Wie erleben Ausländer die Stadt Cottbus« Warum leben Asylbewerber in dieser
Stadt» Diese Fragen wurden im Soziokulturellen Zentrum aufgeworfen. Cottbus
war gestern erstmals Standort eines Forums für sächsische und
brandenburgische Zivildienstleistende, organisiert von der Zivildienstschule
Schleife. Die Tagung wurde von Cottbuser Seite mit großem Aufwand an Zeit
und vielen Gesprächspartnern vorbereitet. Doch etliche der jungen
Zivildienstler begegneten dem Thema mit deutlich zur Schau gestelltem
Desinteresse.
Nasir Ahmadi hat seine Heimat Afghanistan vor zehn Jahren wegen des
Bürgerkrieges und der Diktatur der Taliban verlassen. Er kam zunächst nach
Vetschau. Wegen Problemen mit Rechtsradikalen zog die Familie vor drei
Jahren nach Cottbus um. Mittlerweile, so Ahmadi, sprächen seine fünf Kinder
fließend Deutsch. Ihre Erfolge in der Schule seien gut. Seine Frau trage
kein Kopftuch, seine Kinder äßen Schweinefleisch — trotz des islamischen
Glaubens. Ahmadi: «Man kann nur versuchen, sich zu integrieren.» Im
Soziokulturellen Zentrum Sachsendorf sprach auch der Kolumbianer Emilio
Gonzales zu den Zivildienstleistenden aus Sachsen und Brandenburg. Er ist
mit seiner Familie aus Kolumbien geflohen, weil er Angst hatte, Opfer einer
der über das Land ziehenden Guerillagruppen zu werden, die Kolumbien
terrorisieren und sich vorwiegend durch Geiselnahmen und Lösegelderpressung
finanzieren. Auch Asylbewerber aus dem Kongo und Kamerun kamen in
Sachsendorf zu Wort.
Stadtteilmanager Dr. Ralf Fischer sprach von einer «bedauerlichen
Vorgeschichte» in Sachsendorf: «Vor vier Jahren war es noch undenkbar, dass
Kriegs- und Armutsflüchtlinge hier offen auf der Straße gingen. Rechte
Skinheads bestimmten das Bild. Das hat dem Image der Stadt sehr geschadet.
Inzwischen hat sich der Zustand gebessert, aber wir wissen natürlich, dass
es die Rechten immer noch gibt.»
Zuvor hatte der Integrationsbeauftragte der Stadt Cottbus, Michael Wegener,
über Zuwanderungs- und Sozialrecht, Flucht und Asyl gesprochen, über
Schulpflicht für Asylbewerber-Kinder und Sprachkurse. Ein großer Teil der
Zuhörer demonstrierte jedoch deutliches Desinteresse und Ablehnung gegenüber
der Veranstaltung. Während der Gesprächsrunde schliefen mehrere Teilnehmer,
andere unterhielten sich laut, beschäftigten sich mit ihrem Handy oder
hörten per Kopfhörer Musik.
Thomas Kornek, Dozent an der Zivildienstschule Schleife, erklärte gegenüber
der RUNDSCHAU, dass es sich bei der Tagung um eine Pflichtveranstaltung im
Rahmen der politischen Bildung für Zivildienstleistende handle. Die Stadt
Cotttbus sei als Seminarort gewählt worden, weil sie einen guten Ruf wegen
ihrer progressiven Ausländerpolitik habe — «als Reaktion auf
ausländerfeindliche Vorkommnisse in der Nachwendezeit» . Kornek nannte als
Beispiele die Stelle des Integrationsbeauftragten, die Stadtteilarbeit und
das interkulturelle Fest «Cottbus Open» .
Zum Verhalten der Teilnehmern meinte Kornek: «Wir suchen uns die Leute nicht
aus. Wir arbeiten mit dem Querschnitt der Zivildienstleistenden in Sachsen
und Brandenburg. Da gibt es Interesse und Desinteresse, Ablehnung und
Gleichgültigkeit — mit dieser Mischung versuchen wir, politische
Bildungsarbeit zu leisten. Man kann nur versuchen, Blockierungen zu lösen.
Aber einige machen ihren Widerwillen sehr deutlich. Ich hatte mir mehr
Interesse versprochen.»
Von Cottbuser Seite war das Forum mit großem Einsatz vorbereitet worden.
Nicht nur Integrationsbeauftragter Michael Wegener, Stadtteilmanager Dr.
Ralf Fischer und eine ganze Reihe von Asylbewerbern standen den
Zivildienstleistenden als Gesprächspartner zur Verfügung, sondern auch die
Leiterin des «Hauses für begleitendes Wohnen von Flüchtlingen» , Marion
Twarz und Schüler der Regine-Hildebrandt-Europaschule.