(15.04.05) POTSDAM Eigentlich hatte sich das Landratsamt Dahme-Spreewald im Fall
Ziegenhals Diskretion verordnet. “Wir haben uns mit öffentlichen Äußerungen
zurückgehalten, weil die Gerichte über die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte
entscheiden werden”, erklärte Landrat Martin Wille (SPD) gestern auf einer
Pressekonferenz, mit der er jener Zurückhaltung nun ein Ende setzte.
Gemeinsam mit Baudezernent Stephan Loge und dem Leiter des Amtes für
Denkmalschutz, Jörg Schrager, wollte Wille die Umstände erläutern, die am
23. Februar zur umstrittenen Abrissgenehmigung für die Gedenkstätte in
Ziegenhals geführt haben. Wille betonte, dass es sich dabei nicht um eine
politische Entscheidung handle, sondern um einen Verwaltungsakt, dem “keine
persönlichen Sympathien oder Antipathien gegenüber dem Eigentümer” zugrunde
liegen. Man habe lediglich die Bestimmungen des im August 2004 novellierten
Denkmalschutzrechts angewandt. Mit dem neuen Gesetz ging die Erteilung von
Abrissgenehmigungen vom Land auf die Kreise über.
“Wir kannten den Ort und wir kannten die Befindlichkeiten”, begründete Wille
seine Entscheidung. Er hatte die Abrissgenehmigung mit der Auflage
verbunden, das denkmalwerte Inventar zu dokumentieren und einzulagern. Der
Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Gedenkstätte liegt, hatte daraufhin
Klage gegen diese Forderungen eingereicht. Ausschlaggebende für die
Abrissgenehmigung sei der Nachweis des Eigentümers gewesen, dass die
öffentliche Nutzung der Gedenkstätte für ihn wirtschaftlich unzumutbar sei,
so der Landrat.
Zur gleichen Zeit beschäftigte sich gestern auch der Landtag in Potsdam mit
dem Thema Ziegenhals. Die PDS-Abgeordnete Kerstin Osten hatte eine
Stellungnahme der Obersten Denkmalschutzbehörde verlangt. In ihrer Antwort
bemerkte Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) zunächst, dass der Abbruch
eines Denkmals immer ein gravierender Vorgang sei, bei dem öffentliches und
privates Interesse abzuwägen seien. Wanka verteidigte das Vorgehen der
Behörden mit dem Hinweis, dass diese Abwägung unter Beteiligung des
Landesamtes für Denkmalpflege erfolgt sei.
Für weitere parlamentarische Nachfragen sorgten dann angebliche Äußerungen
des Grundstückseigentümers und Referatsleiters im Bauministerium, Gerd
Gröger. Der Parlamentarische Geschäftsführer der PDS-Fraktion, Heinz Vietze,
zitierte aus einem Beitrag des ZDF, in dem Gröger seinem Unmut über die
Vorgänge in Ziegenhals mit den Worten “in diesem Scheißland wundert mich gar
nichts mehr” Ausdruck verliehen haben soll. Weder die Kulturministerin Wanka
noch das Bauministerium wollten sich dazu gestern äußern.
Neben der Unteren und der Oberen Denkmalschutzbehörde nahm in dieser Woche
auch der Leiter des Amtes für Denkmalpflege, Detlef Karg, Stellung zum
geplanten Abriss. Er habe der Entscheidung nichts mehr entgegenzusetzen,
sagte Karg der MAZ. Ihm gehe es nicht um den Ort, sondern um die Darstellung
von Geschichte. Jetzt sei das Gemeinwesen in der Pflicht, die
Ausstellungsstücke zu erhalten. “Wenn wir diese einfach von der Bildfläche
verschwinden lassen, wird das auf uns zurückfallen”, so Karg.
Im Gasthaus Ziegenhals hatten sich im Februar 1933, kurz nach Hitlers
Machtübernahme, 40 KPD-Funktionäre, darunter Ernst Thälmann, Wilhelm Pieck,
Walter Ulbricht und Herbert Wehner, versammelt. Kurz bevor die Polizei das
geheime Treffen auflösen konnte, gelang den Teilnehmern die Flucht. In
Erinnerung an dieses Ereignis entstand 1958 an gleicher Stelle eine
Gedenkstätte, die zu DDR-Zeiten jährlich viele tausend Besucher zählte.