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Antifaschismus

Cottbus unerhört“ – eine notwendige Kritik

Gestern Abend sendete der Rund­funk Berlin-Bran­den­burg (rbb) eine öffentliche Diskus­sion unter dem Titel „Cot­tbus uner­hört“. Sie sollte eine Gele­gen­heit für „Beteiligte der Unruhen“ bieten, eine Bilanz der Entwick­lung in der Stadt zu ziehen.
Im Vor­feld hat­ten mehrere ange­fragte Gesprächspart­ner, darunter Bünd­nis 90/Die Grü­nen, die Cot­tbuser SPD sowie der Cot­tbuser Auf­bruch, eine Teil­nahme abgelehnt. Sie waren, nach­dem bere­its am 1. März eine ähn­liche rbb-Diskus­sion aus­ges­trahlt wor­den war, zu der Ansicht gelangt, dass dieses Forum nicht für eine kon­struk­tive Debat­te geeignet ist. Außer­dem befürchteten sie, dass dem Sprech­er des recht­en Vere­ins Zukun­ft Heimat, Christoph Berndt, ein­mal mehr ein Podi­um geboten wer­den würde. Der Vor­sitzende des Aktions­bünd­niss­es, Thomas Wisch, hat­te in einem Brief an den rbb ein­dringlich gewarnt, die Sendung dürfe nicht zum „Ver­stärk­er für Has­spredi­ger“ werden.
Die bei­den rbb-Mod­er­a­toren, Andreas Rausch und Chris­t­ian Matthée, und ihre Gäste, der Chef der Pots­damer Staatskan­zlei Mar­tin Gorholt (SPD), der Cot­tbuser Ober­bürg­er­meis­ter Hol­ger Kelch (CDU) und der Dort­munder Poli­tikpro­fes­sor Dierk Bors­tel, waren zwar bestrebt, dies zu ver­hin­dern. Sie bemüht­en sich redlich und teil­weise auch geschickt, die Beiträge von Christoph Berndt einzuord­nen und zu wider­legen. Dass Zukun­ft Heimat, die AfD und andere Rechte, die für die Sendung gewor­ben hat­ten, den Abend den­noch als Erfolg ver­buchen kön­nen, liegt daran, dass sie der Diskus­sion ins­ge­samt ihre Agen­da auf­drück­en konnten.
Der erste Grund dafür war, dass Flucht und Migra­tion durchgängig als Prob­lem und Defiz­it präsen­tiert wur­den. Die Mod­er­a­toren beschrieben die Gewalt­tat­en zwis­chen Flüchtlin­gen und Deutschen und die darauf fol­gen­den Demon­stra­tio­nen im ver­gan­genen Win­ter etwa mit dem Begriff „Flüchtlingssi­t­u­a­tion“. Sobald Red­ner, so zum Beispiel ein BTU-Pro­fes­sor, auf pos­i­tive Aspek­te der Zuwan­derung zu sprechen kamen, fragten die Mod­er­a­toren danach, warum es denn mit der Sprache und Inte­gra­tion der­ar­tige Prob­leme gebe? Ein syrisch­er Flüchtling sollte erk­lären, warum es seinen Land­sleuten so schw­er falle sich zu inte­gri­eren, worauf dieser zunächst sach­lich eing­ing, dann aber den richti­gen Hin­weis gab: Man sollte ruhig auch ein­mal über Erfolge sprechen.
Zweit­ens kon­nte der Recht­spop­ulist Berndt, trotz der Ein­wände, das eingängige Nar­ra­tiv der Recht­en von ein­er „unkon­trol­lierten Massenein­wan­derung“ als Quell allen Übels aus­bre­it­en. Wenn nie­mand wider­spricht, wenn von ein­er „Poli­tik der offe­nen Gren­zen“ gesprochen wird, bleibt dies als schein­bares Fak­tum ste­hen. Wenn falschen Ein­wan­derungszahlen nicht die Fak­ten gegenüber gestellt wer­den, kön­nen Lügen die Wirkung gültiger Argu­mente entfalten.
Das dritte ist, dass die bild­mächtige Sprache der Recht­en in den demokratis­chen Diskurs Ein­gang find­et und die Welt­wahrnehmung des Pub­likums mit­prägt. Diskus­sion­steil­nehmer über­nah­men (verse­hentlich) rechte Kampf­be­griffe wie „Massenein­wan­derung“, andere freuten sich über Gespräche, in denen es keine „polit­i­cal cor­rect­ness“ gebe. Beson­ders irri­tierend war der Begriff des „Kol­lat­er­alschadens“, der von einem Mod­er­a­tor bere­its in der Sendung am 1. März einge­führt wor­den war und der nun aber­mals bemüht wurde, um den Umstand zusam­men­z­u­fassen, dass auch Studierende zu Opfern des Ras­sis­mus wer­den, den Zukun­ft Heimat gegen Flüchtlinge entfesselt.
Mit diesem let­zten Punkt stellt sich auch die Frage nach den Stan­dards öffentlich­er Gespräch­skul­tur. Zu ein­er emo­tionalen Diskus­sion hat­ten die Jour­nal­is­ten die Anwe­senden ein­gangs ermutigt, und sie gle­ichzeit­ig ermah­nt, auf Belei­di­gun­gen und ras­sis­tis­che Reden zu verzicht­en – dur­chaus mit Erfolg: Grobe Her­ab­würdi­gun­gen und offen­er Ras­sis­mus blieben aus. Das ist gut, aber reicht es? Ist es, um ein Beispiel zu nen­nen, ethisch vertret­bar, wenn Poli­tik­er in Fernsehsendun­gen Abschiebun­gen nach Afghanistan als Erfolge präsen­tieren und Teile des Pub­likums daraufhin johlend „Zugaben“ verlangen?
Zusam­men­fassend: Erstens wurde im rbb zu wenig darüber nachgedacht, was eine gewinnbrin­gende Fragestel­lung sein kön­nte. In der Diskus­sion tauchte etwa die Frage auf, wie eine überzeu­gende, demokratis­che Vision für die Zukun­ft der Region ausse­hen kön­nte. Das kön­nte span­nend sein. Und, zweit­ens, der rbb muss grundle­gend darüber nach­denken, wer mit wem worüber sprechen sollte. Dabei geht es nicht nur darum, ob es sin­nvoll ist, Recht­spop­ulis­ten in solche Gespräch­srun­den einzu­laden. Denn dass zwei Män­ner mit vier Män­nern in ein­er öffentlich-rechtlichen TV-Talk­show sprechen, ist im Jahr 2018 schon mehr als bemerkenswert. Und das ist lei­der noch nicht alles. In der Stunde, die die Sendung dauerte, rede­ten 57:18 Minuten lang 16 Män­ner über Fra­gen der Gesellschaft, bis auf zwei wur­den sie mit Namen und Funk­tion vorgestellt. Drei Frauen kamen ins­ge­samt zu Wort, von denen zwei nur zu ihren Gefühlen befragt wurden.

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