(MAZ, 22.7.) Das Landgericht Potsdam hat gestern einen vietnamesischen Textilhändler vom
Vorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen. Denn es sei ein anderer
gewesen, der am 9. Januar in Brandenburg vor der Diskothek Castell einen
Mann mit einem Messer lebensgefährlich verletzt habe.
Für schuldig befand das Schwurgericht den 33-Jährigen jedoch der
gemeinschaftlich begangenen schweren Körperverletzung. Der Angeklagte habe
mit zwei weiteren Landsleuten drei Deutsche durch Schläge verletzt,
begründete der vorsitzende Richter Frank Tiemann das Urteil.
Das Schwurgericht verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt
zur Bewährung. Der Staatsanwalt hatte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr
und acht Monaten gefordert.
Den Vorwurf des versuchten Totschlags hatte auch die Anklage nach der
Beweisaufnahme fallen gelassen. Richter Tiemann rügte Fehler der
Staatsanwaltschaft: “Meines Erachtens ist der Falsche angeklagt worden.”
Der vermutlich wahre Täter ist nach kurzer Inhaftierung im April in Vietnam
untergetaucht. In einem Brief an das Amtsgericht Brandenburg hat er den
Messerstich gestanden. Er wird nun mit einem internationalen Haftbefehl
gesucht.
Die drei Berufsrichter und zwei Schöffen hatten vor einer schwierigen
Beweisaufnahme gestanden. Gut 20 Zeugen waren geladen. Verteidigerin Kerstin
Woweries beschreibt es so: “Eine Massenschlägerei vor einer Diskothek bei
Nacht.”
Dem nächtlichen blutigen Angriff um 3.30 Uhr war ein Streit zwischen drei
Deutschen und vier Vietnamesen vorausgegangen. Worte wie “Scheiß-Ausländer”
und “Könnt ihr nicht zu Hause bleiben?!” sollen dabei angeblich gefallen
sein. Schließlich eskalierte die Situation.
Plötzlich zückte einer der Vietnamesen ein Tranchiermesser. Die
20-Zentimeter-Klinge traf einen 26-jährigen Brandenburger zwischen der
elften und zwölften Rippe. Mit Verletzungen an Lunge, Leber und Zwerchfell
musste der Mann notoperiert werden. Danach schwebte das Opfer des Angriffs
nicht mehr in Lebensgefahr.
Ob tatsächlich Fremdenfeindlichkeit Auslöser der Schlägerei war, konnte die
Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei klären. Anwältin Woweries hatte vor dem
gestrigen Urteilsspruch Freispruch gefordert und für den Fall, dass das
Gericht dem nicht folgen würde, höchstens eine Verurteilung wegen
gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung.
“Es liegt klar auf der Hand, dass mein Mandant keinen versuchten Totschlag
begangen hat.” Die Beweisaufnahme habe “eindeutig ergeben, dass er es nicht
gewesen ist”.
Tatsächlich hat auch die Hauptbelastungszeugin während des Prozesses ihre
Aussage korrigiert.