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Der 1. Mai in Nordbrandenburg

Mit Sitzblock­aden haben Antifaschist_innen am ver­gan­genen Dien­stag, nach Frankfurt/Oder (24. März 2012), Bran­den­burg an der Hav­el (31. März 2012) und Neu­rup­pin (14. April 2012), erneut einen (Neo)naziaufmarsch in Bran­den­burg gestoppt. Die antifaschis­tis­chen Aktio­nen richteten sich dieses mal gegen eine Ver­samm­lung der „Freien Kräfte Neu­rup­pin / Osthavel­land“ sowie der „Freien Nation­al­is­ten Witt­stock“. (1.) Die (Neo)nazis woll­ten dabei anlässlich des ihrer­seits so beze­ich­neten „Tag(es) der deutschen Arbeit“ vorge­blich „Gegen Aus­beu­tung und Abwan­derung“ sowie „für eine fam­i­lienori­en­tierte Zukun­ft“ marschieren. (2.)

1. Mai als Marschtermin

Der  1. Mai ist seit 1890 ein Kampf­tag der Arbeit­er­be­we­gung (3.), an dem Gew­erkschaften und soziale Bewe­gun­gen regelmäßig für  Rechte der Lohn­ab­hängi­gen, höhere Lohn­zahlun­gen, sowie bessere Arbeits- und Sozialbe­din­gun­gen auf die Straße gehen. Er ist somit ein Tag des Klassenkampfes und ste­ht deshalb im Gegen­satz zum Kon­strukt der nation­al­sozial­is­tis­chen Volks­ge­mein­schaft.  Ein Auf­marsch von (Neo)nazis am 1. Mai ist darum immer als Pro­voka­tion zu werten.
Um ihre pro­voka­tiv­en Aktio­nen den­noch als Notwendigkeit zu recht­fer­ti­gen und gle­ichzeit­ig Zus­tim­mung in der Gesellschaft zu erschle­ichen, ver­suchen (neo)nazistische Propagandist_innen ihre Posi­tio­nen für eine (rassere­ine) nation­al­sozial­is­tis­che Volks­ge­mein­schaft als sozialen Kampf darzustellen. So wer­den beispiel­swiese steigende Zahlen von Arbeitssuchen­den sowie der „sys­tem­a­tisch geförderte Rück­gang“ der Bevölkerung als Argu­ment zum Marschieren genan­nt. (4.) Strate­gis­ches Haup­tan­griff­sziel der (neo)nazistischen Aktio­nen ist somit neben dem Marx­is­mus, vor allem der lib­erale Staat und dessen Kon­sti­tu­tion.
Allerd­ings gestal­tet sich der (neo)nazistische Kampf zurzeit alles andere als ein­fach. Vere­ins- und Uni­formierungsver­bote erschw­eren die visuelle Pro­pa­gan­dawirkung und große Polizeibegleit­mannschaften den Hege­monieanspruch auf der Straße. Zudem wer­den (neo)nazistische Aufzüge seit ger­aumer Zeit regelmäßig durch engagierte Men­schen block­iert, wobei ins­beson­dere zen­trale Großaufmärsche in der Ver­gan­gen­heit  hier­für eine große Angriffs­fläche boten. Das (neo)nazistische Milieu war deshalb am 1. Mai 2012 bestrebt dezen­tral im gesamten Bun­des­ge­bi­et aufzu­marschieren. So fan­den entsprechende Ver­samm­lun­gen in Neumün­ster (Schleswig-Hol­stein), Bonn (Nor­drhein-West­falen), Spey­er (Rhein­land-Pfalz), Mannheim (Rhein­land-Pfalz), Hof (Bay­ern), Weimar(Thüringen), Bautzen (Sach­sen), Neubran­den­burg (Meck­len­burg-Vor­pom­mern) und Berlin statt.

Auf­marsch und Block­aden in Wittstock/Dosse

In Bran­den­burg hat­ten (Neo)nazis einen dezen­tralen Auf­marsch in Wittstock/Dosse angemeldet und dafür schon Monate vorher im Inter­net gewor­ben. Die nord­bran­den­bur­gis­che Kle­in­stadt stand dabei im beson­deren Inter­esse des (neo)nazistischen Milieus, nicht nur aus den oben genan­nten Grün­den. Wittstock/Dosse gilt seit den 1990er Jahren als (neo)nazistisches Zen­trum in Bran­den­burg. Dabei sind die dort sesshaften (Neo)nazis beson­ders wegen ihrer Bru­tal­ität berüchtigt. Erst im Feb­ru­ar 2012 wur­den wieder zwei Schläger des (neo)nazistischen Milieus ver­haftet, denen 15 Straftat­en zur Last gelegt wur­den. (5.)
Gegen den geplanten Auf­marsch in Wittstock/Dosse war deshalb nur mit wenig Wider­stand aus dem Ort sel­ber zu erwarten.
Den­noch rief die Stadt im Vor­feld zur Beteili­gung an ein­er Ver­anstal­tung unter dem Mot­to: „Lebenswerte Region-Lebenswerte Stadt“ (6.) auf dem Witt­stock­er Mark­t­platz auf. Dadurch wurde den (Neo)nazis bere­its die Möglichkeit genom­men durch die his­torische Alt­stadt zu marschieren. In sein­er Eröff­nungsrede am Vor­mit­tag des 1. Mai wandte sich Witt­stocks Bürg­er­meis­ter Jörg Gehrmann klar gegen „Recht­sradikalis­mus“.  (7.) „Linksradikalis­mus“ lehnte er allerd­ings genau­so ab und zielte damit ver­mut­lich gegen eventuelle Block­ade­v­er­suche.
Während sich die Stadt mit ihrem „Fest der Demokratie“ hin­ter den Mauern der his­torischen Wal­lan­lage ver­schanzte, trafen inzwis­chen am Bahn­hof zwei (Neo)nazigruppen mit Zügen aus Rich­tung Berlin und Wit­ten­berge ein. Eine dritte Gruppe mit (Neo)nazis, haupt­säch­lich aus Wittstock/Dosse und Per­so­n­en, die mit Pkws anreis­ten,  marschierte von ein­er Tankstelle aus zum Antrittsplatz.
Der­weil hat­ten aber schon mehrere antifaschis­tis­che Aktivist_innen in der Per­leberg­er Straße mit ein­er Sitzblock­ade begonnen, so daß ein Fes­thal­ten an der ursprünglichen Route zunächst via Pritzwalk­er Straße nicht möglich war.
Gegen 12.45 Uhr formierten sich dann den­noch vor dem Bahn­hof die (Neo)nazis. Es waren unge­fähr 170, angereist aus den Bun­deslän­dern Bran­den­burg, Berlin, Nieder­sach­sen, Sach­sen-Anhalt und Nor­drhein-West­falen.  Sie ver­sucht­en nun über die Bahn­hof­s­traße in das von ihnen beanspruchte Marschge­bi­et im Süden Witt­stocks zu gelan­gen. Doch der Vor­wärts­marsch scheit­erte auch in dieser Rich­tung durch eine zweite Block­ade von Antifaschist_innen am Bah­nüber­gang in der Kyritzer Straße.
Da die Polizei, die als Kundge­bung angemelde­ten Sitzblock­aden nicht auflöste, blieb den (Neo)nazis nur die Beendi­gung ihrer Ver­samm­lung als Option. Den­noch wollte sich das Milieu jedoch offen­bar nicht kampf­los am 1. Mai ver­ab­schieden. Über die Laut­sprecher­an­lage eines bei der Ver­samm­lung mit­ge­führten Autos wur­den weit­ere Aktio­nen, u.a. in Neu­rup­pin angekündigt. Tat­säch­lich ver­ließ daraufhin eine Gruppe von unge­fähr 7o Per­so­n­en den Auf­marsch und fuhr mit dem Zug zum genan­nten Ersatzziel.
In Neu­rup­pin meldete der NPD Orts­bere­ich­sleit­er Dave Trick dann eine Kundge­bung am Bahn­hof Rheins­berg­er Tor an. Ein Marsch durch die Stadt wurde durch die Polizei jedoch nicht genehmigt. Den­noch ver­sucht­en ein Teil der Per­so­n­en einen Aufzug durch das Stadt­ge­bi­et durchzuset­zen und brachen aus der sta­tionären Ver­samm­lung aus. (8.)

Angriff auf das Mit­ten­drin in Neuruppin

Unge­fähr 35 (Neo)nazis marschierten dann eilends durch die August Bebel Straße. Auf einem Park­platz bewaffneten sie sich dabei mit Glas­flaschen und Steinen. Anschließend wurde ver­sucht in das Jugend­wohn­pro­jekt in der August Bebel Straße Ecke Schinkel­straße einzu­drin­gen. Dabei wurde – ohne Erfolg – gegen das Tor getreten. Anschließend flo­gen Flaschen und Steine. Hausbewohner_innen und Sympahisant_innen schlu­gen, man­gels Unter­stützung der ange­forderten Polizei, danach den Angriff sel­ber zurück und die (Neo)nazis damit in die Flucht.
Erst später erschien die Polizei. Allerd­ings nicht zur Unter­stützung des Mit­ten­drins. Gegen mehrere Per­so­n­en, die verdächtigt wer­den, sich im Haus aufge­hal­ten und Straftat­en began­gen zu haben wur­den Anzeigen wegen Land­friedens­bruch gefer­tigt.
Ein Vere­inssprech­er des Mit­ten­drin ste­ht den Vor­wür­fen jedoch gelassen gegenüber. In der Jun­gen Welt betonte er: „Wir haben uns von einem Anwalt berat­en lassen, und rech­nen nicht damit, daß es zu ein­er Verurteilung kommt: Es war Notwehr oder Nothil­fe.“  (9.)

Presse­fo­tos:

http://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157629580751992/
http://www.flickr.com/photos/soerenkohlhuber/sets/72157629583338734/
http://www.flickr.com/photos/77193649@N06/sets/72157629587833130/
http://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/sets/72157629944564949/
http://www.flickr.com/photos/rassloff/sets/72157629582821122/

weit­ere Artikel:

zu Witt­stock:

https://inforiot.de/artikel/mal-wieder-blockade
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/12320087/62249/
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/12320399/1353550/Neuruppin-und-Wittstock-Polizisten-bei-Demonstrationen-im-Einsatz.html

zu Neu­rup­pin:

https://inforiot.de/artikel/nazis-greifen-mittendrin-am-1mai-mit-steinen
http://jwp-mittendrin.de/blog/nachtrag-naziangriff/
http://jwp-mittendrin.de/blog/weitere-bilder-des-naziubergriffs-danksagung/
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/12320839/61299/Uebergriff-auf-Jugendtreff-nach-Spontandemo-von-Neonazis-in.html
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/12320860/61299/Die-Polizei-hat-eine-reale-Bedrohung-unterschaetzt-meint.html
http://www.jungewelt.de/2012/05–03/021.php
http://www.asta.uni-potsdam.de/2012/05/naziangriff-in-neuruppin/

Quellen:

1.) http://www.internetwache.brandenburg.de/sixcms/detail.php?id=11012145
2.) XXXX://www.demo.nsfkn.info/aufruf.html
3.) http://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Mai
4.) Wie 2.)
5.) http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/12275794/61299/Schnelles-Verfahren-Dirk-Klauke-zum-Ermittlungserfolg-der-Polizei.html
6.) http://www.tolerantes.brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb1.c.285046.de
7.) http://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157629580751992/
8.) http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/12320839/61299/Uebergriff-auf-Jugendtreff-nach-Spontandemo-von-Neonazis-in.html
9.) http://www.jungewelt.de/2012/05–03/021.php

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