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Das Leben geht weiter!”

Es waren etwa 45 BesucherIn­nen, die sich am Vor­mit­tag des 08.10.2007 in einem
kleinen Saal des “Schloss­es” in Bad Freien­walde ein­fan­den, ges­pan­nt auf die
Erzäh­lun­gen eines fast hun­dertjähri­gen Mannes. Doch diese Erzäh­lun­gen gestalteten
sich weitaus anders, als von den meis­ten erwartet. Dr. Hans Keil­son stellte als
erstes fest, dass er nicht aus den Nieder­lan­den angereist wäre um einen Vor­trag zu
hal­ten, son­dern dass er da sei, um mit den BesucherIn­nen zu reden und durch
Gespräche und Diskus­sio­nen auch seine eigene Lebens­geschichte ver­mit­teln würde.
Trotz­dem beka­men die Gäste, größ­ten­teils vom Bad Freien­walder Gym­na­si­um aber (als
“Ehren­gast”) auch der Bürg­er­meis­ter Ralf Lehmann, einen kurzen Ein­blick über die
Per­son “Hans Keil­son”. Dieser ist 1909 in Bad Freien­walde in ein­er jüdis­chen Familie
geboren. Mitte der zwanziger Jahre, kurz vor seinem Abitur, hat­te er seine ersten
Begeg­nun­gen mit Anti­semitismus. Doch ver­suchte er dies hin­ter sich zu lassen als er
1928 nach Berlin ging um Medi­zin zu studieren. Als er sein Studi­um 1934 beendete,
war es den Juden allerd­ings ver­boten jegliche medi­zinis­che Berufe auszuüben. Zwei
Jahre lebte Hans Keil­son noch in Deutsch­land, bis er es nicht mehr aushielt. Er
durfte seine nicht-jüdis­che Lebens­ge­fährtin nicht heirat­en, auf­grund der “Nürn­berg­er
Ras­sen­ge­set­ze”, er hat­te keinen Beruf und die Büch­er die er schrieb wur­den verboten.
1936 flo­hen seine Lebens­ge­fährtin und er schließlich in die Nieder­lande. Hier
tauchte er unter und lebte als “Dok­tor vaan Der­lin­den”. Er bekam, während der
deutschen Besatzungszeit, das Ange­bot in ein­er ille­galen Untergrundorganisation
mitzuar­beit­en, die sich damit beschäftige trau­ma­tisierte, jüdis­che Waisenkinder, die
von nieder­ländis­chen Fam­i­lien aufgenom­men wor­den waren, zu betreuen. Er willigte ein
und arbeit­ete so jahre­lang. 1939 holte er kurzzeit­ig seine Eltern in die
Nieder­lande, doch da er der Mei­n­ung war, sie kön­nten mit ihrer Ausreiseerlaubnis
nach Palästi­na zu sein­er Schwest­er auswan­dern, beschloss er sie nicht bei sich
aufzunehmen. Diese Entschei­dung wurde ihm jedoch zum Ver­häng­nis. Seine Eltern kamen
in einem Konzen­tra­tionslager ums Leben. Heute lebt er mit sein­er zweit­en Frau in der
Nähe von Ams­ter­damm und ist noch immer als der älteste Psy­cho­an­a­lytik­er der Welt
aktiv. 

Dies war nur ein kurz­er Ein­blick in seine Biogra­phie (kom­plett nachzule­sen in dem
Buch “Das Leben geht weit­er” von Hans Keil­son), men­sch kon­nte aber im laufe von
Gesprächen und Diskus­sio­nen noch viel mehr Einzel­heit­en erfahren. Hans Keil­son war
aber selb­st sehr inter­essiert an der per­sön­lichen Sichtweise der BesucherInnen,
bezo­gen auf Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukun­ft. So wurde über The­men wie die
Entwick­lung des Recht­sex­trem­is­mus in Bad Freien­walde, die Zukun­ft Deutsch­lands, die
Tak­tiken und Mit­tel von Hitler und der Inter­ak­tion zwis­chen Deutsch­land und Polen
disku­tiert. Keil­son begrün­dete sein Inter­esse mit der Aus­sage: “Sie alle sind
Zeu­gen, Zeu­gen der eige­nen Zeit!” Und so wurde auch dem Bürg­er­meis­ter ein­mal mehr
deut­lich gemacht, dass Recht­sex­trem­is­mus ein zunehmendes Prob­lem in Bad Freienwalde
darstellt. Eine junge Frau berichtete, dass sie Angst hätte mit ihrer kleinen
Tochter durch die Straßen zu gehen, weil sie nie wisse wie die Nazis auf sie
reagieren wür­den. Eine Lehrerin des Gym­na­si­ums äußerte sich insofern, dass es
erschreck­end sei, dass dieses The­ma so gle­ichgültig behan­delt wird und auch mehrere
Jugendliche gaben an, dass das Prob­lem immer schlim­mer wird und dass die
Gle­ichgültigkeit der Gesellschaft trau­rig sei. Auch der Anti­semitismus wurde
the­ma­tisiert und die ver­schiede­nen Def­i­n­i­tio­nen Hans Keil­sons waren inter­es­sant. Er
sagte, er spreche bewusst nicht von Juden, son­dern Anti­semitismus beste­ht aus
Ver­fol­gern und Ver­fol­gten. Außer­dem sei Anti­semitismus nichts anderes als die
Pro­jek­tion der eige­nen, unbe­wältigten Prob­leme auf einen Sün­den­bock. In diesem Fall
auf den Juden. Auf die Frage hin, ob er durch seine Erleb­nisse mit dem
Nazi-Deutsch­land nicht einen unglaublichen Hass auf die Deutschen habe, antwortete
er nicht direkt. Er sagte nur, er sei tief­trau­rig darüber, dass Men­schen zu so etwas
fähig waren. 

Neben­bei bekam men­sch auch inter­es­sante geschichtliche Fak­ten dargelegt. So wurde
die die NSDAP durch einen Mann namens Joseph Schön­felder in Bad Freienwalde
man­i­festiert, vor dem Rathaus hat­te einst Göbbels feurige Reden gehal­ten und Adolf
Hitler per­sön­lich schritt im März 1945 noch durch das Bad Freien­walder “Schloss”.

Nach zwei Stun­den wurde das Gespräch schließlich been­det, obwohl noch längst nicht
alle The­men aus­geschöpft waren. Zum Abschluss gab Hans Keil­son seinen BesucherInnen
noch fol­gende Worte, der Titel eines sein­er Büch­er, mit auf den Weg: “Das Leben geht
weiter!”

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