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Antifaschismus

Das Ende der Unbefangenheit

Pren­zlau — „Wenn ich Men­schen­grup­pen auf der Straße sehe, bin ich vor­sichtig. Ich bin heute viel mis­strauis­ch­er.“ So äußerte sich das 16-jährige Opfer ein­er Tem­plin­er Gewalt­tat auf die Frage des Richters, was sich nach der Tat für ihn verän­dert habe. Die Mut­ter des Opfers ergänzte, er könne jet­zt keinen Sport mehr treiben, und ob der Kiefer je wieder richtig heilen werde, sei fraglich.

Der 20-jährige mehrfach vorbe­strafte Roman A. aus Milmers­dorf wurde am Don­ner­stag vom Jugend­schöf­fen­gericht des Amts­gericht­es Pren­zlau für schuldig befun­den, am 10. August 2008 in Tem­plin an einen 16-Jähri­gen ohne Grund eine gefährliche Kör­per­ver­let­zung began­gen zu haben.

Die Tat erregte wegen ihrer Bru­tal­ität und ihrer zeitlichen Nähe zum Mord an dem arbeit­slosen Bernd K. durch zwei der recht­en Szene zuge­höri­gen Tem­plin­er bun­desweites Aufsehen.

Die Tat und der Tather­gang waren unstrit­tig. Der Angeklagte hat­te schon nach sein­er Ver­haf­tung aus­führlich aus­ge­sagt und schilderte auch vor Gericht den genauen Tather­gang. Er kon­nte das, obwohl er zum Tatzeit­punkt erhe­blich alko­holisiert gewe­sen sein musste. Er selb­st sprach von etwa 13 Flaschen Bier und einem hal­ben Liter Korn in einem Zeitraum von acht Stunden.

Er ges­tand, sein 16-jähriges Opfer vom Fahrrad gestoßen zu haben, wobei der zier­liche Jugendliche mit dem Kopf auf das Straßenpflaster schlug. Anschließend trat er seinem Opfer mit den linken Fuß gegen den Kopf. Er sagte, mit dem Spann und nicht so stark. Hätte er richtig zuge­treten, dann wäre sein Opfer jet­zt nicht mehr am Leben.

Eine Zeu­g­in hat­te gese­hen wie der Kopf hoch hüpfte – der Richter ver­glich es später mit einem Ping­pong­ball — und wieder auf das Pflaster auf­schlug. Sie hat­te den Auf­prall des Kopfes aber auch deut­lich gehört. Sie habe das Blut aus Mund, Nase, Ohren und Augen laufen sehen. Ihr ran­nten die Trä­nen über die Wan­gen bei der Erin­nerung an diesen Vorfall.

Der 16-Jährige erlitt dabei einen Unterkiefer-Gelenkbruch, ein Schädel-Hirn-Trau­ma, Prel­lun­gen und einen Hörschaden. Er musste mehrere Tage im Kranken­haus behan­delt wer­den und lei­det bis heute unter seinen Ver­let­zun­gen, physisch wie psychisch.

Erfol­glose Suche nach dem Motiv

Der Angeklagte befand sich zwei Tage auf der Flucht. Bei sein­er Ver­haf­tung in einem Nahverkehrs­bus – er wollte sich nach Oranien­burg abset­zen — fan­den die Beamten volksver­het­zende Musik in sein­er Reise­tasche. Der Richter fragte Roman A. nach dessen poli­tis­ch­er Gesin­nung. Er bekan­nte, dass er zur recht­sex­tremen Szene gehöre und mehr als nur ein Mitläufer sei. Als Grund nan­nte er seinen ger­man­is­chen Glauben. Klar wurde, dass er sich nicht zuge­hörig zur Tem­plin­er Szene zählte, son­dern dass seine Kam­er­aden in Oranien­burg leben. Auf die Frage des Richters, ob denn seine Ide­olo­gie etwas mit der Tat zu tun hätte, antwortete der Angeklagte ganz ein­deutig mit „Nein“. Er sagte aber auch, wenn er gewusst hätte, dass sein Opfer ein Bekan­nter des zur Tem­plin­er recht­en Szene gehören­den Matthias M. ist, hätte er ihn nicht geschlagen.

In einem Brief, den der Angeklagte aus der Unter­suchung­shaft her­aus geschrieben hat­te, nan­nte er ansatzweise ein Motiv, ihm sei lang­weilig gewe­sen, und er habe sich nach Tem­plin aufgemacht, weil er sich habe prügeln wollen.

Mit seinem Urteil von 3 Jahren und 6 Monat­en Jugend­haft für Roman A. fol­gte der Richter den Anträ­gen von Staat­san­waltschaft und Neben­klage. Selb­st der Vertei­di­ger hat­te zuvor außer dem umfassenden Geständ­nis des Angeklagten keinen Aspekt gefun­den, der für Roman A. hät­ten sprechen kön­nen. Er hat­te lediglich um eine mildere Strafe gebeten. Während des Prozess­es einigten sich die Vertreter von Opfer und Täter auf die Zahlung eines Schmerzens­geldes. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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