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Das Märchen von einer sozialen Stadt für alle …

Seit nun­mehr drei Jahren ist die LaDatscha in Pots­dam beset­zt. Seit drei Jahren gestal­ten wir das Haus und somit unsere Stadt selb­st­bes­timmt mit. Nun ist es wieder ein­mal zu ein­er indi­rek­ten Auseinan­der­set­zung mit der bösen Real­ität gekom­men. Und zwar in Form von Rech­nun­gen und selt­samen Forderun­gen seit­ens der Stiftung Preussis­che Schlöss­er und Gärten bzw. des Kom­mu­nalen Immo­bilien Ser­vice. Ein offen­er Brief der Datscha.

Alle Jahre wieder, so scheint es, erhält die datscha ungeliebte Post vom Kom­mu­nalen Immo­bilienser­vice (KIS). Wie schon im Jahr 2010, ist es auch dieses mal wieder eine Rech­nung. Im Gegen­satz zum ver­gan­genen Jahr aber  beste­hen an der inhaltlichen und for­malen Seriosität des neusten Schreibens erhe­bliche Zweifel. In den let­zten drei Jahren sollen wir Wass­er im Wert von ca. 3000 Euro ver­braucht haben. Zusät­zlich wurde uns die Grund­s­teuer und  Gebäude­ver­sicherung in Höhe von 338,72 Euro in Rech­nung gestellt. Ein­mal abge­se­hen davon, dass wir uns bere­its im let­zten Jahr aus­führlich zur Sache geäußert haben1 und wir unsere Forderun­gen eigentlich nur wieder­holen kön­nen, gibt es dann doch noch einiges zur all­ge­meinen Sit­u­a­tion, was uns und andere linke Pro­jek­te in Pots­dam ange­ht, zu sagen.

Die aktuelle Rech­nung sowie die 1. Mah­nung, die wir am 12.12.2011 erhal­ten haben, hat ihren Ursprung bei der Stiftung Preußis­che Schlöss­er und Gärten (SPSG), da die datscha ihr Wass­er über einen Anschluss auf einem Grund­stück der Stiftung bezieht. Die SPSG reicht die Kosten an den KIS weit­er, wahrschein­lich in der Annahme, dass wir nicht bezahlen wür­den. Der KIS bezahlt erst ein­mal ohne die Angaben auf der Rech­nung zu hin­ter­fra­gen und richtet sich dann mit seinen Forderun­gen an uns.

So weit so gut. Was uns aber aufge­fall­en ist, hätte wohl auch den „Profis“ des städtis­chen Unternehmens und Eigen­tümer der ehe­ma­li­gen „Vil­la Wild­wuchs“ nicht ver­bor­gen bleiben dür­fen. Auf der Rech­nung der Stiftung fehlen jegliche Angaben zu Zäh­ler­num­mern und Zäh­ler­stän­den. Wir haben daraufhin die Zäh­ler­stände kon­trol­liert und sind auf einen Ver­brauch von ca. 30 Kubik­me­ter in den let­zten drei Jahren gekom­men. Zum Ver­gle­ich: die Stiftung berech­net uns ca. 500 Kubikmeter.

Außer­dem wer­den, wie selb­stver­ständlich, Kosten für die Abwasser­entsorgung berech­net, obwohl allen Beteiligten bekan­nt sein müsste, dass die datscha keinen Abwasser­an­schluss besitzt, son­dern das Abwass­er in regelmäßi­gen Abstän­den durch Sub­un­ternehmen der Stadt Pots­dam abholen und entsor­gen lässt.

Gle­ichzeit­ig wurde der Stadtverord­nete Lutz Boede zu einem Tre­f­fen ein­ge­laden, wo er mit einem Vertreter des Jugen­damtes, der Sozialdez­er­nentIn und zwei Vertretern der Stiftung, wohl gemerkt aber ohne uns, über die Zukun­ft unseres Beachvol­ley­ballplatzes neben der datscha reden sollte. Die Vertreter der Stiftung monierten das äußere Erschei­n­ungs­bild unseres Pro­jek­tes und die Ille­gale Nutzung ihres Grund­stück­es durch unseren Vol­ley­ballplatz. Zur Info: das Grund­stück der datscha ist im Besitz der Stadt bzw. des KIS, das daneben liegende, worauf sich das Vol­ley­ballfeld befind­et, gehört der Stiftung.

Wir sind bere­it Strom und Wass­er zu bezahlen (die Abwasser­entsorgung haben wir seit Beset­zung über­nom­men) unter der Bedin­gung, dass unser Pro­jekt öffentlich einen Dul­dungssta­tus erhält. Wir wollen keinen Mietver­trag und wir wer­den wed­er Grund­s­teuer, noch eine Gebäude­ver­sicherung bezahlen. Dies haben wir bere­its ver­gan­ge­nes Jahr gegenüber der Stadt deut­lich gemacht. Seit­dem hat sich nie­mand der Ver­ant­wortlichen mit uns über Lutz Boede oder unsere Recht­san­wältIn in Verbindung geset­zt. Die neueste Rech­nung kann nicht ein­fach nur ein Verse­hen sein. Wir ord­nen sie in die all­ge­meine Entwick­lung, wie in Pots­dam mit Haus­pro­jek­ten und anderen eigen­ver­ant­wortlichen Ini­tia­tiv­en von Bürg­erIn­nen umge­gan­gen wird, ein.

In Pots­dam wird viel von Bürg­er­beteili­gung gesprochen. Aber wird sie auch tat­säch­lich zuge­lassen und umge­set­zt? Bürg­er­haushalte mit Abstim­mungen wer­den abge­hal­ten und dann doch ignori­ert. Es gibt Stad­trats­beschlüsse, an die sich manche/r Dez­er­nentIn pen­e­trant nicht gebun­den fühlt. Bürg­erini­tia­tiv­en wird nach Lust und Laune ihre Seriosität aberkan­nt und gle­ichzeit­ig wird einem Preußenkult gefrönt, der SozialdemokratIn­nen eigentlich schlecht zu Gesicht ste­hen sollte.

Vor diesem Hin­ter­grund ist es nicht ungewöhn­lich, dass eine Stiftung, die eigentlich nur his­torische Parks und deren Gebäud­e­struk­tur erhal­ten und pfle­gen sollte, sich so auf­spielt, als habe sie in manchen Fra­gen der Stadt­poli­tik das let­zte Wort. Wenn wir gle­ichzeit­ig eine so unver­schämte Rech­nung erhal­ten und oben­drein unser Vol­ley­ballplatz in Frage gestellt wird, hat das einzig und allein mit dem Druck der Schlösser­s­tiftung zu tun. Die Sport­plätze die nach einem Votum durch den Bürg­er­haushalt und nach ein­er Abstim­mung im Stad­trat auf der Fläche hin­ter der datscha gebaut wer­den soll­ten, ste­hen nun wieder in Frage, da auch hier die Stiftung und nun zusät­zlich das Umwelt- und Denkmalschutzamt Bedenken äußern.

Das, was wir machen, ist Bürg­er­beteili­gung! Ein wenig ungewöhn­lich vielle­icht und nicht ganz legal, aber sehr erfol­gre­ich. Auch das haben wir im let­zten Jahr schon geschrieben. Eine Umgestal­tung der Grün­fläche hin­ter der datscha nach den Bedürfnis­sen und Vorstel­lun­gen der Anwohner­In­nen und zukün­fti­gen NutzerIn­nen würde dieses Bürg­eren­gage­ment ver­tiefen. In unseren Augen kön­nte sich die betr­e­f­fende Wiese zu einem lebendi­gen Lab­o­ra­to­ri­um für einen selb­st gestal­teten Stadt­garten sowie Spiel- und Sport­platz entwickeln.

Wie sus­pekt Vertretern der Stadt solche Ini­tia­tiv­en sind, zeigt das arro­gante Ver­hal­ten des Baudez­er­nen­ten Klipp gegenüber alter­na­tiv­en Wohn­pro­jek­ten und kri­tis­chen Grup­pen (die Wagen­Haus­Burg auf Her­rmannswerder z.B.) Auch hat keine ver­ant­wortliche Stelle der Stadt bis heute klar Posi­tion gegenüber dem Pro­jekt la datscha bezo­gen. Es gibt bish­er nur offizielle Ver­laut­barun­gen aus der ersten Woche nach der Beset­zung. Seit­dem herrscht Schweigen seit­ens der Stadt. Damit lässt sich gut leben. Auf der anderen Seite zeigt es aber auch deut­lich, was nicht gewollt ist: selb­st organ­isiertes Engage­ment und Bürg­er­beteili­gung an Stad­ten­twick­lung­spro­jek­ten. Wed­er sollen „wir“ Bürg­erIn­nen uns zum Stadtschloss äußern, auch inter­essiert es nicht, was „wir“ z. B. zum Brauhaus­berg zu sagen haben. Und wer die Mieten in Pots­dam zu teuer find­et, kann schließlich auch nach Berlin gehen.

Das angekündigte Ref­er­en­dum zur Schwimmhalle wird wahrschein­lich durch irgen­deinen Trick genau­so zur Farce wer­den, wie das vor eini­gen Jahren zum The­ma Stadtschloss abge­hal­tene Votum. Super Grund­lage für demokratis­che Beteili­gung! Mit diesen Ver­hält­nis­sen hät­ten wir auf legalem, demokratis­chen Wege niemals eine datscha eröff­nen kön­nen und die meis­ten von uns wären schon lange da, wo Klipp und Kon­sorten uns wahrschein­lich hin wünschen…in Berlin oder son­st wo.

Wir sind aber hier und wer­den uns wohl auch weit­er­hin die Räume nehmen, die wir brauchen. Und wenn der Stiftung unser Vol­ley­ballplatz nicht passt, soll sie das Grund­stück an die Stadt zurück­geben und den Weg frei machen für weit­ere, sin­nvolle Pro­jek­te. Wenn es denkmalschützerische Bedenken gibt, muß die All­ge­mein­heit ein für alle mal abwä­gen zwis­chen dem öffentlichen Inter­esse an Bürg­erIn­nen­parks und Sport­plätzen und dem Stel­len­wert eines preußis­chen Open Air Museums.

Hier geht es nicht mehr nur um uns. Wir sind der kleine Pick­el der nervt, wie noch einige andere Pick­el in der Stadt. Wenn man sich die Zahl der ent­stande­nen Bürg­erini­tia­tiv­en ansieht (z.B. gegen den Bau des Stadtschloßes, gegen die Gar­ni­sion­skirche, gegen Ein­tritts­gelder für Parkan­la­gen u.a.), scheint die Akzep­tanz für Pres­tige­pro­jek­te, die die herrschende Stadt­poli­tik in Pots­dam repräsen­tieren nicht son­der­lich groß zu sein. Die Arro­ganz der­er, die diese Pro­jek­te ver­wirk­lichen (wollen), umso mehr.

Vor dem Hin­ter­grund der mafiösen Struk­turen in der „High­so­ci­ety“ dieser Stadt; vor dem Hin­ter­grund, dass Mil­lio­nen För­der­mit­tel für frag­würdi­ge Pro­jek­te an frag­würdi­ge InvestorIn­nen ver­schenkt wur­den; vor dem Hin­ter­grund, dass man sich fragt, wer hier eigentlich nicht „Dreck am Steck­en hat“, fra­gen wir uns, wie wir die poli­tisch Ver­ant­wortlichen ernst und beim Wort nehmen sollen. Es ist nicht nur ein Angriff, son­dern auch eine Frech­heit, wenn Baudez­er­nent Klipp aus­gedachte Gel­dar­gu­mente gegen die Wagen­burg her­vorza­ubert und dabei offen­sichtlich sein Man­dat ver­let­zt. Und es ist ein Angriff und nicht nur eine finanzielle Mehrbe­las­tung, wenn selb­stver­wal­tete und legal­isierte Haus­pro­jek­te plöt­zlich 16 Prozent mehr Pacht bezahlen sollen.

Es ist das immer gle­iche Dilem­ma, ob hier in Pots­dam, in Ham­burg oder Berlin. Es wird weit­er fleißig pri­vatisiert, höchst mögliche Ren­dite aus jedem Stückchen Stadt­grund gepresst und beste­hende, kom­mu­nale Reg­u­lar­ien in Sachen Miet­spiegel und sozialer Woh­nungs­bau wer­den abgeschafft. In Ham­burg ist das „Recht auf Stadt“-Bündnis ent­standen, das jet­zt seit gut zwei Jahren durch Demos, Beset­zun­gen und öffentliche Debat­ten für Wirbel sorgt. Das The­ma Miete ste­ht inzwis­chen seit eini­gen Monat­en ganz oben auf der poli­tis­chen Agen­da und es wird darüber disku­tiert, den kom­mu­nalen Woh­nungs­bau wieder an zuschieben. In Berlin hat die Ini­tia­tive „Medi­aspree versenken“ den Städteplan­ern in den let­zten Jahren gehörig in ihre größen­wahnsin­nige Suppe gespuckt. Auch zeigt die große Beteili­gung an den Demos und Aktio­nen des bre­it angelegten Mieten­stop-Bünd­nis Berlin die zuge­spitzte Lage am Woh­nungs­markt und den Willen der betrof­fe­nen Men­schen diese Sit­u­a­tion nicht hinzunehmen.

Wenn wir, die Aus­ge­gren­zten, die Stören­friede, in Sachen Städtepla­nung Gehör erlan­gen wollen, dann wer­den wir uns ähn­lich organ­isieren müssen wie in Ham­burg und Berlin. Und statt weit­er der Entwick­lung hin­ter­her zu laufen, soll­ten wir ein für alle Mal klarstellen, was unsere Inter­essen sind und anfan­gen diese ern­sthaft in die Real­ität umzusetzen.

Und falls die Stiftung auch gegen die datscha denkmalschützerische Bedenken haben sollte und den Druck gegen uns erhöhen wird, sagen wir: bitte schön! Aber ver­bren­nt euch nicht die Fin­ger, denn wir wer­den dafür sor­gen, dass man uns nicht so schnell ver­gisst. Wir haben die Ruhe der let­zten drei Jahre genossen, wir sind aber dur­chaus bere­it, für unsere Freiräume, ob datscha, Vol­ley­ballplatz, Havel­strand o.a. zu kämpfen.

Wagen­burg bleibt! datscha bleibt! Weg mit den Pachter­höhun­gen für die Zep­pelin­straße 25 und 26 und alle
anderen Pro­jek­te!

Wir bleiben alle!

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