(Tagesspiegel, 14.11.03) Cottbus. Einst hat sie Cottbus berühmt gemacht: Aus der Stadthalle wurde
Ende 1989 der erste “Musikantenstadl” made in DDR übertragen. Wenige Wochen
zuvor hatten hier Zehntausende Lausitzer gegen die SED-Obrigkeit
demonstriert. Inzwischen ist das Umfeld der Halle ein beliebter Treffpunkt
Cottbuser Jugendlicher. Pizza gibt es im nahen Einkaufszentrum. Im Sommer
lockt der benachbarte Puschkinpark, im Winter eher ein Abluftschacht der
Stadthalle, dem Wärme entströmt. Zweimal kam es hier in den vergangenen acht
Tagen zu Randale. Am Donnerstag vergangener Woche waren daran 200 junge
Leute beteiligt, am Dienstag dieser Woche etwa zwei Dutzend.
“Zuerst waren hier vor einigen Jahren die Rechten”, erzählt ein Jugendlicher
aus der linken Szene, der sich vor der Stadthalle aufhält. Später seien
immer mehr Linke gekommen, zwischenzeitlich einige Hip-Hopper. Beliebt ist
der leicht abschüssige Platz auch bei Skateboard-Fahrern. Als vor einigen
Wochen die Rechten ihr “angestammtes Territorium” vor der Stadthalle wieder
zurückerobern wollten, habe der Zoff begonnen. “Fünf unserer Leute gingen
hinter der Stadthalle lang, als sie plötzlich aus dem Busch heraus von zwölf
Rechten angegriffen wurden”, schildert der 17-Jährige die Geschehnisse am
vergangenen Dienstag.
Die Angreifer flüchteten später, die anrückende Polizei fand nur noch vier
verletzte Jugendliche und ihre Freunde vor. Die daraufhin eingesetzte
dreiköpfige Ermittlergruppe hatte bis gestern keine Erkenntnisse über die
Täter. Die Zeugenaussagen brachten nach Auskunft eines Polizeisprechers
bislang wenig, viele Geladene seien erst gar nicht bei der Polizei
erschienen. Das verwundert nicht, geben doch auch die Linken zu, dass die
Polizei “der gemeinsame Feind ist”.
Polizei und Stadt wollen jetzt mit stärkeren, auch gemeinsamen Streifen auf
die Auseinandersetzungen reagieren. Außerdem soll der Bereich um die
Straßenbahn-Haltestellen an der Stadthalle besser beleuchtet werden. Der
städtische Ordnungsdezernent Holger Kelch (CDU) spricht von einer
“punktuellen Störung”. Auffällig sei, dass sich unter den Jugendlichen viele
Nicht-Cottbuser befänden. Der 17-jährige Linke will dazu nichts sagen. Er
befürchtet aber, dass der Kampf um die “Hoheit” des Stadthallen-Vorplatzes
noch nicht beendet ist. “In den nächsten Tagen wird wieder was passieren”,
ahnt er.