Seit einigen Wochen geht Angst um in der südbrandenburgischen Stadt Cottbus. Nicht etwa weil dort seit geraumer Zeit Geflüchtete regelmäßig von Nazis angegriffen werden oder weil Stadt und Behörden nahezu tatenlos dabei zusehen. Auch nicht weil eine ägyptische Studentin von einem Auto totgefahren wurde und sie im Anschluss daran noch rassistisch beleidigt worden sein soll. Soweit läuft dort alles seinen steten deutschen Gang. Doch wenn die sogenannte Kriminalität von Migrant_innen ausgeht, also sozial abweichendes Verhalten von Nicht-Deutschen an den Tag gelegt wird, dann tobt das Volk. In Cottbus werden minderjährige Refugees als Gefahr für den sozialen Frieden markiert und müssen die Stadt verlassen. Wenn, ja wenn die wütenden Bürger_innen nicht gleich selbst zur Tat schreiten bzw. zur Lynchjustiz greifen, wird der Ruf nach einem noch stärkeren Staat, mehr Polizei und sicheren Grenzen laut. Wie konnte es dazu kommen? Gab es etwa eine Vorgeschichte? Wäre diese Entwicklung zu verhindern gewesen? Seit Jahren schon ist Cottbus in großen Teilen eine Angstzone für Migrant_innen, Linke und sonstige Menschen welche von Neonazis zu Feinden auserkoren wurden. Große nazistische Gruppen sorgen für Gewalt und Übergriffe und dominieren den größten Fußballverein der Stadt. Dort werden sogar rivalisierende Fußballclubs in aller Öffentlichkeit als Juden diffamiert. Auch waren es Nazis aus dem Südbrandenburger Raum, die mit ihrer sogenannten “Volkstodkampagne” mobil machten und in mehreren Städten große nächtliche Fackelmärsche durchführten. Ebenso beteiligen sich an migrantenfeindlichen Demonstrationen in Cottbus oft mehrere hundert Rechte. Vorne mit dabei Gauland und Höcke von der AfD, einträchtig mit Neonazis und Identitären. Und natürlich wurde auch über Jahre der Deutsche Opferkult hochgehalten und den angeblichen Opfern alliierter Bombardierungen gedacht. Anhand von Cottbus lässt sich im Kleinen verfolgen was in Sachsen auf Bundeslandebene abgeht und was uns in Zukunft allen überall in Deutschland blühen könnte. Von ein paar liberalen, großstädtischen Enklaven mal abgesehen. Cottbus hat ein Problem mit Neonazis und das schon lange. Doch Konsequenzen werden in der Stadt nur gezogen, wenn die Gewalt von jugendlichen Nicht-Deutschen, von Refugees ausgeht. Dabei folgt allerdings keine Debatte über Gewalt von Jugendlichen oder eine Diskussion über wieder erstarkende konservative und patriarchale Haltungen, die zum Beispiel Gewalt gegen Frauen begünstigen. Um die konkrete Lösung konkreter Probleme geht es in der aktuellen Debatte vor allem den besonders wütend agierenden deutschen Männern nicht. Denn am Ende profitiert ja gerade auch die deutsche patriarchale Gesellschaft vom Hass auf Frauen und ihrer Ungleichbehandlung, davon das Reproduktionsaufgaben im Haushalt unbezahlt bleiben, davon dass eine Hälfte der Bevölkerung wegen ihrem zugewiesenem Geschlecht noch beschissener bezahlt wird als die andere und genau diese Hälfte gerne auch emotional die Familie am Laufen halten darf. Auch hat sich weder in Brandenburg noch sonst irgendwo in Deutschland nach einem so oft verharmlosten “Familiendrama”, in dem mal wieder ein Familienvater Frau und Kinder umgebracht hat, ein Mob aufgemacht um mal ein paar weiße Patriarchen zu klatschen. Gängige Belästigungen und sexualisierte Gewalt von Bio-Deutschen auf großen Volksfesten führten bisher auch nicht zu Hausbesuchen von besorgten Bürger oder zur Ausrufung des polizeilichen Ausnahmezustandes. Verlogenheit dein Name ist Cottbus! Und Wurzen! Und Heidenau! Und gerne auch der jeder anderen deutschen Kleinstadt, die sich aus ähnlichen Gründen in der Öffentlichkeit ausheult. So lange Menschen mit nicht-deutscher Herkunft, nicht weißer Hautfarbe oder nicht christlicher Religion weiter “besonders” behandelt werden ist das Rassismus. Dabei könnte gerade die Konfrontation mit den sogenannten “Fremden” diesem völkischen Gedankenmüll den Garaus machen und genau deshalb kreischen ja Identitäre und andere Neonazis so laut. Denn auf kurz oder lang könnte durch kleine, alltägliche Begegnungen klar werden, dass die sogenannten „Anderen“ trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft am Ende auch Menschen sind mit Ideen, Plänen, Träumen aber halt auch mit Fehlern, Ängsten und Wut, so wie man selbst auch. Antifa heißt deshalb Angriff auf diese deutschen Zustände und ihre Verursacher_innen! In Cottbus werden heute mehr als 1.000 Rassist_innen und Neonazis, also ganz normale Deutsche zu einem Aufmarsch erwartet. Sie rufen dazu auf den öffentlichen Raum zu verteidigen. Wohin ihre Verteidigung führt wissen alle Menschen in ihrer Reichweite seit 1871, 1914 und spätestens 1939. Und es heißt dort genauso wie jetzt, hier und schon immer gemeinsam mit den Betroffenen den antifaschistischen Selbstschutz zu organisieren und den Rassist_innen keinen Meter zu weichen! Egal ob Cottbus, Wurzen oder anderswo! Und für unsere Auseinandersetzung mit den Rassist_innen ist klar: Talking ist over, action is on!
Emanzipatorische Antifa Potsdam
Kategorien