Visumverweigerung, Zäune und Schiffspatrouillen gegen Migrant/innen und 
Flüchtlinge haben das Verhältnis der EU zu ihren Nachbarn nachhaltig 
negativ geprägt. Nun schlägt diese Abschottungspolitik nach innen 
zurück: Ressentimentgeladen wird die Wiedereinführung der 
Grenzkontrollen im Innern gefordert, um Flüchtlinge aus Libyen und 
Migrant/innen aus Tunesien abzuwehren. Tatsächlich kommt aber nur ein 
Bruchteil der aus Libyen Fliehenden nach Europa. Den größten Teil nehmen 
Tunesien und Ägypten sehr selbstverständlich auf — Länder die aktuell 
mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben. Die 30.000 
Flüchtlinge und Migrant/innen (1100 pro EU-Mitgliedstaat), die auf 
Lampedusa ankamen, versetzten das reiche Europa dagegen in helle 
Aufregung. Nachdem sie die stürzenden Diktatoren Jahre lang gestützt 
haben, verspielen die europäischen Länder ihre Glaubwürdigkeit in Sachen 
Menschenrechte und Demokratie nun vollends durch die panische 
Grenzschließungsdiskussion.
Demokratie bedeutet Bewegungsfreiheit. Als in der DDR die Mauer fiel, 
machten sich Tausende auf den Weg in den Westen, in der Hoffnung auf ein 
besseres Leben und aus Neugierde auf eine Welt, die ihnen bis dahin 
verwehrt war. Ähnlich geht es vielen Tunesier/innen, denn die Diktatur 
Ben Alis zeichnete sich durch eine ähnliche Beschneidung der 
Bewegungsfreiheit aus. Tunesien wie auch Libyen waren Vorposten der 
europäischen Abschottungspolitik und verhinderten die Ausreise der 
eigenen Staatsbürger/innen wie auch die Weiterreise von Flüchtlingen aus 
anderen Ländern. Mit Ben Ali und Gaddafi werden auch die 
unüberwindlichen Grenzen nach Europa in Frage gestellt, und das ist gut 
so, denn wer Freiheit predigt, darf keine Abschottung praktizieren!
Der Flüchtlingsrat fordert die Landesregierung auf, die Möglichkeiten 
des Aufenthaltsgesetzes zu nutzen und als Bundesland Flüchtlinge aus 
Libyen aufzunehmen, sowie auf die Bundesregierung einzuwirken, die 
jungen Demokratien in Tunesien und Ägypten durch die Erteilung von Visa 
zur Arbeitsaufnahme politisch und ökonomisch zu unterstützen.
Zusammen mit anderen Menschenrechtsorganisationen fordert der 
Flüchtlingsrat Brandenburg die Aussetzung der Dublin-II-Verordnung und 
eine gerechte Verteilung der Verantwortung für Flüchtlinge innerhalb der EU.

