GOLLWITZ. Jenes Ereignis, das die Gemeinde Gollwitz bundesweit bekannt machte, fehlt in der im Internet veröffentlichten Ortschronik: Dort ist zwar die Gründung der Feuerwehr 1923 erwähnt, die Neunummerierung der Häuser 1950 und die 625-Jahr-Feier im Jahr 2000. Nicht beschrieben wird, dass sich der Ort im Herbst 1997 erbittert gegen den Zuzug von etwa 50 jüdischen Einwanderern wehrte. Der mit ausländerfeindlichen Parolen gespickte Protest des rund 400 Einwohner zählenden Ortes im Landkreis Potsdam-Mittelmark sorgte damals weit über Brandenburg hinaus für Schlagzeilen. Schließlich zog die Kreisverwaltung ihre Pläne zurück, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Männer und Frauen im einstigen Herrenhaus unterzubringen. Trotzdem sollen Menschen jüdischen Glaubens bald zum Ortsbild des bei Brandenburg/Havel gelegenen Dorfes gehören: Denn als Konsequenz aus dem Konflikt vor fünf Jahren wird das marode Herrenhaus nun zu einer Begegnungsstätte ausgebaut.
“Die Gemeinde unterstützt uns”
Die Gollwitzer Feuerwehrleute gingen am Dienstag daran, die Fallrohre am Gebäude zu spülen, damit das Regenwasser künftig problemlos abfließen kann und nicht mehr ins Gebäude dringt. Trotz eisiger Kälte hantierten die Männer um Feuerwehrführer Helmut Pokorny im Wasser. Schließlich galt es, der Öffentlichkeit zu beweisen, dass das Dorf keinesfalls so antisemitisch eingestellt ist wie vor fünf Jahren beschrieben. “Die Gemeinde unterstützt uns tatkräftig”, sagte Architekt Achim Krekeler. “Wir freuen uns, dass das Gebäude saniert und wieder sozialer Mittelpunkt des Dorfes wird”, sagte Bürgermeister Andreas Heldt. Er stand 1997 besonders in der Kritik, weil er zum Beispiel vom Zentralrat der Juden eine Entschuldigung gefordert hatte, nachdem dieser die Gollwitzer kritisiert hatte.
Etwa 1,8 Millionen Euro wird die Sanierung des Schlosses kosten, schätzt die Stiftung Deutscher Denkmalschutz, die sich für das Projekt engagiert. Das Geld soll über Spenden und Zuschüsse aufgebracht werden. Vom Geldfluss hängt ab, wann die Begegnungsstätte öffnet, sagte Konrad Weiß am Dienstag in Gollwitz. Der einstige DDR-Bürgerrechtler ist Kuratoriumsvorsitzender der 2001 gegründeten “Stiftung Begegnungsstätte Gollwitz”. Der Landkreis übereignete ihr das sanierungsbedürftige Herrenhaus. Die Gemeinde unterstützte sie mit 10 000 Euro. Stiftungsvorsitzender ist der Berliner Rechtsanwalt Peter-Andreas Brand. “Mit der Begegnungsstätte werden wir zwar die „Glatzen“ nicht erreichen. Aber vielleicht können wir verhindern, dass einige 15-Jährige „Glatzen werden”, sagte Brand. Im Herrenhaus von Gollwitz sollen sich in Zukunft hauptsächlich jüdische und nichtjüdische Jugendliche zu mehrtägigen Seminaren treffen.
Thierse als Schirmherr
Die ersten Begegnungen fanden bereits im vergangenen Dezember statt: Eine Schulklasse des jüdischen Gymnasiums Berlin diskutierte mit einer Schulklasse eines Brandenburger Gymnasiums über Antisemitismus. An der Veranstaltung nahmen neben Weiß auch der Leiter des Centrum Judaicum, Hermann Simon, und der CDU-Politiker Heiner Geißler teil. Noch in diesem Jahr soll eine Veranstaltung mit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse stattfinden, der zugleich Schirmherr des Projektes ist.
Das Problem fremdenfeindlicher Straftaten besteht nach wie vor, sagte Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg. Er engagiert sich im Beirat der Stiftung. Strafverfolgung allein genüge nicht, sagte Rautenberg. Man müsse verhindern, dass Fremdenfeindlichkeit überhaupt aufkommt.
Wer das Projekt unterstützen will, kann sich bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (0228/957380) melden.
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