Werder · Petzow — Es soll ein kleiner Gipfel vorneweg sein: Heute und morgen bereiten die Finanzminister der sieben führenden Industrieländer und Russlands (G8) in Petzow das Gipfeltreffen der G 8‑Staaten im Juni in Heiligendamm vor. Während der noble Ostseebadeort seit Monaten festungsartig mit einem kilometerlangen Zaun, Nato-Draht und Patrouillenwegen gesichert wird, reicht für den kleinen Gipfel vor Berlin die Sperrung einer Kreisstraße und das Auswerfen einiger Bojen auf dem Schwielowsee.
Und während in Heiligendamm Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst seit Wochen die Haushalte abklappern und überprüfen, wer sich in der Umgebung für den Urlaub einquartiert hat, reichte in Petzow am Dienstagabend ein Treffen der örtlichen Polizei mit ein paar Anwohnern, um die Passierscheinregelungen zu besprechen. Denn so wie in Heiligendamm die Einheimischen nichts von den Staats- und Regierungschefs zu sehen bekommen werden, bleibt auch den Petzowern der Blick auf den politischen Geldadel der Industriewelt verwehrt. Jedenfalls vom Boden oder vom Wasser aus.
Die einzige Straße, die zum noblen Tagungsort der Finanzminister – dem „Resort Schwielowsee“ – führt, ist ab heute 8 Uhr zu. „Die Straße Am Schwielowsee ist ab B 1 bis zur Fercher Straße bis Samstagabend gesperrt“, so der Sprecher des für die Außensicherung des Treffens zuständigen Polizeipräsidiums Potsdam, Rudi Sonntag. Nur die Handvoll Petzower, die zwischen den Sperren wohnen, haben einen Passierschein bekommen. Kein Radler, kein Fußgänger, kein Auto soll sich dem Hotelkomplex nähern können. Und irgendwo zwischen Seeufer, Hotel, Kreisstraße und dem Mirenberg im Petzower Hinterland wacht auch die Spezialeinheit des Landeskriminalamtes über den ordnungsgemäßen Ablauf der Tagung.
Auch von der Wasserseite sind die Schotten dicht: Das Hoheitsgebiet der Hotelbesitzer Axel Hilpert (früher DDR-Antiquitätenhändler und Inoffizieller Mitarbeiter bei der DDR-Spionageabwehr) und Hans-Hermann Tiedje (früher Bild-Chefredakteur und heute Politikberater und Medienunternehmer) wurde für zwei Tage deutlich ausgedehnt: Die Sicherheitskräfte haben eine 100-Meter-Zone zu Wasser zum Sperrgebiet erklärt. Behördendeutsch heißt das: „Befahr‑, Anlege‑, Stillliege- und Badeverbot in der Sicherheitszone.“ Gekennzeichnet wurde diese mit dem „Wasserverkehrszeichen A1“ – sprich: rote Bojen zeigen den Hobbykapitänen ihre Grenzen auf.
Und die Wasserschutzpolizei Brandenburg, die gleich um die Ecke in Werder (Havel) eine Wache unterhält, kreuzt vor dem Hotelkomplex mit drei Booten: Neben den zwei größten, die das Land Brandenburg zu bieten hat, die „WSP 1“ und die „WSP 2“, wurde auch der Stolz der märkischen Wasserpolizisten an die roten Bojen beordert: die „WSP 8“. Polizeiintern wird geschwärmt: „Ein Jetstream-Boot, das es auf 60 km/h bringt – unser schnellstes und modernstes Boot.“
Ansonsten gibt sich das Potsdamer Polizeipräsidium betont nüchtern, wenn es um den Aufwand an Sicherheitsmaßnahmen geht. 150 Polizisten sollen im Einsatz sein, heißt es aus Polizeikreisen. Alles schon Routine, es gibt kompliziertere Aufgaben, beschwichtigt Sonntag. „Der personelle Aufwand ist für uns nicht so groß, wie etwa beim Treffen der G 8‑Außenministertreffen am 30. Mai in Potsdam.“ Es gäbe auch kein Sightseeing-Programm, wie es die EU-Touristikminister diese Woche in Potsdam hatten.
Nur ein Ausflug ist für die G 8‑Finanzminister geplant: Am Freitagabend steht eine kleine Seefahrt auf dem Schwielowsee auf dem Programm – bei Dunkelheit. Ansonsten werden sich Delegationen im Hotelkomplex mit Tagungs- und Wellnesszentrum, Luxus-Suiten und Appartements aufhalten, tagen und speisen.
Auf dem Speiseplan stehen auch Brandenburger Spezialitäten, sagt Juliane Hilpert, Sales-Managerin des Resorts. Ansonsten hält auch sie sich bedeckt, was die Betreuung der Gäste betrifft. Nur so viel: Das Resort wurde komplett angemietet von der Bundesregierung als Gastgeber. Für Pressekonferenzen und andere Veranstaltungen wurden extra Zelte aufgestellt und man habe den gesamten Komplex besonders gründlich auf Hochglanz poliert. Für jeden Gast gibt es das volle VIP-Programm. Da könnten auch Buffets und Frühstück noch üppiger ausfallen als ohnehin schon, sagt die Tochter des Hotelbesitzers.
Die spannende Frage im Vorfeld dieses Treffens konnte die Hotelmanagerin nicht beantworten: Kommt Wolfowitz? Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz soll in Petzow über Korruption reden. Das Problem: Weil er seine Freundin innerhalb der Weltbank protegiert haben soll, steht er kurz vor der Ablösung oder seinem Rücktritt – von einer Afrika-Tagung am kommenden Montag in Berlin hat ihn Bundesentwicklungshilfeministerin Zeul jedenfalls schon ausgeladen. Klar ist nur eins: Das Zimmer für den Weltbank-Chef ist auf „Wolfowitz, Paul“ reserviert.
Sicherheitstechnisch betreut werden die hochrangigen Gäste hinter dem (nicht verstärkten) Hotelzaun vom Bundeskriminalamt (BKA), das für die so genannte Innensicherung und den unmittelbaren Personenschutz zuständig ist. Dass die Sicherheitsleute all zu viel zu tun bekommen werden, davon gehen die Behörden derzeit nicht aus. Es seien derzeit keine Protestaktionen in unmittelbarer Nähe des Resorts bekannt, heißt es aus Sicherheitskreisen. Lediglich eine offizielle Veranstaltung ist angemeldet worden. Heute Abend wollen G 8‑Gegner und Nichtregierungsorganisationen gegen die Politik der großen Industrienationen und der Weltbank unter dem Motto „Deine Stimme gegen Armut“ demonstrieren – im Zentrum von Potsdam, 15 Kilometer vom Tagungsort entfernt.
„Das Resort in Petzow ist für solche Treffen in Hauptstadtnähe besten geeignet“, meint ein Sicherheitsexperte. Exklusiv, Berlin-nah und trotzdem diskret gelegen genug, und vor allem sei es einfach zu sichern. „Demonstranten und Störenfriede sind da leicht abzuhalten“, so der Experte. Er glaube, dass der Hotel-Komplex deshalb für das ranghohe Treffen angemietet worden ist.
Demonstranten bliebe ohnehin nur ein – kostspieliger – Weg, sich dem Tagungsort zu nähern: Der Luftweg. Ein Überflugverbot für den Luftraum über dem Resort sei zwar geprüft aber letztlich doch nicht verhängt worden, so Polizeisprecher Sonntag. Für den Fall, dass sich die Weltlage irgendwie bedrohlich verändere oder es Hinweise auf Protest-Flüge gibt, kann aber jederzeit schnell auch noch der Luftraum über Petzow gesperrt werden – die Luftwaffe jedenfalls hat Bereitschaft.