Pressemitteilung Cottbus, den 27.6.2002
Am 26.06.02 forderte die Cottbuser Stadtverordnetenversammlung mit absoluter Mehrheit (zwei Gegenstimmen) die Aufhebung des diskriminierenden Sachleistungsprinzips für Asylbewerber/innen.
In dem durch die Aktion “Bargeld statt Gutscheine” und den Sozialausschuß der Stadt initiierten Antrag fordern die Stadtverordneten die Landesregierung auf, den landesweit “geltenden Runderlaß zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes dahin gehend zu ändern, dass die gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Gewährung von Geldleistungen zu ermöglichen”.
Darüber hinaus wurde in diesem Beschluß “eine Initiative zur bundesweiten Abschaffung des Sachleistungsprinzips” von Seiten der Landesregierung eingefordert.
Aus der Antragsbegründung:
“Die Praxis der Ausgabe von Gutscheinen an die in der Gemeinschaftsunterkunft lebenden Flüchtlinge führt zu einer Stigmatisierung und Diskriminierung im alltäglichen Leben. Sie bedeutet eine Einschränkung der Selbstbestimmung, kompliziert den Einkauf und begünstigt dadurch ausländerfeindliche Ressentiments. Die Wertgutscheine werden nicht in allen Kaufhäusern und nur in bestimmten Stadtteilen angenommen, und die Bezahlung erfordert zusätzliche Prozeduren oder Extrakassen. Es darf maximal ein Rückgeld von 10% ausgezahlt werden, was aber in der Regel nicht erfolgt und zu einer Minderung der dem Flüchtling zustehenden Leistung führt. (…)
Um am öffentlichen Leben teilnehmen zu können, müssen die Asylbewerber in der Lage sein, Telefonrechnungen, Fahrtkosten, Eintrittsgelder, Briefmarken u.ä. zu bezahlen. Die Teilnahme am öffentlichen Leben oder an Veranstaltungen, die insbesondere für Kinder und Jugendliche wichtig ist, ist damit nur begrenzt oder gar nicht möglich. Auch für die im Rahmen des Asylverfahrens notwendige Beratung und Begleitung durch Anwälte reicht das bisher bar ausgezahlte Taschengeld von 40 Euro pro Monat nicht aus.
Zusätzlich zu diesen Nachteilen für die Flüchtlinge steht auf Seiten der Stadt ein im Vergleich zur Bargeldauszahlung erhöhter Verwaltungs- und Sachkostenaufwand durch die Gutscheine.(…) Die in Cottbus bereits bei allen dezentral untergebrachten Flüchtlingen (ca. 70% der Asylbewerber) angewandte Praxis der Auszahlung von Bargeld anstelle der Wertgutscheine hat sich problemlos bewährt.”
Mit diesem Antrag, der mit ähnlichem Wortlaut bereits von der Stadt Potsdam und den Landkreisen Potsdam-Mittelmark und Uckermark verabschiedet wurde, bekundet die Stadt, dass die Gutscheinregelung einer schnellstmöglichen Aufhebung bedarf.
Als Cottbuser Aktion “Bargeld statt Gutscheine” begrüßen wir den Beschluss, wollen aber gleichzeitig darauf hinweisen, dass aus diesem noch keine konkrete Verbesserung für die hier lebenden Flüchtlinge resultiert. Wir haben es uns daher zur Aufgabe gemacht, diesem symbolischen Akt eine praktische Hilfe folgen zu lassen. So lange noch Gutscheine (pauschal) ausgegeben werden, versuchen wir, so viele wie möglich von diesen aufzukaufen und damit selbst einkaufen zu gehen. Wir bieten jedem Cottbuser Bürger die Möglichkeit, dies zu tun und damit praktisch gegen diese Diskriminierung von Flüchtlingen Stellung zu beziehen.
Unser Büro in der Parzellenstraße 79 ist jeden Dienstag von 17 — 20 Uhr geöffnet. Kontakt über Tel.: 0355/797587 (zur Bürozeit) oder per E‑Mail: gutschein@gmx.net
mehr zur Aktion “Bargeld statt Gutscheine” unter
www.asncottbus.org
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