Trotz eines massiven Polizeieinsatz konnte „Befreiung“ des Gen-Mais-Feldes nicht verhindert werden
Mit einem massiven Großaufgebot von mehreren Hundertschaften, Pferden und Hundestaffeln sowie Hubschraubern versuchte die Polizei, das umstrittene Gen-Mais-Feld im brandenburgischen Naturpark Märkische — Schweiz nahe Strausberg-Hohenstein zu schützen, auf dem Gen-Mais des US-Gentechnik-Konzerns Monsanto wächst. Von der Polizeipräsenz ließen sich die rund 300 Landwirte, Imker, Gärtner und Verbraucher aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Frankreich nicht abschrecken. Bei dem Versuch, den „Gendreck“ zu beseitigen, hat die Polizei jedoch 70 von ihnen verhaftet.
Einigen Feldbefreiern gelang es, auf den Acker zu kommen und Gen-Mais-Pflanzen auszureißen. So konnte ein Mitglied der örtlichen Bürgerinitiative den Mais auf einer Fläche von rund 600 Quadratmetern zerstören.
Eine 62 jährige Frau ist am Nachmittag aufgrund des unverhältnismäßig harten Einsatzes der Polizei, durch einen Biss eines Polizeihundes verletzt worden. Sie muss für drei Tage in stationärer Behandlung im Krankenhaus Märkisch-Oderland in Strausberg bleiben. Die Kripo ermittelt.
„Die Aktion zeigt, dass jeder, der Gen-Mais anbaut, mit erheblichem Widerstand rechnen muss“, sagt Michael Grolm, Diplom-Agraringenieur und Berufsimker. „Die Politiker müssen endlich aufwachen. In einer Demokratie muss die Politik den Willen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger respektieren.“ Umfragen zufolge lehnen 70 Prozent der Bevölkerung Gentechnik ab. „Wenn die Politik dies weiter ignoriert, muss sie sich nicht wundern, wenn der Widerstand wächst und Gen-Pflanzen nur noch unter Polizeischutz gedeihen können.“
Der Gen-Mais in Strausberg-Hohenstein soll bisher als Körnermais entweder für Lebensmittel oder als Tierfutter für die Fleischproduktion verwendet werden. Die Initiative ‚Gendreck weg’ fordert den Bauern Piprek auf, den Mais sofort unterzupflügen. Nur dadurch kann er verhindern, dass sich die Pollen auf Nachbarfelder ausbreiten.
„Es gibt kein ‚Jein’ zur Gentechnik. Entweder die Gen-Pflanzen breiten sich unkontrolliert aus und zerstören die ökologische und konventionelle Landwirtschaft. Oder wir verbannen alle Gen-Pflanzen von unseren Feldern. Ein Zwischending ist unmöglich. Koexistenz ist ein Mythos“, sagt Michael Grolm. „ Gesetze ändern sich, Naturgesetze nicht: Bienen halten sich nicht an Ackergrenzen.“
Die Initiative „Gendreck-weg“ nimmt den Anbau von Gen-Mais nicht hin. Ohnehin ist noch zu klären, ob der Anbau des Gen-Mais MON810 von Monsanto überhaupt legal ist. Dieser Gen-Mais unterläuft zum einen EU-Vorschriften, da Monsanto den erforderlichen Überwachungsplan bei den Behörden nicht eingereicht hat. Zum anderen fehlt eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die Monsanto nach der €päischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie hätte durchgeführt müssen. Denn der Gen-Acker befindet sich im Europäischen Vogelschutzgebiet Märkische Schweiz.
„Wir erwarten von allen Parteien, dass Sie sich im Wahlkampf eindeutig zum Thema Gentechnik positionieren. Wer wie CDU/CSU, FDP und SPD die Gentechnik auf unseren Feldern durchsetzen will, macht sich zum Handlanger von Monsanto. Das ist kriminell,“ sagt Michael Grolm.
Weitere Aktionen werden folgen.
Hunderte Polizisten bewachen ein Maisfeld
HOHENSTEIN. “Bio-Terroristen”, so nannte die Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche die Leute, die am Wochenende in das kleine Dörfchen Ruhlsdorf bei Strausberg (Märkisch-Oderland) reisen wollten, um ein nahes Feld mit genmanipuliertem Mais zu zerstören. Auf einer Wiese, etwa drei Kilometer vom Genmaisfeld in Hohenstein entfernt, sitzen an diesem Sonntagmittag etwa 300 Leute in der Sonne. Wie Terroristen sehen sie nicht aus. Es sind Bauern, Imker, Gärtner und Anti-Gen-Aktivisten aus ganz Deutschland, aus Österreich, der Schweiz und Frankreich.
Sie sind nicht im klassischen Sinne militant — so wie andere, die nachts Tiere aus Versuchslaboren befreien oder unbemerkt genmanipulierte Pflanzen auf Feldern zerstören. Zwar wollen auch sie Gen-Mais herausreißen und damit eine Straftat begehen — aber erstmals haben Gegner des genmanipulierten Anbaus eine solche Aktion im Voraus angekündigt.
Indes sperren Polizisten die Zufahrt nach Hohenstein ab. “Hier darf nur durch, wer ein berechtigtes Interesse nachweisen kann”, sagt ein Polizist. “Die Gen-Gegner gehören nicht dazu.” Am Anfang und Ende des Mais-Ackers stehen Panzerwagen. Überall sind Polizisten mit Schusswesten und Hunden zu sehen. Mehrere Hundert Beamte sind an den rot-weißen Absperrbändern entlang des Feldrains im Einsatz. Überall stehen gelbe Schilder, auf denen steht: “Betreten verboten.” “Vier Personen haben am Sonnabend versucht, auf das Feld zu kommen. Sie erhielten einen Platzverweis”, sagt Polizeisprecher Thomas Wilde. Den Gen-Gegnern ist es untersagt, näher als 250 Meter an den Acker heranzukommen.
Michael Grolm aus Rottenburg bei Tübingen ist einer der Organisatoren der Aktion. Auf seinem Hemd steht das Motto seiner Initiative “Gendreck weg”. Grolm ist Agraringenieur und hat eine Imkerei mit 80 Bienenvölkern. Die “Feldbefreiung” sieht er als demokratischen Protest. “Die Politik darf nicht länger den Willen der Bevölkerungsmehrheit ignorieren”, sagt der 33-Jährige. Bei Umfragen lehnten regelmäßig 70 Prozent der Befragten genveränderte Nahrungsmittel ab. “Nicht wir sind kriminell oder undemokratisch, wie uns gern vorgeworfen wird, sondern die, die Gesetze gegen die Bevölkerung machen.”
Auf 50 Hektar steht in Hohenstein der genveränderte Mais. Direkt im Naturpark. Das wurde dem Landwirt erlaubt. Und genau das sehen die Aktivisten als Provokation. “Ich weiß nicht, wie wir weiter wirtschaften sollen”, sagt Grolm. “Unsere Bienen halten sich nicht an die Gesetze der Politik, sondern an die der Natur.” Die Pollen der genveränderten Pflanzen würden von Bienen auch zu anderen Feldern gebracht. Eine Trennung von Gen-Landwirtschaft und gen-freier Bewirtschaftung sei nicht möglich. “Niemand weiß, wie sich genveränderte Nahrungsmittel auf Tiere und Menschen auswirken”, sagt Grolm.
Regine Blessing ist aus der Nähe von Stuttgart angereist. “Ich will kein Feld zerstören”, sagt die 35-jährige Bäuerin, die einen Ökohof mit 100 Kühen betreibt. “Ich habe Unterschriften gesammelt, habe friedlich protestiert, es ging den Leuten am Arsch vorbei.” Doch jetzt, da eine Feldzerstörung angekündigt ist, werde endlich über die Gefahren der Gentechnik in der Landwirtschaft geredet.
Am Nachmittag setzt sich der Protestzug in Bewegung. Die Polizei will die nicht genehmigte Kundgebung auflösen. Einige Aktivisten blockieren die Straße. Polizisten drängen sie ab. In Hohenstein dürfen die Gen-Gegner nicht bis ans Feld heran. Trotzdem versuchen es 20 Demonstranten immer wieder. Es gibt Festnahmen. Eine Frau wird von einem Polizeihund gebissen.
Einem Mitglied des Aktionsbündnisses gegen Gentechnik gelingt es schließlich doch, auf den Acker zu gelangen und Teile des Feldes zu zerstören. Nach eigenen Angaben trat der Aktivist die Maispflanzen auf über 500 Quadratmetern komplett nieder.