Als die Polizei am 25. Oktober in Plessa mit einem Großaufgebot an
Einsatzkräften ein Skinhead-Konzert im Plessaer Kulturhaus mit über 300
Teilnehmern aus der rechtsradikalen Szene auflöste, da war dies bereits der
dritte Vorfall dieser Art. Einige Bürger von Plessa haben jetzt die
Initiative ergriffen. Sie wollen ein Bürgerbündnis schließen, um sich gegen
weitere rechtsextremistische Veranstaltungen zu wehren und die Bevölkerung
für die Gefahren zu sensibilisieren, die derartige Veranstaltungen für das
Dorf bedeuten können. Mehr als 20 Personen fanden am Montagabend den Weg ins
Kraftwerk Plessa, wohin der Geschäftsführer des Kraftwerk Plessa gGmbH,
Hans-Joachim Schubert, eingeladen hatte.
Neben Einwohnern von Plessa waren unter anderem der Leiter des
Schutzbereiches Elbe-Elster, Sven Bogacz, gekommen, der
Bundestagsabgeordnete Stephan Hilsberg, die Bürgermeisterin von Lauchhammer,
die Jugendkoordinatorinnen des Amtes Plessa und Schradenland, Vertreter der
Ordnungsämter der Ämter Plessa, Schradenland und Elsterwerda und der
Bürgermeister von Hohenleipisch. Vertreter war auch das Mobile
Beratungsteams Cottbus, dessen Ziel unter anderem ist, rechtsextreme
Entwicklungen und Übergriffe zu verhindern.
Dass die Ereignisse in Plessa keinesfalls bagatellisiert werden können,
machte Schutzbereichsleiter Sven Bogacz deutlich. Bei dem Wort Konzert
assoziiere man gewöhnlich lassische Musik, Schlagersänger, Phil Collins oder
die «Toten Hosen» . In Wahrheit verstecke sich hinter dem Begriff «Konzert»
in diesem Fall jedoch etwas anderes als nur ein musikalisches Event. Sven
Bogacz: «Die Veranstaltungen werden konspirativ vorbereitet, Säle und Räume
werden unter dem Vorwand von Geburtstagsfeiern, Klassentreffen und
Punkkonzerten angemietet, so dass teilweise nicht einmal die Vermieter etwas
davon mitbekommen. Bis zum Tag des Konzertes kennen nur die Organisatoren,
meist Straftäter mit rechtsextremer Motivation, den Veranstaltungsort. Am
Tag selbst wird dann das Publikum mittels Handy, Handzetteln und Lotsen vor
Ort gebracht. Dort fallen dann binnen Minuten Fahrzeuge aus aller Herren
Bundesländer ein.» Mit den Veranstaltungen ginge erfahrungsgemäß immer eine
Reihe von Straftaten einher.
Das war auch am 25. Oktober in Plessa nicht anders. Dort fand die Polizei
einen zerknüllten Zettel, auf dem auf das konspirative Treffen hingewiesen
und die Handy-Nummer mitgeteilt wurde, über die man Näheres über den
Veranstaltungsort erfahren konnte. «Verräter» wurden gleich vorgewarnt: «Wer
die Polizei informiert oder sonstige unerwünschte Subjekte zum Treff oder
später zu Veranstaltungen mitbringt, der stirbt.»
Hinter den Aktivitäten im Raum Plessa vermutet die Polizei auch Mitglieder
der «SSS» (Skinheads Sächsische Schweiz). Die rechtsextremistische
Organisation, die eine ähnliche Struktur wie die NSDAP habe, gründete sich
1996 und wurde 2001 durch das sächsische Staatsministerium verboten. Da der
Verfolgungsdruck in Sachsen sehr hoch sei, versuchten sie nach Brandenburg
auszuweichen.
Warum gerade Plessa« Als Gründe dafür nannte der Schutzbereichsleiter die
Nähe zu Sachsen, die Möglichkeiten des Kulturhauses, die vermutete geringe
Polizeidichte sowie die Präsenz von Personen, die diese Gelegenheiten
verschaffen könnten. Sven Bogacz verwies aber auch auf die Wahlergebnisse
der letzten Kommunalwahl, bei der die DVU in Plessa acht Prozent der Stimmen
erhielt (siehe unten). «Vielleicht ist das kein Zufall» , sagte er. Wo sieht
er nun einen Ansatzpunkt für ein Bürgerbündnis» Die Straftäter seien
eindeutig Sache der Polizei.
«Aber ein solches Gremium könnte die Folgen aufzeigen, die der
Rechtsextremismus auch für eine Kommune hat» , sagte Bogacz. Für den
Schutzbereichsleiter ist die Arbeit mit den Jugendlichen dabei nicht der
einzige Ansatz. «Wir sollten mit der Erwachsenengeneration arbeiten, denn
die beeinflussten die Kinder» , sagte er.
Alle, die sich zu Wort meldeten, begrüßten die längst überfällige Gründung
eines Bürgerbündnisses. «Wir brauchen dieses Bündnis» , bekräftigte nicht
nur die Jugendpflegerin Veronika Möbius. Ihre Enttäuschung brachte hingegen
eine Plessaerin zum Ausdruck: «Wo sind die anderen Bürger, wo ist der
Bürgermeister, wo sind die Gemeindevertreter, wo ist der Amtsdirektor, der
für diese Amtsgemeinde die Verantwortung trägt« Wann wird endlich dem
Pächter des Kulturhauses gekündigt»» — Fragen, die auch die anderen
Teilnehmer bewegten. Längst scheint sich im Dorf die Angst vor den
Rechtsextremen ausgebreitet zu haben, vor allem unter den Jugendlichen, wie
die Frau deutlich machte. Viele seien deshalb nicht gekommen, weil das
Lokalfernsehen da sei. Offenbar eine berechtigte Angst. Ohne Öffentlichkeit
gehe es aber nicht, betonte Veronika Möbius. «Wir müssen die Dinge beim
Namen nennen, diesen Mut müssen wir haben.»
Plessa hat im Umgang mit den rechtsextremistischen Erscheinungen offenbar
nichts falsch gemacht. So lobte Sven Bogacz das couragierte Handeln der
Plessaer Ordnungsamtsleiterin und Dirk Wilking vom Mobilen Beratungsteam
berichtete, dass er Plessa als positives Beispiel im Umgang mit dem Problem
anführe. Doch dabei will man es nicht belassen. Patentrezepte gibt es keine,
darüber war man sich schnell im Klaren. Öffentlichkeit herstellen, Flagge
zeigen, die Gemeindevertretung sensibilisieren, bei den Erwachsenen ein
Bewusstsein für die Problematik schaffen — in diese Richtung will sich das
Bürgerbündnis bewegen. Wie wichtig es ist, die ganze Region im Blick zu
haben, verdeutlichte die Bürgermeisterin von Lauchhammer, Elisabeth
Mühlpforte. Ein in Elsterwerda nicht genehmigtes Konzert fand dann in
Grünewalde statt…