Seit 15 Jahren arbeiten die sogenannten ´´Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule (RAA)´´ daran, die Bildungsqualität unter Mitwirkung von Eltern und Familien, Lehrern und Schülern, Kitas, Ausbildern und Migrantenorganisationen zu verbessern. In Berlin-Kreuzberg fand gestern das Jubiläumsfest statt. Dabei gab es viel Zuspruch vom Senat und — einen neuen Namen.
Ein schmucker Hinterhof nahe dem Hermannplatz in Berlin, an der Bezirksgrenze wischen Kreuzberg und Neukölln. Hier, im interkulturellen Projekt “Kiez Mobil” der RAA Berlin, wurde am Donnerstagabend das 15-jährige Jubiläum der RAAs in Berlin und den neuen Bundesländern gefeiert, deren Name sich seit gestern auch neu übersetzt: “Regionale Arbeitsstellen für Bildung Integration und Demokratie”.
Kurz zur Vorgeschichte: Während die RAA in Nordrhein-Westfalen — unter dem Namen “Regionale Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien” in fast jeder größeren Stadt verankert – bereits auf eine 25jährige Geschichte zurückblicken kann, feiern die RAA in den neuen Bundesländern nun ihr 15jähriges Bestehen.
Das Konzept für diese Unterstützungsagenturen ist also bereits mehr als zwei Jahrzehnte alt, hat sich im Spiegel der praktischen Erfahrungen immer wieder verändert und weiterentwickelt und wird dies wohl auch weiterhin tun. Die 27 RAA in NRW verstehen interkulturelles Miteinander als Chance für die Entwicklung aller Kinder und Jugendlichen – für die hier geborenen, die hier aufgewachsenen und zugewanderten. Mit diesem Arbeitsansatz entwickeln die RAA Programme, Projekte, Produkte und setzen diese vor Ort in Kooperation mit Partnern um. Die RAA werden dort gefördert vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration sowie vom Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NRW und den jeweiligen Kommunen bzw. Kreisen.
Wie schon 1980/81 in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen war es auch 1991 in erster Linie die in Weinheim/Bergstraße ansässige Freudenberg Stiftung, die nach deisem Vorbild den entscheidenden Anstoß zur Gründung der ersten RAA in den neuen Ländern gab und einen Großteil der Finanzierung übernahm.
Anders als in Westdeutschland war es in Berlin, Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern allerdings nicht möglich, die RAA in die vorhandene Struktur der Schulämter zu integrieren; vielmehr wurde ein eingetragener Verein unter dem Namen „Regionale Arbeitsstellen für Ausländerfragen“ als Dach für alle Regionalstellen – zwischenzeitlich 18 an der Zahl — unter Leitung der ehemaligen Ostberliner Ausländerbeauftragten Anetta Kahane gegründet. Ihr Elan wurde auf der Jubiläumsfeier von allen Festrednern besonders gelobt.
Im Osten neuer Fokus: Rechtsextremismus
Anetta Kahane gab den RAAs im Osten vor allem eine neue Stoßrichtung. Denn die Situation in den neuen Bundesländern, die schon Anfang der 90er Jahre von einer wachsenden Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten geprägt war, erforderte einen neuen Fokus in der Ausrichtung der Arbeitspraxis der RAA — bis heute.
Während sich in den RAA der alten Bundesrepublik der Blick vor allem auf die Integration der ausländischen Kinder und Jugendlichen in den Schulen richtete, erwies es sich im Osten Deutschlands darüber hinaus als dringliche Aufgabe, den Schulen und Jugendeinrichtungen Beratung und Begleitung, Informationen und methodisches Werkzeug, Partner und Geld zur Verfügung zu stellen, um der sie oftmals überfordernden Entwicklung von Fremdenfeindlichkeit und Gewalt wirksam begegnen zu können, aber auch einer oft ausgeprägten Demokratiefeindlichkeit.
Erfolgreich wurde auf diese Weise mit daran gewirkt, lokal vor Ort einen gesellschaftlichen Klimawandel herbeizuführen. Als besonders gelungen gilt das RAA-Engagement im sächsischen Hoyerswerda, das sein Image als rechte Pogromstadt verlor ‑zum anhaltenden Leidwesen der rechtsextremen Szene.
Diese Arbeit ist allerdings auch mühsame Überzeugungsarbeit in den Landesregierungen und Kommunen. So kam es im April 1992 beispielsweise auch in Mecklenburg-Vorpommern zur Eröffnung einer ersten RAA. In Schwerin übernahm ein kleines Team unter Leitung von Renate Voss die Koordination des Modellversuches “Gegen Gewalt und für politische Bildung in den Schulen” der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) an drei Schulen in der Landeshauptstadt. 1994 folgte die Eröffnung der RAA Rostock unter Leitung von Kornelia Fuentes und 1995 auf Initiative der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung der Start der Arbeitsstelle für Schule und Jugendhilfe Mecklenburg-Vorpommern mit Sitz in Waren (Müritz) unter Leitung von Christian Utpatel. “Viel Sichtbares bewegen, geht hier aber nur nach und nach”, bilanzierte Utpadel auf Nachfrage am Donnerstagabend.
Das NPD-Ergebnis jüngst bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern habe ja gezeigt, wieviel Handlungsdruck es noch gebe, Bewusstsein für die Demokratie und ihre Werte zu schaffen, jetzt habe das auch das Land erkannt und suche verstärkt nach Fördermöglichkeiten. Die RAA könne dabei “vor allem ein Indikator sein, auf Themen aufmerksam machen und Modelle entwickeln, wie man die Themen anpacken kann. Gesellschaftlichen Wandel kann sie so anstoßen, freilich nicht allein bewirken. Dazu braucht es viele Partner und Mitakteure. Und Verwaltungen, die dazu offen sind”. In MVP habe diese Aufgeschlossenheit vielerorts aber leider noch nicht ausgereicht. So musste die RAA Rostock 2005 aufgrund fehlender Unterstützung durch die Hansestadt ihre Tätigkeit bis auf Weiteres beenden.
Die RAA Mecklenburg- Vorpommern e. V. hat ihren Sitz inzwischen in Waren (Müritz) und unterhält seit 2001 außerdem für das in ihrer Trägerschaft befindliche „Mobile Beratungsteam für demokratische Kultur“ Regionalbüros in Neubrandenburg, Schwerin und Greifswald. In Mecklenburg- Vorpommern arbeiten die RAA Schwerin und die RAA Mecklenburg-Vorpommern unter dem einheitlichen Namen “Regionale Arbeitsstellen für Jugendhilfe, Schule und interkulturelle Arbeit”.
Wie in die Zukunft gesehen wird? Zwiespältig. Einerseits gibt es durch einzelen Länder, die Freudenberg-Stiftung, Hertie-Stiftung und andere Sponsoren partielle Rückendeckung. Durch den absehbaren Wegfall der Bundesförderung sind aber zahlreiche Einzelprojekte bedroht, für die wichtige Projektmittel fehlen werden. Allein im Mecklenburg-Vorpommern hat der Bund die RAA zu rund einem Drittel getragen. Nun wird eine deutliche Handlungslücke absehbar.
´´Äste werden abbrechen´´
Britta Kollberg, die Leiterin der RAA-Berlin, beschreibt das so: “Wenn die bisherigen Programme gegen Rechtsextremismus kippen, wird uns das vielleicht nicht in unserem Kern betreffen, sondern ganz viele der Äste, die abzubrechen drohen, zum Teil mit ganz frischen Knospen und Blüten. Zum Experimentieren und Erfinden neuer Modelle, um auf neue gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren und um vorausschauend vorbeugend zu handeln, braucht man nunmal Mittel. Wichtig ist aber dafür nicht nur Geld, sondern auch die die damit verbundenen Signale sind es: ja, wir anerkennen das Problem und begreifen, dass nicht nur auf der parteipolitischen Ebenen eine Lösung gesucht werden muss, sondern auch auf der zivilgesellschaftlichen”.
Immerhin aus Berlin gab es dazu gestern frohe Kunde: Der anwesende Bildungsstaatssekretär Thomas Härtel (r.) versprach, dass zumindest der Senat der Bundeshauptstadt alles tun werde, damit keine Lücken ents
tehen. Zu gut habe man die flankierende Unterstützung durch die praxisnahe Arbeit der RAA Berlin in Schulen schätzen gelernt: “Davon haben wir enorm profitiert”, gratulierte Härtel zum Jubiläum. “Anstöße von Außen für den Schulalltag um dort demokratische Prozesse zu unterstützen, nehmen wir sehr ernst, deshalb achten wir auch darauf, dass solche Projekte nicht den Bach runtergehen.”
Da aber Teile der Bundesförderung wegzufallen drohen, “werden wir vor allem Lücken schließen müssen, und darum bemühen wir uns”. Nicht in allen Bundesländern ist diese Haltung selbstverständlich.