Strausberg-Hohenstein (MOZ) Über dem Maisfeld kreist ein Polizeihubschrauber. In den Feldwegen und auf der Dorf-Straße haben sich Polizeibeamte postiert — hoch zu ROSS oder mit Hund, im Mannschaftswagen oder mit schwerer Technik Jörg Piprek, der Landwirt, der auf zehn Hektar seines 50 Hektar großen Feldes genveränderte Pflanzen angebaut hat, pendelt zwischen seinem Betrieb in Hohenstein und seinem Acker im benachbarten Gladowshöhe hin und her. Ein wenig ist er verwundert: „Ich hätte nicht gedacht, das s der Staat so viel macht, um mein Feld zu schützen”, sagt er — und freut sich. Gleichwohl hätte er es lieber gehabt, wenn es des Großaufgebots an Polizisten gar nicht erst bedurft hätte. Doch es liegt nicht mehr in seiner Hand.
Die Initiative „Gendreck weg” will an seinem Feld ein Exempel statuieren. Sie will den genveränderten Mais zerstören, hat ihre Aktion öffentlich angekündigt und andere dazu aufgerufen, es ihr gleich zu tun. Das ist, so sagt die Polizei, eine Anstiftung zur Straftat. „Jeder, der sich daran beteiligt, stellt die Grundsätze dieser Gesellschaft in Frage”, ist auch Wolfgang Scherfke, der Geschäftsführer des Landesbauernverbandes, überzeugt. „Wo kommen wir denn da hin, wenn sich jeder am Eigentum eines anderen vergreift und das auch noch ankündigt?”, regt er sich auf und beantwortet seine Frage gleich selbst: „Das ist Anarchie”.
Im benachbarten Ruhlsdorf, wo die Initiative „Gendreck weg” an diesem Wochenende ihr Lager aufgeschlagen hat, will man sich nicht in eine solche Ecke stellen lassen — jedenfalls nicht offiziell. Jürgen Binder, Imkermeister aus dem Schwabenland und einer der Initiatoren der Aktion, betont: „Wir handeln in Notwehr. Es ist Gefahr im Verzug.” Immer wieder, sagt er, dass man niemanden dazu auffordern werde, Maispflanzen aus Pipreks Feld zu reißen. „Doch eine persönliche Erklärung kann jeder hier am Mikrofon abgeben”, sagt er auf der Kundgebung. Und gibt den Text gleich vor. Binder: „Diese persönliche Erklärung könnte so lauten: ‚Ich bin ein persönlicher Feldbefreier und möchte mir meine persönliche Maispflanze holen, weil…” Kurze Zeit später droht er unverhohlen jedem Landwirt, der genveränderte Pflanzen anbaut: „Das soll für jeden eine Warnung sein, dass er mit einer freiwilligen Feldbefreiung rechnen muss.” Spitzenpolitiker von Union, FDP und SPD bezeichnet er als „Handlanger der kriminellen Gentechnikindustrie”.
Manche Teilnehmer der Kundgebung tun Binder den Gefallen, und bekunden öffentlich, dass sie am Nachmittag Pipreks Feld einen Besuch abstatten werden. Andere, wie der Strausberger Uwe Müller, tun es nicht. Er sei zwar gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft, sagt der 40-Jährige, „ich bin aber auch gegen Gewalt”.
Dass man sich gegen genmanipulierte Pflanzen wehren müsse steht für den Inhaber eines Bioladens fest. Im Nebenberuf seit 20 Jahren Imker, ist er davon überzeugt, dass solche Pflanzen giftig sind. „Die wirkliche Gefahr kennt keiner.” Und durch Auswilderungen, so glaubt er, könne früher oder später niemand mehr „was Gesundes anbauen”.
„Wir brauchen eine nachhaltige, unserer Region angepasste Landwirtschaft”, sagt der Strausberger und hofft darauf, „dass die Bauern die Gefahr, die auch für sie entsteht, endlich erkennen und keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr anbauen”. Am liebsten wäre es ihm, wenn Landwirt Piprek seinen Mais selbst abmäht. „Da würde er der Stadt Strausberg und dem Naturpark Märkische Schweiz einen riesigen Dienst erweisen”, sagt Uwe Müller.
Piprek allerdings ist weit davon entfernt, sich seinen Gegnern zu unterwerfen. „So geht man unter zivilisierten Menschen nicht miteinander um”, ist er überzeugt. Deshalb hat er auch eine so genannte Entschädigung, die ihm die Initiative „Gendreck weg” für Zerstörungen an seinem Feld zahlen will, abgelehnt. „Ich will keine Spenden, ich will meinen Mais”, sagt der Landwirt. „Und ich möchte, dass die Verbraucher intensiv zu dem Thema aufgeklärt werden, damit sie keine Ängste mehr haben.”
Lange bevor er den Genmais anbaute, hat sich Piprek mit der Thematik beschäftigt, sagt er. „Ich denke, das ist eine interessante Technologie.” Nicht nur, dass sich der Genmais gegenüber „normalem Saatgut” allein vom Anschaffungspreis her rechnet: Er trägt auch ein Gen eines Bodenbakteriums in sich, das ständig Gift gegen den Maiszünsler produziert. Und der macht den Bauern gerade in Märkisch-Oder-land zu schaffen. Abgesehen davon, dass durch den Parasitenbefall zwischen 30 und 100 Prozent der Maisernte vernichtet werden, ist er mit Insektiziden schlecht zu bekämpfen. Kein Zufall also, dass von sieben landwirtschaftlichen Betrieben in Brandenburg, die auf insgesamt 123 Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, sechs aus dem Landkreis Märkisch-Oderland stammen.
Doch die Argumente, die Landwirte wie Jörg Piprek haben, zählen für die Gegner der
Gentechnik nicht. Sie verweisen auf Länder wie Indien, wo der Lieferant des gentechnisch veränderten Saatgutes, Monsanto, „die Bauern in den Ruin und in den Selbstmord treibt”, wie Aktivist Jürgen Binder argumentiert. Und so setzt sich am Nachmittag ein Demonstrationszug in Richtung Pipreks Feld in Bewegung. Nach der genehmigten Kundgebung in Ruhlsdorf, wird eine „spontane” in Hohenstein gemacht. Noch während diese läuft, bewegen sich kleine Gruppen von sechs, acht Mann in Richtung Feld und versuchen, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen. Sie sind hartnäckig. Nicht alle lassen sich ohne weiteres stoppen. So setzt die Polizei auch ihre mitgebrachten Diensthunde ein. Eine Frau trägt Bissverletzungen davon und muss ins Krankenhaus gebracht werden. 58 Personen nimmt die Polizei in Gewahrsam — wie es heißt, „zur Verhinderung von Straftaten”. Unter den Festgenommenen ist auch der Initiator der Aktion, Imkermeister Jürgen Binder.
Versammlung nimmt unfriedlichen Verlauf (Polizeibericht)
Strausberg / Ruhlsldorf / Hohenstein — Die für den 30./31.07.2005 in Ruhlsdorf angemeldete Versammlung von Genfeldgegnern verlief am 30. Juli weitgehend störungsfrei. Es kam im Verlauf des Nachmittags bzw. Abends zu 4 Platzverweisen im Bereich des Maisfeldes bei Gladowshöhe.
Am 31. Juli wurde die angemeldete Versammlung um 14:00 Uhr in Ruhlsdorf beendet. Im Anschluss daran bildeten die Veranstaltungsteilnehmer einen sog. Sprecherrat, der bei der Polizei eine Spontandemonstration anmeldete. Durch die Polizei wurde alles getan, um einen weiteren friedlichen Protest zu ermöglichen und hat die Spontandemonstration nach Hohenstein gestattet, wo eine 15minütige Abschlusskundgebung durchgeführt wurde. Von dort aus sollten die Teilnehmer wieder nach Ruhlsdorf zurückkehren, nachdem die Versammlung beendet wurde.
Im Verlauf der Kundgebung in Hohenstein versuchten deren Teilnehmer mehrfach energisch die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen und in Kleingruppen in Richtung des Maisfeldes bei Gladowshöhe durchzubrechen.
Berittene Bundespolizei im EinsatzEine Teilnehmerin der Versammlung griff den Polizeiführer des Einsatzes tätlich mit Tritten an. Gegen sie wird wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt.
Mit Stand 17:30 Uhr musste die Polizei 58 Personen zur Verhinderung von Straftaten in Gewahrsam nehmen. In enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) wird der Tatbestand des Landfriedensbruchs geprüft.
Bei dem Versuch in das Maisfeld zu gelangen ist nach derzeitigem Erkenntnisstand eine weibliche Person von einem Polizeidiensthund gebissen word
en. Die Erstversorgung der Verletzten erfolgte durch Sanitätskräfte der Einsatzhundertschaft, die zur weiteren Behandlung ins Krankenhaus Strausberg gebracht wurde.
Der Einsatz, in dem sich 280 Beamte der Polizei des Landes Brandenburg, Berlins sowie der Bundespolizei befinden, dauert an.
Thomas Wilde
Pressesprecher
Infos und Bilder unter www.gendreck-weg.de