(Katrin Bischoff; Berliner Zeitung) POTSDAM. Als er noch an der Hegelallee/Ecke Schopenhauer-straße in Potsdam stand, wurde er von Spaziergängern kaum wahrgenommen auf dem verwilderten Grundstück. Dann wurde das Areal verkauft, die Bauarbeiten an den maroden Häusern begannen und er verschwand über Nacht. Die Entrüstung in der Landeshauptstadt war groß. Er solle gefälligst wieder nach Potsdam kommen, hieß es.
Die Rede ist von Lenin, oder besser von der zwei Meter großen Bronzestatue, die vor dem einstigen Haus der sowjetischen Offiziere stand. “Wladimir Iljitsch kommt zurück”, verkündete nun Baustadträtin Elke von Kuick-Frenz. Ende dieses Jahres, spätestens aber Anfang 2006 werde die Statue wieder den angestammten Platz einnehmen. Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) soll für die Heimkehr des bronzenen Gründers der Sowjetunion gestimmt haben. Das findet die CDU allerdings ganz furchtbar. Der Streit um Lenin ist entfacht.
Keine Nippesfigur
Eberhard Kapuste von der CDU droht damit, Lenin zu einem politischen Thema zu machen. “Wenn die Lenin-Statue geblieben wäre, könnte ich meinen Frieden machen. Aber so, wo sie doch nun schon einmal weg ist?” Kapuste ist Vorsitzender des Kulturausschusses der Stadtverordnetenversammlung. Er glaubt, dass sich Potsdam mit der Rückkehr des Denkmals lächerlich machen würde. “Man muss daran denken, dass Lenin das, was Stalin im großen Stile getan hat, vorbereitet hat”, sagt Kapuste. Auch unter Lenin seien zahlreiche Menschen umgebracht worden. “Lenin ist keine Nippesfigur.” Das Schlimme sei, dass die Aufstellung der Statue vermutlich sehr öffentlichwirksam geschehen, also alle Welt dabei auf Potsdam schauen werde. “Einfach peinlich”, sagt der CDU-Mann. Und vor allem äußerst hinderlich bei der Bewerbung der Stadt um den Titel Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2010.
Der bronzene Lenin war im September des vergangenen Jahres vom neuen Eigentümer des Grundstücks, der Norddeutschen Boden AG, entfernt worden. Der Grund war völlig unpolitisch. Denn durch die Bauarbeiten drohte das Denkmal beschädigt zu werden. Außerdem hatten Unbekannte schon die Sockelverschraubung gelocker — vermutlich, um Lenin bei Nacht und Nebel mitzunehmen. Also schaffte der Investor das umstrittene Denkmal in ein Magazin nach Oldenburg — ohne die zuständige untere Denkmalaufsichtsbehörde zu informieren. “Das war ein Fehler”, gibt Projektentwickler Dirk Onnen zu.
Er ahnte nicht, welche Reaktionen der Abtransport Lenins in Potsdam auslösen würde. “Wir haben die Befindlichkeiten der Menschen hier unterschätzt. Es sah wohl so aus, als würde ausgerechnet ein Westler den Potsdamern den Lenin nehmen”, sagt Onnen. Dabei habe er den Bronze-Lenin niemals wegwerfen oder im heimischen Garten aufstellen wollen. Und verspricht nun: “Lenins Rückkehr wird jedenfalls nicht geheim gehalten.” Das genau ist die Befürchtung des Kulturausschuss-Vorsitzenden Kapuste.
Keine Mangelware
Andreas Kalesse dagegen sieht die Diskussion um Lenin eher gelassen, ebenso die geplante Heimkehr der zwei Meter großen Statue in die Landeshauptstadt. Er ist der Stadtkonservator und sagt: “Potsdams Lenin steht schließlich in der Denkmalliste.” Also gehöre dieser Lenin auch wieder nach Potsdam. Kalesse war es, der nach der Wende die Bedeutung des Denkmals von einer Kunsthistorikerin untersuchen ließ. “So eine Lenin-Statue gab es zuhauf, sie war keine Mangelware. Und sie ist auch kein Kunstwerk”, sagt er.
Der Bronze-Lenin habe jedenfalls keine künstlerische Bedeutung. “Aber, mein Gott, die Potsdamer lieben ihn nun mal. Warum soll er da nicht wieder an seinen alten Platz zurückkehren”, fragt Stadtkonservator Kalesse.