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Der Führer im Bunkertest

Mon­tagabend im Marstall, gle­ich nach der Tor­tur von fast drei Stun­den “Der
Unter­gang” des Regis­seurs Oliv­er Hirsch­biegel, fan­den sich die Tapfersten
der Tapfer­en zur Podi­ums­diskus­sion im Kinosaal wieder. Bei hochsommerlicher
Bunker­hitze begann das kollek­tive “Nach­denken über Deutsch­land” mit einer
Anmod­er­a­tion der Chefin des Vere­ins der Fre­unde und Förder­er des Filmmuseums
Maria Conze. Wie viele der Kri­tik­er des Films hat­te sie dem millionenfachen
Besuch in der beton­grauen Wohn­stube des parkin­sonkranken Führers nur einen
unadressierten Fra­genkat­a­log ent­ge­gen­zuhal­ten. Mit “Was soll das?” und
“Hil­ft dieser Film?”, aber auch “Was sollen wir bei Hitler zu Hause?” begann
ihre Män­gel­liste und endete mit dem schw­er beant­wort­baren Rät­sel, ob “der
Film etwas geän­dert hat”. 

Auch auf dem Podi­um über­wogen deut­lich Skep­sis und Küm­mer­nis in der
Bew­er­tung der Darstel­lung von Hitlers finalem Infer­no aus den Gän­gen unter
der Reich­skan­zlei. Der Pub­lizist Rafael Selig­man amüsierte sich über das
Erschreck­en wegen der men­schlichen Züge des Dik­ta­tors. “Er war ja kein
Ele­fant”, sprach er und kri­tisierte die zweifel­hafte Aufmerk­samkeit, mit der
sich die Medi­en dem The­ma Nation­al­sozial­is­mus wid­men. “Die let­zte Zofe wird
aus­ge­graben, die nochmal wau sagt”, befand er und bekam dafür spontanen
Applaus. 

Der Gespräch­sleit­er Wol­fram Weimer hat­te in der stel­len­weise ins Persönliche
abrutschen­den Debat­te wenig Mühe, den Gesprächs­fluss am Laufen zu halten,
zumal sich Kon­rad H. Jarausch vom Zen­trum für Zei­this­torische Forschung als
Befür­worter des Unter­gangsstreifens “out­ete” und sich somit ganz
unbe­ab­sichtigt als “Watschen­mann” anbot. Der Schlagab­tausch zwis­chen ihm und
seinem Tis­chnach­barn Selig­man nor­mal­isierte sich erst, als Jarausch den
Anti­semitismusver­dacht im Sprachge­brauch der Deutschen mit “Ich bin ja
Amerikan­er!” auskonterte. 

Auch Thomas Krüger wollte als Präsi­dent der Bun­deszen­trale für politische
Bil­dung dem Streifen jegliche pos­i­tiv­en Aspek­te absprechen. Der Film sei zu
lang, die Schüler hiel­ten ihn nicht durch und außer­dem wäre er “für die
film­päd­a­gogis­che Arbeit nicht geeignet”. Als gelun­ge­nes Beispiel der
Aufar­beitung von Zeit­geschichte ver­wies er auf “Good bye Lenin!”, der als
Film nicht nur Diskus­sio­nen in Gang geset­zt hätte, son­dern das The­ma DDR
medi­en­wirk­sam vervielfältigte und gesamt­deutsche Zeit­geschichte etablierte.
Krügers Hauptvor­wurf an “Der Unter­gang”, dass der Film trotz sein­er Länge
den Kon­text des Bunkers nie ver­lässt, weil er “den Mord an sechs Millionen
Juden und den Krieg in Rus­s­land” ausspart. 

Das Pub­likum im Saal allerd­ings meldete sich dann mit teil­weise bewegenden
pos­i­tiv­en Bew­er­tun­gen auch noch zu Wort. “Ich finde es ganz inter­es­sant zu
zeigen, wie es kommt, die Men­schen blind zu machen”, sagte ein
Krieg­steil­nehmer. Der Gespräch­sreigen endete so wie er begann mit vielen
Fra­gen und Wün­schen. Die inter­es­san­teste Bitte for­mulierte Rafael Seligman:
“In jedem von uns steckt ein Stück Verkom­men­heit. Darüber würde ich gerne
einen Film sehen.”

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