Eberswalde (MOZ) Trotz klirrender Kälte haben sich am Montagabend Abend 80 Demonstranten auf dem Eberswalder Marktplatz versammelt, um ihren Protest gegen Hartz IV in Anlehnung an die fünfte Jahreszeit “närrisch” auszudrücken. Die Kundgebungen wurden durch Büttenreden ersetzt. In Vorbereitung auf die Fastenzeit gab es Erbsensuppe. “Hartz IV ist Narrenwerk” stand auf einem Transparent.
Dass die Proteste in Eberswalde so lange anhalten, damit hat die PDS Landtags- und Kreistagsabgeordnete Margitta Mächtig anfangs nicht gerechnet. Immerhin schon zum 25. Mal wurde auf dem Marktplatz demonstriert. “Ich hoffe, sie halten so lange durch, bis es mehr Leute sind als jetzt”, so Margitta Mächtig, die immer wieder mit dabei ist. Und sie fügte hinzu: “Wenn der Landrat jetzt hier wäre, würde er einsehen, wie wichtig ein Beirat wäre.”
So ganz humoristisch ging es dann doch nicht zu. Montagsdemonstrantin Erika Klatte durfte bei der Schlüsselübergabe im Rathaus keine “Anti-Hartz IV-Büttenrede” halten.
Es fehlt an offenen Stellen
Der Landtagsabgeordnete Torsten Krause spricht bei der Montagsdemo
(ANDREAS RÖHL; MAZ) ZEHDENICK Nicht nur die Lufttemperatur befinde sich derzeit sehr weit in der Kälteregion des Thermometers, auch die zwischenmenschliche Wärme sei längst gewichen, sagte gestern der Landtagsabgeordnete Torsten Krause. Er sprach anlässlich der Zehdenicker Montagsdemo und präsentierte das Ergebnis eines Gutachtens zur Arbeitsmarktreform. Die PDS hatte es in Auftrag gegeben, um zu prüfen, ob “Hartz IV” verfassungskonform ist. Ergebnis: Das Sozialstaatsprinzip werde verletzt, ebenso die Menschenwürde, das Eigentumsschutzrecht und die Freiheit der Person nach dem Grundrecht. Daneben werde auch mit dem Datenschutz nicht einwandfrei umgegangen. Allerdings gebe es einen Wermutstropfen: Eine Partei oder ein Abgeordneter kann keine Verfassungsklage einreichen. Nur ein Betroffener habe dazu die Möglichkeit. Doch der könne sich das gar nicht leisten.
Etwa 120 Demonstranten waren gestern wieder zum Rathaus gekommen, um gegen die Arbeitsmarktrefom zu demonstrieren. Warmer Tee half nur zeitweilig, um gegen die klirrende Kälte anzukämpfen. Mitorganisator Bernd Reinicke (Bürger für Zehdenick) forderte die Gekommenen auf, so lange gegen “Hartz IV” das Wort zu erheben, bis die politisch Verantwortlichen begriffen hätten, vor allem die in der Region und in der Stadt, dass sich etwas ändern müsse. Schmerzlich habe er in den vergangenen Wochen zur Kenntnis nehmen müssen, dass auch Verantwortliche in der sozialen Branche Mitarbeiter nicht als Menschen, sondern nur als Arbeitsfaktor ansehen. Er mache sich momentan Gedanken darüber, wie die soziale Kälte überwunden und wie vor allem die gesellschaftlichen Strukturen verändert werden können. Zu einem Ergebnis sei er jedoch noch nicht gekommen.
Torsten Krause schätzt indes ein, dass die Stimmen der Demonstranten nicht nutzlos verhallten. Aus den Reihen der SPD-Landtagsfraktion gebe es bereits Signale, gemeinsam eine Bundesratsinitiative zu starten, damit wenigsten die Regelsätze im Osten Deutschlands an die im Westen angepasst werden.
Krause präsentierte zudem Gewerkschaftszahlen, die deutlich machten, dass die Arbeitsmarktrefom nicht wie angekündigt viele Langzeitarbeitslose besser stelle. Nur 14 Prozent bekämen höhere Leistungen. Sechs Prozent hätten genauso viel Geld zur Verfügung wie zuvor. Dagegen liegt die Zahl derer, die seit Januar weniger bekommen bei 44 Prozent. Erschreckend, dass 36 Prozent der Langzeitarbeitslosen keine Unterstützung mehr erhalten. Am meisten betroffen von “Hartz IV” seien Familien mit Kindern, so Krause. Und das könne nicht im Interesse der Gesellschaft sein. “Kinder sind die Zukunft und brauchen jetzt Geld”, so Krause. Es gebe in Brandenburg 276 343 Arbeitslose und 6314 offene Stellen. Das bedeute, dass 43 Arbeitslose auf eine offene Stelle kommen. Die Zahlen verdeutlichten, dass die Menschen nicht zu faul zum Arbeiten sind. Vielmehr gäbe es keine freien Stellen. Deshalb könne mit “Hartz IV” nicht nur gefordert, sondern müsse auch gefördert werden.
Im Gänsemarsch zum Marktplatz
Montagsdemonstranten vergrößerten Abstände für mehr Aufmerksamkeit
(mw; MAZ) WITTSTOCK Gestern gab es ein Zwischenhoch im Kampf gegen den Sozialabbau. Rund 160 Menschen — inklusive einer großen Unterstützergruppe von Kyritzer Montagsdemonstranten — nahmen am Fußmarsch vom ehemaligen OTB bis auf den Markt teil. An der Ecke Kettenstraße/Gröperstraße ließ Wolfgang Gehrcke den Zug stoppen, um ihn weiter in die Länge zu ziehen. Je länger der Zug unterwegs sei, je mehr Aufmerksamkeit bekämen die Demonstranten, erklärte der PDS-Landtagsabgeordnete. Im “Gänsemarsch” ging es über die Burg- und Poststraße bis zum Markt, wo Zettel für die Aktion “Meinung sagen” verteilt wurden.
Kritisiert wurde wieder Hartz IV. Der Unterhalt der Arbeitslose sei teurer für die Gesellschaft, als wenn Betroffene in öffentliche Beschäftigung gebracht werden würden. “Wir brauchen einen Arbeitsmarkt und kein Amt, das den Notstand verwaltet”, so Gehr-cke. Er meinte, dass noch viel mehr Menschen zu den Demos kommen würden, aber die Bewohner von außerhalb könnten es sich kaum noch leisten, in die Stadt zu fahren. Am 12. März soll ein Autokorso durch Berlin führen, so auch über den Ku′damm.