Vor drei Jahren, als in Bernau ein Gambier und ein Vietnamese am helllichten Tage überfallen wurden, haben Jugendliche die “Aktion Noteingang” gegründet. Diese Aktion war als Nothilfe gegen aktuelle Angriffe gedacht. Heute sind in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt zahlreiche Jugendgruppen und Bürgerbündnisse in der “Aktion Noteingang” zusammengeschlossen. Es geht ihnen nicht nur um den Schutz von Fremden, es geht ihnen auch um Jugendliche, die zur unangepassten Minderheit gehören und ebenfalls Angriffen ausgesetzt sind. Sie beteiligen sich an Diskussionen und sie organisieren eigene Veranstaltungen, in denen sie zum Widerstand gegen das rassistische Klima ermutigen.
Also es gab damals keinen, der gesagt hat: Nazis sind Scheiße , oder: Das sind Nazis . Das gab s nicht. Es war auch nicht möglich, es war ein viel zu hohes Eskalationsniveau, das war lebensgefährlich. Also klar, ich hab es mir erlaubt, irgendwie einen kleinen Farbton in meine Haare zu tun. Aber das konnte ich mir auch nur erlauben, weil ich nur am Wochenende da war und weil ich wusste, zu welcher Uhrzeit ich wie lang gehen muss. Du musstest dir überlegen, welchen Zug du nimmst, wann du wo lang fahren kannst, welches Stadtgebiet du nicht betreten darfst, du musstest diese Standards schon einhalten.”
Suse ist 25 Jahre alt. 1991 ist sie aus Schwedt weggegangen. Schwedt, die Vorzeigestadt der DDR, das in den 60er Jahren explodierende Wirtschaftswunder Schwedt, das nach der Wende fast zusammen gebrochen wäre und der Stadt die Vorherrschaft rechter und rechtsradikaler Jugendkultur eingebracht hat. Schwedt an der Oder. Eine Reißbrettstadt nach preußischem und DDR-Muster zugleich. Mit dem Charme eines Schachbretts aus Beton. Der Stolz der realsozialistischen Petrochemie glänzte hier und zog die Menschen während der 60er Jahre in die neue Stadt. Arbeit und Wohnung wurden hier geboten und zwar sofort. Zehngeschossige Wohnhäuser säumen überbreite Straßen, schnurgerade am “Platz der Befreiung” vorbei, der noch heute so heißt.
Der fußballfeldgroße Platz an der heutigen Lindenallee wird begrenzt von zwei flachen, kantigen Kaufhaus-Quadern. Lange Zeit war das asphaltierte Rechteck in der Hand von Glatzen, von bekennenden Neonazis. Heute kurven auch jugendliche Skater dort umher. Doch die Zeiten direkt nach der Wende sind nicht vergessen und vorbei. Damals stürzte die deutsche Einheit die Stadt in heftige Turbulenzen. Zehntausenden Chemiearbeitern brachte sie das Aus, die Arbeitslosigkeit stieg auf über 20 Prozent und in dieser Höhe blieb sie auch stehen. Die Stadt verlor in den letzten Jahren 10.000 ihrer ehemals 50.000 Einwohner, ein ganzes Stadtviertel wurde deshalb abgerissen.
Tia ist 19 und hat gerade Abitur gemacht. Sie arbeitet bei Pukk mit, weil sie letztes Jahr mit ihrer englischen Freundin durch die Stadt spazierte, beide sprachen englisch miteinander, und sie wurde angepöbelt. Sie fasst sich an den Kopf: angepöbelt, bloß weil sie englisch sprach. Deshalb also Pukk. Pukk heißt in ganzer Länge: Politik und kritische Kultur, alternative Jugend Schwedt/Oder. Die Gruppe, die aus etwa 20 Jugendlichen besteht, gibt es seit 1998. Vier Jahre Friedhofsruhe lagen da hinter den Jugendlichen dieser Stadt, die sich nicht dem rechten Zeitgeist unterwerfen wollten. Denn 1994 hatte sich die letzte Jugendgruppe aufgelöst, die nicht zum rechten Lager gezählt werden konnte. Die meisten waren aus der Stadt regelrecht geflüchtet.
Suse berichtet von einem Beinahe-Totschlag 1992, der den Gipfel des rechtsradikalem Horrors gegen andere Jugendliche darstellte. Lange Monate lag ein Opfer von Nazi-Schlägern im Krankenhaus, lange Monate in der Reha, allmählich ging es besser. Aber damals war klar, sagt Suse:
Antifaschistische Arbeit unter Hochdruck
“So kann s nicht weitergehen. So kann s auf gar keinen Fall weitergehen. Wir können nicht so weitermachen. Geht nicht. Dann gab s eine große Kampagne, einen ARD-Bericht, einen Spiegel-Bericht — und dadurch ist der öffentliche Druck entstanden, ist ein neuer Richter eingesetzt worden, sind ein paar Verfahren anders gelaufen, sind ein paar Nazis verurteilt worden. Also da gab s einen Umschwenk in der Linie, durch den öffentlichen Druck. Und die Antifas wurden gebeten, die Stadt zu verlassen, weil ihr Schutz nicht mehr gewährleistet werden kann. Vom Bürgermeister. Wir hatten uns dann auch aufgelöst. Und der Bürgermeister war wahrscheinlich einfach nur froh, dass die Leute endlich weg sind.”
Diese Ereignisse sind in Schwedt nicht vergessen. Engagement gegen rechts, das wissen alle, ist gefährlich. Tias Eltern wollten deshalb nicht, dass sie mitmacht bei Pukk. Für sie war 1992, 1994 noch gestern. Tia ist trotzdem zu Pukk gegangen, hat die Gruppe mit aufgebaut, hat auch die “Aktion Noteingang” mit gemacht, organisiert Konzerte, politische Diskussionen. Pukk hilft Flüchtlingen, ein antifaschistisches Straßenfest haben sie letztes Jahr auf die Beine gestellt, sogar unter Schirmherrschaft des Bürgermeisters, desselben übrigens, der Jahre zuvor die Sicherheit von Suse und anderen nicht mehr garantieren mochte. Pukk wird unterstützt von den Uckermärkischen Bühnen in Schwedt, im Schauspielhaus fanden bereits Theateraufführungen und Diskussionsveranstaltungen statt. Trotzdem wurde im März 1999 der libanesische Asylbewerber Yasser auf offener Straße von einem 19-jährigen Rechtsextremen niedergestochen.
Die Pukk-Leute arbeiten nicht gerade unter anziehenden Umständen. Die Stadt hat den Jugendlichen einen kleinen Raum in einer ehemaligen Schule zugewiesen, dort treffen sie sich wöchentlich in einer schmalen, hohen Kammer, ziemlich unwirtlich, wenn auch immerhin beheizbar. Doch die Stimmung steckt an, die Zuneigung, die untereinander herrscht, die Gleichberechtigung, die fehlende Hierarchie, der Witz, die Spontaneität.
Pukk ist noch kein Jugendclub. Ganz anders das “Horte”: Ein ganzes Haus haben sich die Jugendlichen in Strausberg, einer Garnisonsstadt in der Nähe von Berlin, erstritten und erkämpft, selbstverwaltet natürlich, mit Kneipe bzw. Café, Büro, Veranstaltungs- und Gruppenräumen, eigenem Hof und in der ersten Etage Platz für mehr als ein Dutzend Leute, die hier wohnen.
Jeden Montag sitzen die Aktiven im “Horte” zusammen, planen nicht nur den Thekendienst, sondern auch die nächsten Veranstaltungen, reden und entscheiden über politische Aktionen und streiten sich darüber, ob das letzte Konzert gut organisiert war oder nicht.
Auch hier dieses Gefühl, gegen die Bedrohung der Nazis zusammenhalten zu müssen und nur als Gruppe dagegenhalten zu können. Genauso z.B. in Spremberg, im Süden von Brandenburg, Kombinat Schwarze Pumpe, ausgelaufen nach der Wende. Dort sind in den vergangenen Jahren mehrere Punker oder irgendwie “links” aussehende Jugendliche fast totgeschlagen worden. Dort gibt es den “Piraten e.V.”, antifaschistische, antirassistische Arbeit unter Hochdruckbedingungen. überall Hochdruck: Das “Horte” wurde noch vor zwei Jahren von 15 bewaffneten Nazis bedroht, die nur deshalb den Rückzug antraten, weil die Jugendlichen des “Horte” deutlich in der Mehrheit und entschlossen waren, sich zu wehren. ähnliches haben die im “Mittendrin” in Neuruppin erlebt. Neo-Nazi-Aufmarsch vor der Tür, 60–80 Glatzen, zwei Jahre ist das her. Das “Mittendrin” ist auch ein dicker Laden, der gerade ausgebaut wird, im oberen Geschoss ein eigenes Wohnprojekte für sechs bis zehn Jugendliche.
Antirassistische Jugendarbeit …
Das “Mittendrin”, das “Horte” und die “Piraten” sind selbstverwaltet und unterscheiden sich an einem wichtigen Punkt von den “offiziellen” Jugendprojekten. Diese alternativen Projekte lehnen jede Form so genannter akzeptierender Sozialarbeit ab. Nazis komme
n bei ihnen nicht rein, eine Diskussion mit bekennenden Rassisten und Faschisten findet nicht statt. Denn die Analyse der Gruppen, die über das Demokratische Jugendforum Brandenburg verbunden sind, zeigt, dass die Stärke der Rechtsradikalen auch aus Mangel an Alternativen herrührt. Den antifaschistisch orientierten Projekten geht es deshalb darum, eine antirassistische Jugendkultur aufzubauen, den Jugendlichen zu zeigen und vorzuleben, dass es zu den Rechtsradikalen eine Alternative gibt, dass man sich mit ihnen weder gemein machen noch die Trennlinien verwischen muss. Andere Musik, andere Kleidung, andere Umgangsformen werden gelebt.
Das “Mittendrin” hat sich deshalb auch schon heftig mit Jugendeinrichtungen gestritten, die das mit den Rechtsradikalen nicht so genau nehmen … René, Ende Zwanzig, seit Anfang an im “Mittendrin” dabei, mittlerweile sogar als bezahlte Kraft: “Wir hatten nämlich einen Fall, dass Jugendeinrichtungen teilweise Leute halt reingelassen haben, die wir definitiv zum rechten oder teilweise auch zum rechtsextremen Spektrum gezählt haben, die sich aber auch an der Aktion Noteingang beteiligen wollten, bzw. auch beteiligt haben. Da hing aber draußen z.B. der Aktion-Noteingang-Aufkleber, Du bist dann da halt irgendwann hingegangen und hast dann halt oben irgendwie den stellvertretenden Vorsitzenden der NPD vom Landkreis sitzen sehen mit einem white-power-T-Shirt. Das war dann für uns der Punkt, wo wir gesagt haben: Hey Leute, hallo, merkt ihr noch irgendwas? Irgendwie läuft hier was schief. Und das war dann schon irgendwie eine sehr, sehr spannende Diskussion, Sätze wie: Na ja, ihr habt halt eure Gegen-Nazis-Aufnäher und die haben halt ihrs, und solange keiner was macht und sich alle lieb haben, ist es ja okay. Und da haben wir an dem Punkt halt gesagt, nö, läuft nicht, geht nicht, könnt ihr die Aktion nicht mittragen, dann fliegt ihr halt da raus. Da müsst ihr euch ne Birne machen. Und ich denke schon, dass es mit ein Punkt war, warum sich verschiedene Jugendeinrichtungen halt wirklich ne Birne halt gemacht haben und sich seitdem entsprechend verhalten.”
In Neuruppin trug die Arbeit vom “Mittendrin” dazu bei, dass schließlich ein bekennender Nazi-Jugendtreff, der sogenannte “Bunker”, von der Stadtverwaltung geschlossen wurde. Daraufhin marschierten die Rechtsradikalen vor den anderen Jugendprojekten auf, blockierten sie, warfen Scheiben ein. René ist froh, dass die Stadt nicht eingeknickt ist. Es blieb bei der Schließung. Den Nazis wurde ein wichtiger Treffpunkt genommen, an seiner Stelle wurde eine neue, stadtteilbezogene Jugendeinrichtung für Jugendliche von 13 bis 17 Jahren geschaffen.
Dass die verschiedenen alternativen Jugendclubs voneinander wissen, mehr noch: miteinander zu tun haben, liegt am Demokratischen Jugendforum Brandenburg (DJB). Und an der “Aktion Analyse”, die unter dem Dach des DJB von ihnen allen ausgekocht wurde. Sinn und Zweck der Aktion, die hauptsächlich zwischen 1998 und 2000 lief, schildert Suse so:
“Der erste Anlauf von Aktion Noteingang hatte ja das Ziel, eine Hilfsinstanz zu schaffen. Wir haben dagegen gesagt: Nee, wir wollen keine Hilfsinstanz schaffen, weil klar ist, dass wir die so nicht schaffen können. Keiner, der verfolgt ist, rennt in irgend einen Laden, weil da ein Aufkleber dran ist, wird dahin rennen und sich eine Telefonnummer abschreiben und anrufen. Das funktioniert doch nicht, ist doch Mist, wissen wir doch selber, dass das nicht geht. Wir hatten einen anderen Schwerpunkt der Aktion Noteingang , es geht uns um die öffentliche Diskussion. Wir wollen in die Mitte der Gesellschaft, wir wollen die konfrontieren, wir wollen die ansprechen. Jetzt geht s nicht um Antifa, jetzt geht s nicht um Nazis, jetzt geht s um die öffentliche Diskussion. Wir hatten damals ein paar Ziele formuliert, und eins war gewesen: Wir wollen, dass nicht mehr über Jugendgewalt gesprochen wird, wir wollen, dass nicht mehr über irgendwelche lapidare Fremdenfeindlichkeit gesprochen wird, sondern wir wollen, dass über Rassismus geredet wird und über Rechtsextremismus. Oder Neofaschismus. Weil, das sind die Probleme. Und wenn wir das schaffen, die öffentliche Diskussion und Debatte darüber zu führen, dann haben wir was erreicht. Das war damals unser Ziel. Und das ließ sich ja auch erreichen. Wir haben offene Türen eingerannt.”
Im Sommer 1998 wurden in Bernau ein Gambier und ein Vietnamese in aller öffentlichkeit auf Straße überfallen und zusammengeschlagen. Die Taten waren, auch nach Ansicht der Staatsanwaltschaft, rassistisch motiviert. Und es waren keine Einzeltaten. Das Demokratische Jugendforum Brandenburg, ein Netzwerk verschiedener Jugendgruppen in Brandenburger Städten und Gemeinden, schuf die “Aktion Noteingang” als Antwort. Man entwarf einen Aufkleber und einen Fragebogen. Damit gingen Jugendliche in Gaststätten, zu Ladenbesitzern, zu Kultur- und Sozialeinrichtungen, in die Rathäuser und fragten die Verantwortlichen: Wie stehen Sie zu rassistischer Gewalt? Gewähren Sie Betroffenen Schutz? Bringen Sie den Aufkleber “Aktion Noteingang” deutlich erkennbar in Ihrem Geschäft oder Ihrer Einrichtung an? Der Aufkleber, in schwarz und gelb gehalten, zeigt das Piktogramm eines flüchtenden Menschen, der in eine offene Tür läuft. “Wir bieten Schutz und Informationen bei rassistischen und faschistischen übergriffen” steht in der Tür.
An der “Aktion Noteingang” beteiligten sich bis ins Jahr 2000 hinein Jugendgruppen aus 13 brandenburgischen Gemeinden. Im Sommer 2000 legten sie eine Broschüre mit ihren Erfahrungen vor. Elf Jugendgruppen berichteten, auch ein landesweites Resümee wurde gezogen. Die Hälfte der fast 1.000 angesprochenen Ladenbesitzer, Bürgermeister, Schuldirektoren, Kneipenwirte hatten die Fragebögen zurückgegeben, 22 Prozent aller Angesprochenen hingen den Aufkleber aus. In manchen Städten, in Fürstenwalde z.B., brachte sogar über die Hälfte der Angesprochenen den Aufkleber an, in Potsdam aber waren es nur 8 Prozent. In Bernau verdonnerte der Bürgermeister die Stadtverwaltung, sich nicht an der Aktion zu beteiligen, in Schwedt klebte der Bürgermeister den Aufkleber quasi eigenhändig an die Rathaustür.
Die “Aktion Noteingang” wurde im Jahre 2000 mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Die Brandenburger Landesregierung dagegen tat sich schon mit der bloßen Anerkennung schwer: Bereits bewilligte Gelder wurden nicht ausbezahlt, das Jugendbündnis wurde aus dem landesweiten, von der Regierung gestützten “Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt” herausgehalten. Dieses Aktionsbündnis war eins der Projekte, die die offizielle Politik auflegte, weil das Ausmaß rechtsradikaler Gewalt Investoren abschreckte und auf die Geschäfte mit dem Tourismus negativ durchschlug. Ein Aufnahmeantrag von “Aktion Noteingang” in das Bündnis wurde zwar verhandelt, aber vom Vorstand zurückgewiesen, weil die “Aktion Noteingang” nur ein Netzwerk sei und keine klaren Strukturen habe.
DJB: Netzwerk von unten
Die Landesregierung, so vermuten Suse und die anderen, hatte Sorge, dass mit Hilfe des Fragebogens die rassistische Stimmung im Lande aktenkundig werden könnte. Und die Tatsache, dass “Aktion Noteingang” gerade auch und immer wieder die politisch Verantwortlichen kritisiert, sei besonders dem christdemokratischen Innenminister Jörg Schönbohm ein Dorn im Auge gewesen.
Jetzt sind das DJB und die verschiedenen alternativen Jugendprojekte dabei, die Fortsetzung der “Aktion Noteingang” zu starten, die “Aktion Analyse”. Da soll der Frage nachgegangen werden, was in ihrer Stadt rassistisch ist. Z.B. die Anlage einer Flüchtlingsunterkunft; das soll dokumentiert werden, Aktionen sollen — durch diese Recherche vorbereitet — folgen.
An Aktionen sind die
Gruppen ohnehin nicht arm. Eine wird den “Piraten” in Spremberg wohl immer in Erinnerung bleiben, eine Aktion gegen die bekennenden Nazis der Stadt und gegen diejenigen, die die Fremdenfeindlichkeit in den Institutionen verkörpern. Gegen Bürgermeister Egon Wochartz zum Beispiel. Sachse erzählt:
“Geplant war, in der Fascho-Kneipe, im Tümmels, ne fette Beach-Party zu feiern, also da wirklich kiloweise Sand auszuschütten; Wirt, um 17 Uhr macht der auf, also den total zu überrumpeln, wenn noch keine Gäste drin sind, dem klar machen: Wenn du ruhig bleibst, passiert nichts, wir wollen alle was trinken, du kannst das Geschäft deines Lebens machen. Und da richtig mit Reagge-Mucke ne geile Party feiern. Und die Idee war gewesen, Faschoräume wieder in öffentliche Räume zu verwandeln. Weil der Wirt immer sagt: Er mag sie auch nicht, er kann aber nichts machen, sie sind seine einzigen Kunden. Ja, und deswegen ihm sagen: Ey, du kannst auch andere Kunden haben!
Parallel dazu sollte ein Sondertrupp beim Bürgermeister das Haus in Angriff nehmen, da sollten dann Sprühaktionen, Flyeraktionen, mit Transpis und so ablaufen. Und als Drittes den Bauwagen in Wetzkow draußen, wo die Kiddi-Nazis sich treffen, den irgendwo in stabile Seitenlage zu bringen, oder warmer Abriss oder irgend so was. Das Ding einfach zu beseitigen, unbrauchbar zu machen. Das ganze ist daran gescheitert, dass die Leute den Weg nicht gefunden haben. Da waren 20 Autos auf dem Weg nach Spremberg, die Hälfte ist vorbei gefahren, hat dann genau auf dem Polizei-Vorhof gewendet. Die haben die Bullen mit gehört, da war so ein Funkruf: Was soll das, hier wenden 20 Autos, genau vor der Polizeiwache, wo wollen die hin!? Helft uns! Die Leute vom Bürgermeister waren aber schon zu zeitig da und haben schon das ganze Haus irgendwie besprüht: ‚Ausgangssperre für den Rassisten Egon Wochartz und solche Sachen. Da war natürlich dort die ganze Polizei, hat dann versucht, auch wirklich böse ED-Behandlung durchzuziehen. Haben sie dann aber nicht geschafft.
Gegen Nazis und den Rassismus in den Institutionen
Die Bullen haben dann irgendwann gerafft, es geht ums Tümmels, eigentlich, haben dann davor Spalier gestanden und du kamst nicht mehr rein. Da standen dann 300 Leute vor dem Tümmels auf dem Platz, bei Mukke und haben dann gesagt, na gut, wir machen kurzfristig eine Demo durch Spremberg. Und auf dieser Demo gab es dann Beiträge, wo der Bauwagen thematisiert wurde. Aber als die Leute am Bauwagen waren, fuhr schon das erste Zivilbullenauto vorbei — und dann haben sie es dann sein gelassen, es wurde zu gefährlich. So lief das Ding eigentlich schief.”
Trotzdem war es für die Beteiligten großartig, mal nicht allein oder zu zwei Dutzend Leuten in der öffentlichkeit aufzutreten, sondern unterstützt zu werden von den Teilnehmern eines antifaschistischen Camps an der polnischen Grenze. Das hätte durchaus Eindruck in der Stadt gemacht, am meisten bei denen, die schon lange gehofft hatten, irgendwann müssten doch bestimmte Leute endlich mal einen Denkzettel kriegen …
aus: ak — analyse & kritik Zeitung für linke Debatte und Praxis
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