Als Rainald Grebe sein Lied “Brandenburg” schrieb, kam auch er an einem Problem nicht vorbei: Rechtsradikalismus in Jugendkultur, Öffentlichkeit und bis September 2009 auch im Landtag. Es ist nicht zu leugnen, dass es im ach so idyllischen Berliner Hinterland ein massives Problem mit Nazis jeglicher Schattierung gibt — vom alten “Reichsbürger” über äußerlich bürgerliche Parteifunktionär_innen und Mitglieder in straff organisierten Kameradschaften bis hin zu den sich als modern und alternativ gebenden “Autonomen Nationalisten” (kurz AN).
Während die DVU sich nach 10 Jahren im Landtag im letzten Jahr mit einer schweren Wahlniederlage auseinandersetzen musste und im Niedergang begriffen zu sein scheint, haben gerade die AN-Strukturen in Brandenburg (wie auch anderswo) regen Zulauf. Im letzten Jahr meldeten Personen aus dem Spektrum der “Freien Kräfte Teltow-Fläming” eine Demo in Luckenwalde an, um gegen das Grundgesetz auf die Straße zu gehen. Die Stadt plante als Reaktion darauf ein “Fest des Grundgesetzes” — mit anderen Worten also ein klassisches “Bratwurstessen gegen Rechts” fernab der Neo-Faschist_innen. Damit wollten wir als Falken uns nicht zufrieden geben und gründeten gemeinsam mit Solid TF-Nord, der Antifa TF und anderen Gruppen und Verbänden das Bündnis “Linker Fläming United”, um gemeinsam eine Gegendemo auf die Beine zu stellen und unseren Protest für alle sichtbar auf die Straße zu tragen. Als betont bunter und vielschichtiger Zug bewegten wir uns durch die Stadt und konnten insbesondere auch politisch eher weniger Interessierte zu unserer Demo mobilisieren, darunter auch viele Schüler_innen des örtlichen Gymnasiums, an dem wir kurz vorher einen Schulprojekttag zum Thema “Rechtsradikalismus” veranstaltet hatten. Leider gelang es uns nicht die Nazis am Laufen zu hindern oder wesentlich zu stören, da wir von der Stadt praktisch keine Unterstützung erhielten und wir uns mit strikter polizeilicher Repression konfrontiert sahen, die uns schlussendlich durch die Außenbereiche Luckenwaldes schickte und uns schließlich zwei Stunden lang einkesselte.
Während der Vorbereitung lernten wir auch Mitglieder der Bürger_innen-Initiative “Zossen zeigt Gesicht” kennen. Zossen ist eine Kleinstadt nordöstlich von Luckenwalde, nicht weit entfernt von Königs-Wusterhausen. In der Stadt gibt es eine fest etablierte rechtsradikale Jugendkultur, für alternative Jugendliche gibt es wenig bis gar keinen Raum sich zu entfalten oder auch nur sicher zu bewegen. Um dagegen etwas zu tun, gründeten einige Engagierte die oben genannte BI. Mensch würde annehmen, dass ein so klassisch-bürgerliches Engagement von der Stadt unterstützt und in Schutz genommen wird, ja sogar als Aushängeschild der Kommune genutzt wird. Nicht so in Zossen. Nach diversen Vorfällen, die von Farbeiern bis zu Morddrohungen gegen Menschen aus der BI reichten und schließlich der massiven Störung einer von der BI organisierten Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus, teilte die rechtskonservative Bürgermeisterin Michaela Schreiber (Plan B) mit, dass sie nicht nur die “Anwesenheit” von “Rechts- sondern auch von Linksextremisten” bedauere. Zudem warf sie der BI auch noch vor, zu “linkslastig” zu sein und damit eine Teilschuld an der Gewalt zu tragen.
Von dieser Haltung ließ die BI sich jedoch nicht abhalten und eröffneten im September letzten Jahres das “Haus der Demokratie”, das sowohl als Treffpunkt und Informationszentrum dienen sollte, als auch als Raum für verschiedene Veranstaltungen. Kurz darauf brachen das erste Mal Angehörige der örtlichen Nazi-Szene in das Haus ein und randalierten. Ein Sprecher der BI, Jörg Wanke, wurde an Hauswänden massiv bedroht und als “Linke Sau” beschimpft, anderen die Scheiben eingeworfen. Die rechtsradikalen Aktionen gipfelten schließlich in der Nacht vom 22. zum 23. Januar mit einem Brandanschlag auf das “Haus der Demokratie”, in dessen Folge das Haus vollständig nieder brannte. Dabei wurden nicht nur die Materialien der BI vernichtet, sondern auch eine Ausstellung zum jüdischen Leben in Zossen und eine an diesem Tag erst dort angekommene Ausstellung zur Residenzpflicht für Asylsuchende. Als kurz darauf eine Gedenkveranstaltung anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz auf dem städtischen Marktplatz stattfand, war die Stadt nicht bereit Strom zur Verfügung zu stellen, was freundlicherweise die Kirchengemeinde übernahm, die auch ihre Räumlichkeiten für ein anschließendes Zeitzeugengespräch nutzen ließ. Bei der eigentlichen Veranstaltung auf dem Marktplatz wurden die Teilnehmenden von der Polizei kontrolliert und bewacht, während eine Gruppe von ungefähr 15 Nazis auf der anderen Straßenseite ungehindert stören durfte und von der Polizei unbehelligt den Holocaust mit “Lüge, Lüge”-Rufen leugnete und in einigen Fällen sogar den Hitlergruß zeigte.
Spätestens damit sollte für alle klar sein, dass es so in Zossen nicht weitergehen kann. Unser Bündnis “Linker Fläming United” strukturierte sich neu und trifft derzeit Vorbereitungen für ein antifaschistisches Camp unter dem Motto “Schon wieder Zossen?! — NS-Verherrlichung und ‑Verharmlosung den Boden entziehen!” mitten in der Stadt, das vom 12. zum 13. Juni stattfinden wird. Angefangen von einer großen Bündnisdemo, die nicht nur Rechtsradikalismus, sondern auch Themen wie Sozialabbau und Asylpolitik aufgreifen soll, über ein abendliches Konzert mit Turbostaat und dem Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow, das den Auftakt zu einer informativ und kulturell reichhaltigen Nacht mit Lesungen und Liedermacher_innen darstellt, bis hin zu einem gemeinsamen großen Frühstück und einem Stadtrundgang zum Thema “Jüdisches Leben in Zossen” mit fachkundiger Begleitung, sollte für jede_n etwas dabei sein.
Und es sollte auch jede_r dabei sein, wenn es gilt Nazis in ihre Schranken zu weisen und das nicht nur bei den großen Events in Dresden oder Berlin, sondern auch unmittelbar vor der Haustür in Brandenburg.
Also hoffe ich, ihr kommt scharenweise nach Zossen, um mit uns allen gemeinsam klar zumachen, dass die Zeit für Nazis in Zossen abgelaufen ist und ihre menschenverachtenden Vorstellungen in dieser Stadt keinen Platz mehr finden.
Solidarisiert euch mit uns zusammen mit den Leuten aus der BI und all jenen, die sich in der Stadt bedroht fühlen und beweisen wir ihnen, dass sie nicht alleine sind!
Gemeinsam für eine Gesellschaft ohne Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und kapitalistischen Verwertungszwang!
Nach Dresden und Berlin nun auch Zossen nazifrei!
Fußnote:
Der Autor verwendet den Begriff “Rechtsradikale” bewusst, um sich vom Extremismusbegriff zu lösen, der in erster Linie eine Erfindung des Verfassungsschutzes ist und nicht etwa eine wissenschaftlich brauchbare Kategorie. Außerdem hält der Schreibende den Begriff für sehr zutreffend und genau, weil eine radikale Umsetzung rechter Vorstellungen (Ungleichwertigkeiten / Herrschaftsverhältnisse aller Art erhalten und verschärfen) in einer Diktatur enden muss, die den Idealvorstellungen alter und neuer Nazis entspricht. Davon ist “linksradikal” klar abzugrenzen, eine radikale Umsetzung linker Ideen (Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Kekse für alle) führt nach Meinung des Autors schlussendlich zur befreiten Gesellschaft. (In der es natürlich allen freigestellt ist, ob sie Kekse wollen oder lieber was anderes 😉
Ansonsten ist die Begriffsfindung natürlich nicht abgeschlossen und die hier verwendeten Begriffe entsprechen den Vorlieben des Autors.
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