Rechtsextreme spalten sich von der NPD ab / Internet-Seiten aus dem
Spreewald
(LR) Die brandenburgische NPD ist in der Krise. Hardliner, denen sie zu
«multikulti» ist, haben sich abgespaltet und eine neue Bewegung gegründet.
Sie wollen die braunen Kamerad-schaften bundesweit vernetzen — und werden
dabei unterstützt von einem Lübbenauer, der bis zu seinem Raus-wurf in einer
Cottbuser Existenzgründerwerkstatt gelernt hat.
In Brandenburg steckt die NPD in einem Loch. Ihr Prignitz-Ruppiner
Kreisverband, der als einer der aktivsten galt, hat sich Anfang vergangenen
Jahres faktisch aufgelöst. Weil die Partei dem brandenburgischen
Landesvorsitzenden Mario Schulz, dem Landesvorsitzenden der Jungen
Nationaldemokraten (JN), Jens Pakleppa, und anderen dunkelbraunen Kameraden
offenbar zu «multikulti» und zu zahm war, haben sie am 1. Februar 2004 in
Vetschau die Bewegung Neue Ordnung (BNO) gegründet. Nach Angaben des
Verfassungsschutzes trafen sich 100 Rechtsextreme zu deren ersten
Versammlung.
Den Massenaustritt aus der NPD begründete Schulz damals mit der Nominierung
des gebürtigen Bosniers Safet Babic, der deutscher Staatsbürger ist, als
Kandidat für die Europa-Wahl. Damit verabschiede sich die Partei von dem
Grundsatz «Deutscher ist, wer deutschen Blutes ist» , so Schulz. Soll
heißen: Ausländer raus und Deutschlands braune Verbände den Deutschen. Wegen
Babic war 1999 auch schon der sächsische JN-Landesverband aus dem
Bundesverband ausgetreten.
Laut Programm will die BNO den «biologischen Bestand des Volkes erhalten» .
Dem, was die Autoren als «Wesen des Volkes» bezeichnen, habe sich alles
unterzuordnen, notiert der Verfassungsschutz. «Staat und Wirtschaft, Kunst
und Kultur, der Einzelne. Darüber hinaus werden die Revision der
€päischen Nachkriegsordnung und die Eingliederung der ‚geraubten Gebiete
gefordert.»
Verfassungsschützer glauben: Die BNO könnte der NPD «als Spaltpilz
gefährlich» werden. «Sie ist mehr dem Neonazi-Spektrum zuzurechnen» , so
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) nach deren Gründung. «Ihr Programm
orientiert sich inhaltlich und sprachlich am 25-Punkte-Programm der NSDAP
von 1920.»
Durch den Übertritt des NPD-Kreistagsabgeordneten in der Prignitz und den
eines Stadtverordneten in Wittstock verfügt die BNO schon über zwei
kommunale Mandate. Und offenbar strebt sie nach mehr. Inzwischen hat sich in
Stuttgart eine «Plattform Neue Ordnung» formiert, die als Schwester und
Dachverband der «Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft» (BDVG) auftritt. Die
BDVG ist in der Lausitz bekannt. Ihr bei der Polizei als gefährlich
geltender Ex-Vorsitzende, der Neckarwestheimer Lars Käppler, gab schon bei
Aufmärschen in Cottbus und Hoyerswerda den Einpeitscher. Wohl um ein
mögliches BDGV-Verbot zu verhindern, hat er kürzlich sein Amt niedergelegt.
Derzeit bereitet Käppler nach Erkenntnissen von Verfassungsschützern seinen
Umzug nach Rosenberg-Hohenberg bei Ellwangen vor. Dort hat der aus
Österreich stammende Neonazi Andreas Thierry für etwa 45 000 Euro einen
alten Gasthof er steigert. Anwohner fürchten nun, dass dieser zu einem
Zentrum der Neonaziszene ausgebaut wird.
BDGV als «ordnende Hand»
Die Ziele der BDGV sind eindeutig. «Wirre Ansichten sind mehr verbreitet als
klare Einsicht» , heißt es da auf ihrer Internetseite unverblümt. «Es fehlt
die ordnende Hand. So muss erste Aufgabe jeder ernst zu nehmenden und
zielführenden nationalen Organisation die Säuberung der eigenen Reihen sein.
Wer in Deutschland eine neue Ordnung schaffen will, der muss bei sich selbst
anfangen.»
In Brandenburg sind heute kaum mehr 200 NPD-Mitglieder registriert. Vor
allem junge Menschen schlössen sich losen Kameradschaften an, weil sie in
solchen rechtsextremistischen Subkulturen anders als in der NPD auch ihren
gewaltbereiten Aktionismus ausleben könnten, verlautete schon vor zwei
Jahren aus dem sächsischen Verfassungsschutzamt.
Neuerdings ruft auch eine Gesinnungsgemeinschaft Süd-Ost-Brandenburg im
Internet Kameraden zu einem «gemeinsamen und geschlossenen Handeln» auf.
«Junge Widerstandskämpfer» gedachten am 15. Februar diesen Jahres auf dem
Cottbuser Südfriedhof der Opfer der Bombardierung vor 60 Jahren. Kaum eine
Woche später versammelten sie sich, «um den leidenschaftlichen Kampf Horst
Wessels nachzuempfinden» und einem Vortrag über das politische Soldatentum
zu lauschen. «Der unbekannte politische Soldat ist der eigentliche Held
unserer Bewegung» , tönt die Gesinnungsgemeinschaft, die nach eigenen
Angaben auch beim Aufmarsch der Rechtsextremen in Dresden mit 300 Leuten mit
von der Partie war.
«Diese Gruppierung dürfte in weiten Teilen mit der BNO identisch sein» ,
sagt Dirk Wilking vom Mobilen Rechtsextremismus-Beratungsteam in Cottbus.
Nach RUNDSCHAU-Recherchen gibt es zumindest eine Querverbindung: Die Inhalte
der Internetseite der Gemeinschaft sind auf einem Server hinterlegt, deren
Do main-Inhaber ein gewisser Marcel Forstmeier aus Lübbenau ist.
Forstmeier spinnt im Datennetz Fäden in der Kameradschaftsszene. Er stand
zumindest zeitweise auch hinter der Homepage der BNO, die inzwischen nicht
mehr aufrufbar ist. Die Seite www.jugend-wacht.de hatte er zudem betrieben.
Deren Ausrichtung erinnerte Experten stark an ehemalige Propagandaschriften
der 1994 verbotenen Neonazi-Truppe Wiking-Jugend.
Seiten-Betreiber rausgeflogen
Das Pikante daran: Marcel Forstmeier, der gestern für die RUNDSCHAU
telefonisch nicht erreichbar war, hat sein Handwerk in der Cottbuser «Garage
Lausitz» erlernt, einer vom Land unterstützten Existenzgründerwerkstatt.
Junge Leute sollen dort zu «Unternehmerpersönlichkeiten» heranreifen. Ein
Existenzgründungsberater beschreibt Forstmeier als «unauffällig,
diszipliniert, fleißig» . «Als dessen rechtsextreme Aktivitäten ruchbar
wurden, ist er bei uns aber sofort rausgeflogen.»
Das Innenministerium hält sich derzeit bedeckt. «Wir haben die BNO fest im
Blick» , heißt es nur. Experte Wilking sieht indes hinter den Neugründungen
Strategie. «Es gibt einen Trend zur Modernisierung über Differenzierung, um
möglichst vielen den Einstieg in die rechte Szene zu erleichtern» ,
analysiert er. «So wollen die Rechtsextremen auf einem Feld nach dem anderen
gesellschaftskompatibel werden.»
Der verästelte dunkelbraune Rand will nun die Kameradschaften für sich
vereinnahmen. «Die BNO ist keine Organisation, sondern ein
aktionsorientierter militanter Flügel» , erklärt Wilking. «Spannend wird es
bei der Frage, wie sie zum Deutschland-Pakt der DVU mit der NPD steht.
Unterstützt sie den, wird es gefährlich.»