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(Indymedia) Am heutigen Nachmittag (Samstag) machten sich 250 bis 300 Menschen auf, um vor dem Tor des Einsatzführungskommandos gegen die verdeckte Bundesdeutsche Beteiligung am Krieg gegen den Irak zu protestieren.
Es wurde gefordert:
— der sofortigen Rückzug aller Bundeswehrsoldaten und ‑waffen aus der Kriegsregion
— die Rücknahme der Überflug- und Transitrechte für die kriegsbeteiligten Armeen
— ein Verbot der Nutzung von Militärbasen für den völkerrechtswidrigen Krieg
— keine Bewachung US-amerikanischer Militäreinrichtungen
Wie angekündigt wurde während der Kundgebung das Kasernentor mit einer Sitzblockade gesperrt.
Die Mehrzahl der Teilnehmer entschied sich, auch nach Abzug der Demonstration vor dem Tor sitzen zu bleiben. Die Blockade wurde erst eine Stunde später nach der dritten Aufforderung durch die letzten Verblieben freiwillig beendet.
Redebeitrag zur Demo und Sitzblockade am 29.03.03 nach und in Geltow
(Kampagne gegen Wehrpflicht) Der Krieg gegen den Irak und danach voraussichtlich gegen noch weitere Staaten hat
die Karten neu gemischt.
Das gilt für die postsozialistischen und kapitalistischen Staaten- und
Militärbündnisse ebenso wie für die deutsche
Friedensbewegung.
Die Friedensbewegung ist leider keine politische Organisation, die gemeinsame
Beschlüsse fassen und Strategien
umsetzen könnte. Sie ist eher ein lockeres Bündnis verschiedenster Gruppen und
Personen mit völlig unterschiedlichen
und sich zum Teil antagonistisch gegenüberstehenden Interessen. Das NEIN der Jusos
zum Irakkrieg ist dem NEIN
von Antikapitalistinnen oder Antimilitaristen so entgegengesetzt wie die diesem NEIN
zugrundeliegenden
gesellschaftlichen Vorstellungen und Ansprüche.
Ein Ziel unserer heutigen Demonstration und Sitzblockade ist es, die Unterschiede
zwischen diesen NEIN
deutlich zu machen und der Vereinnahmung antikapitalistischer Positionen gegen den
Krieg für die Politik
der Bundesregierung oder das Schüren antisemitischer Tendenzen entgegenzutreten.
Auf den Friedensdemonstrationen dieser Tage sind mitunter eigentümliche bis bizarre
Erscheinungen zu beobachten:
Da demonstrieren Grüne und Sozialdemokraten mitsamt Parteifahnen gegen den
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.
Mit Schildern wie “Durchhalten Joschka” oder “Weiter so, Gerhard” oder sogar
“CheGerhard” ziehen sie durch die Straßen.
Als Redner treten grüne Bundestagsabgeordnete und SPD-Ministerpräsidenten auf und
weisen mit mahnender Stimme darauf hin,
daß es kein UN-Mandat für den Irakkrieg gibt. Wie verlogen diese Reden sind, zeigt
sich schon daran, daß erst vor
wenigen Jahren Jugoslawien unter maßgeblicher Beteiligung der rot-grünen
Bundesregierung ohne UN-Mandat von der NATO
angegriffen wurde. Dieser Angriffskrieg war ein völkerrechtlicher Dammbruch, der
nicht nur den Irakkrieg begünstigt hat,
sondern den Übergang zum zwischenstaatlichen Faustrecht eingeleitet hat. Auf
Veranstaltungen, die sich nicht nur
gegen den Krieg gegen den Irak, sondern gegen den Krieg und seine gesellschaftlichen
Ursachen generell richtet,
haben schon deshalb (und schon ungeachtet der Tatsache, daß die Bundesregierung den
Irakkrieg in vielfältiger Weise
praktisch unterstützt) weder SPD-Ministerpräsidenten noch grüne Parteifähnchen etwas
zu suchen.
Eine viele Demonstrationen beherrschende Parole war in den letzten Wochen das gut
skandierbare
“USA — Internationale Völkermordzentrale”. In Potsdam tauchte auf einer Kundgebung
der Friedenskoordination
ein Transparent auf, das George Walker Bush als “US-Adolf” bezeichnete.
Offenbar besteht in deutschen Friedensdemonstrationen erheblicher Aufklärungsbedarf
darüber, was Völkermord ist
und daß der deutsche Faschismus gerade in seinem rassistisch motivierten und bis in
die Gaskammern von Auschwitz
praktizierten Vernichtungswillen gegenüber Juden, Sinti und Roma bislang
geschichtlich einmalig geblieben ist und
daß daher entsprechende Vergleiche eine Verharmlosung des Faschismus sind. Da
wundert es denn auch nicht mehr,
daß hier und da auch Rechtsradikale in Friedensdemonstrationen geduldet werden.
Entsprechende Kritik an Erscheinungen auf Friedenkundgebungen teilen wir. Die
Denunziation jeder Antikriegsposition
sei es als antisemitisch, antiamerikanisch oder was auch immer weisen wir zurück.
Gerade weil die Friedensbewegung
keine feste politische Organisation ist, ist die pauschale Kritik an allen
Kriegsgegnerinnen kein Argument, sondern
eine Kommunikationsstrategie, in der die Friedensbewegung zu einer einheitlichen
Organisation umgelogen wird, um
einzelne Äußerungen allen anlasten zu können. Die Friedensbewegung dient nicht nur
als Sammelbegriff, sondern als
Zurechnungskonstrukt. Das ist weder linke Kritik noch seriöse Analyse, sondern
erinnert eher an bürgerliche Hetze
und Demagogie.
Es gibt verschiedene Gründe, den Angriff der USA, Großbritanniens und ihrer
Verbündeten auf den Irak zu unterstützen.
Ob es eigene wirtschaftliche Interessen sind oder der naive Glaube ist, der
irakischen Bevölkerung Demokratie und
Menschenrechte zu bescheren — beide JA nehmen die Aufweichung des Völkerrechtes in
Kauf und setzen auf Repression,
statt Emanzipation. Oft wird darauf verwiesen, daß auch das NS-Regime militärisch
von außen befreit werden mußte.
In den PNN von heute sprach ein britischer Militär von der Notwendigkeit, die
Anhänger Husseins auszuradieren.
Auch diese Argumente und Vokabeln sind historisch fragwürdig. Und sie können nicht
darüber hinwegtäuschen, daß
der Menschenrechtsimperialismus, auch wenn er sich historisch mit Auschwitz zu
legitimieren versucht, eine
gesellschaftliche Umwälzung von unten nicht ersetzen kann. Gesellschaftlicher
Fortschritt muß erkämpft werden.
Es gibt keine Alternative zur Emanzipation der Unterdrückten, nicht einmal unterhalb
der Schwelle von Revolutionen.
Eine Position für kapitalistische Angriffskriege untergräbt aber gerade
emanzipatorische Bewegungen.
Deshalb kann die Befürwortung des Irakkrieges ebenso wenig eine linke Position sein
wie die bloße Ablehnung des
Krieges im Irak. Eine antikapitalistische Linke muß sich vielmehr entschlossen gegen
jeden Angriffskrieg einsetzen,
der letztlich immer der Sicherung des Zugangs der ersten Welt zu Rohstoffen und
Märkten in aller Welt dient.
Genau deshalb sind wir heute hier.