsteigen. Wo die Übergabe
stattfand, ob auf tschechischem Boden oder schon in Deutschland, hätten sie
nicht mitbekommen. Das Ziel sei jedenfalls Berlin gewesen.
Der Angeklagte hatte für die beiden illegalen Einwanderer in seinem Auto
eine ganz andere Erklärung zu Protokoll gegeben: Er habe die Beiden nur als
Anhalter mitgenommen. Für Richterin Winkler ein alter Hut: «Die Ausrede habe
ich schon von vielen Schleusern gehört. Wer nimmt denn jemanden mit, mit dem
er kein Wort wechseln kann?» Auch das Argument der Verteidigerin, dass er
die Chinesen im Kofferraum versteckt hätte, wenn er sie wirklich schleusen
wollte, ließ sie nicht gelten. «Das scheint die neue Masche zu sein, Leute
offen im Auto zu transportieren.»
Dass Karel S. mindestens Hilfe zur illegalen Einreise geleistet hat, daran
zweifelten weder Richterin noch Staatsanwältin. Auch wenn sie davon
ausgingen, dass er nur ein kleines Licht im Schleusergeschäft ist. Das
Urteil: Sieben Monate. Weil Karel S. schon seit Mai in der JVA Cottbus
einsitzt, verhängte Richterin Anett Winker die Strafe zur Bewährung.