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«Das ist wie ein plötzlicher Tod in der Familie»

(LR, 01.11.) Die seit Jahren in Deutsch­land lebende Fam­i­lie Cikaj aus dem Koso­vo wird am
5. Novem­ber defin­i­tiv nach Pristi­na abgeschoben. Das hat die
Aus­län­der­be­hörde des Land­kreis­es Spree-Neiße der im Forster Asylbewerberheim
unterge­bracht­en Fam­i­lie am Don­ner­stag mit­geteilt. Der Ter­min war seit
Sep­tem­ber mehrfach ver­schoben wor­den. Cika­js müssen nun zurück in ein Land,
das die Kinder kaum kennen. 

Vater Iljaz Cikaj (42) floh vor zehn Jahren vor dem Krieg auf dem Balkan.
Drei Jahre später fol­gten ihm Ehe­frau Dusha (40) mit ihren damals drei
Kindern Jeton (18), Mir­lin­da (14) und Rexh (10) nach Berlin. In der
Haupt­stadt kam Jet­mir (6) zur Welt. Seit gut zwei Jahren lebt die
sech­sköp­fige Fam­i­lie in Forst. Die drei jün­geren Kinder besuchen die Schule.
Der 18-Jährige hat in diesem Jahr die 10. Klasse abgeschlossen. 

«Zur Aus­reise ab Berlin-Schöne­feld» habe sich die Fam­i­lie am 5. Novem­ber um
7 Uhr «mit Reisegepäck» in der Aus­län­der­be­hörde einzufind­en, wurde Cikajs
vorgestern erk­lärt. Ein Dien­st­fahrzeug des Land­kreis­es werde sie zum
Flughafen bringen. 

«Wir kön­nen es nicht fassen» , ringt der älteste Sohn nach Worten. Doch er
weiß: «Alle rechtlichen Mit­tel sind aus­geschöpft.» Das Verwaltungsgericht
sieht keinen Anspruch auf Dul­dung der Fam­i­lie in Deutsch­land. Auch ein neues
psy­chol­o­gis­ches Gutacht­en änderte nichts an der Auf­fas­sung des Gerichts. 

«Für uns ist das eine Katas­tro­phe» , sagt Jeton Cikaj. «Das ist wie ein
plöt­zlich­er Tod in der Fam­i­lie, den kein­er begreifen kann.» Wed­er seine
Fre­unde und Sportkam­er­aden im Forster Fußbal­lvere­in noch die Mitschüler
sein­er Geschwis­ter wür­den die Entschei­dung ver­ste­hen. Wenn Jeton mit seinen
Eltern und Geschwis­tern näch­sten Mittwoch in Pristi­na lan­den wird, «dann
ste­hen wir vor dem Nichts» , fürchtet der 18-Jährige. «Wir wis­sen nicht,
wohin es ab Pristi­na geht, ob wir eine Unterkun­ft erhal­ten.» Dies sei mit
Blick auf den nahen­den Win­ter beson­ders erschüt­ternd. Die Fam­i­lie habe auch
nicht das nötige Geld für einen Neuan­fang. «In Forst lebten wir von
Gutscheinen.» Und dass er im Koso­vo arbeit­en gehen kann, glaubt der junge
Mann auch nicht. «Die Arbeit­slosigkeit ist dort sehr hoch.» 

«Unsere Kinder ken­nen ihren Geburt­sort nicht. Für sie ist Forst der zweite
Geburt­sort» , sagt Vater Iljaz. «Meine Heimat ist hier» , ergänzt die
14-jährige Realschü­lerin (Durch­schnitt 2,3) Mirlinda. 

«Ich muss es erst ein­mal ver­dauen» , meint auch Heim­leit­er Andreas Halla.
«Ich habe nicht damit gerech­net, dass die Abschiebung so schnell vollzogen
wird.» Er müsse die Entschei­dung jedoch akzep­tieren, wen­ngle­ich es «von der
men­schlichen Seite» nicht nachvol­lziehbar sei. Die Dra­matik beste­he darin,
dass die Fam­i­lie im Koso­vo kaum eine Grund­lage für den Auf­bau ein­er Existenz
habe, so Hal­la. Die hier ange­wandte «beson­ders große Härte» stelle im
Ver­gle­ich zu anderen Fam­i­lien eine «ungerecht­fer­tigte Behand­lung» dar. 

Ursprünglich soll­ten Cika­js schon vor einem Jahr abgeschoben wer­den, nachdem
das Bun­de­samt für die Anerken­nung aus­ländis­ch­er Flüchtlinge den Asylantrag
abgelehnt hat­te. Sie kon­nten zunächst bleiben, um dem ältesten Sohn den
Schu­la­b­schluss zu ermöglichen. Seit August 2003 erhiel­ten Cika­js insgesamt
vier­mal eine kurzfristige Ver­längerung ihrer «Gren­züber­tritts­bescheini­gung»
. Auch dies­mal suchen sie «krampfhaft nach einem Ausweg» , so Heimleiter
Hal­la. «Aber den wird es wohl nicht geben.»

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