Cottbus — Der Krebs aus deinem Wappen, was könnte besser passen?(1)
In den letzten Jahren, Monaten, Tagen sind mir häufig Menschen begegnet (inklusive mir selbst), die sagen „Es gibt ja in Cottbus nicht nur Nazis, sondern auch coole Leute, die Gegenkultur schaffen.“ oder „Hier ist nicht alles schlecht.“. Ja und ja. Ist ja auch irgendwie selbstredend, dass nichts nur schlecht ist. Aber, manche Sachen sind eben mehr schlecht als auch gut – so wie Cottbus.
Cottbus ist nicht grundlos überregional für seine über Generationen verfestigte, militante Naziszene bekannt; ist nicht wahllos zur Hochburg einer rechten Bewegung geworden; hier wählen nicht zufällig so viele die AfD; und hier posieren Polizisten nicht ahnungslos vor rechten Parolen. Als Antifaschist*in in Cottbus zu wohnen, bedeutet, manchmal nah an der Ohnmacht zu leben. Allein diese sehr kurze Bestandsaufnahme macht die beschriebenen heimattümelnden Verteidigungskomplexe mancher Cottbuser*innen verständlicher. Aber, macht es das Leben in dieser Stadt wirklich besser?
Nein. Sich immer wieder zu sagen, es sei nicht alles schlecht, hilft hier zu überleben und es hilft bei der Verdrängung. Gleichzeitig verdeckt es Probleme, und führt dazu, dass nicht genügend Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Jetzt könnte argumentiert werden, dass bspw. linke Kultureinrichtungen teil von Gegenkultur sind. Das stimmt. Wenn aber der eine wirklich linke Club nur deshalb nicht ständig von Nazis angegriffen wird, weil irgendwelche Halbnazis ihre Nazifreunde davon abhalten, dann hört sich das nach einem interessanten Arrangement mit Nazis an. Und, wenn der andere linksalternativ anmutende Club gleich selbst Nazis an der Tür stehen hat, dann ist das Kollaboration. Aber, eigentlich verstehe ich davon gar nicht so viel. Es geht ums Geschäft, da steht Ideologie außen vor – Oi! Das einzige linke Hausprojekt in Cottbus wird vermutlich nur nicht überfallen, weil die Nazis sich ihrer Macht bewusst sind und solche Aktionen gar nicht mehr nötig haben. Sie walten und schalten an ganz anderen Stellen in dieser Stadt.(2)
Das mit den Nazis an der Tür, ist irgendwie auch verständlich, wenn mensch bedenkt, was hier früher so abging. Da versuchten Faschos über drei Tage lang eine Geflüchtetenunterkunft in Brand zu setzen; überfielen linke Jugendclubs; jagten Menschen auf offener Straße, bedrohten sie mit Waffen und töteten (war damals alles Trend). Dank akzeptierender Jugendarbeit hatten irgendwann alle ihre eigenen Räume und die Nazis bekamen auch gleich noch ein paar kümmernde Sozialarbeiter*innen an der Hand, die sie in ihrem Nazitun begleitet haben. Manchmal sind Faschos auch gleich selbst Sozialarbeitende geworden. Zumindest haben sie schon seit ziemlich langer Zeit ziemlich viele Freiräume in Cottbus.
Das merken vor allem Menschen, die von ihnen und ihren Handlungen betroffen sind, z.B Generationen von Antifaschist*innen und queeren Menschen, die in Großstädte wie Berlin, Leipzig oder Dresden abgewandert sind, weil sie es hier irgendwann nicht mehr ausgehalten haben; aber auch Menschen die potentiell von Rassismus betroffen sind, internationale Studierende oder Geflüchtete, die ebenso gern weiter ziehen würden, es aber nicht können, weil rassistische Gesetzgebungen es ihnen verbieten.
War seit Jahren nicht mehr hier
Wollte nie nach Berlin, wollte nur weg von dir
Da erzählt man dann in seinem neuen Freundeskreis nicht „Ich habe glücklich in Cottbus studiert.“, sondern eher „Ich wurde in Cottbus traumatisiert.“, denn das haben unter anderem diese sogenannten „Baseballschlägerjahre“3 gemacht: Menschen traumatisiert. Das wirkt nach. Denn auch heute wird noch zugeschlagen; es sei denn, man lässt sich mit „Denen, deren Namen nicht genannt werden dürfen“ ein (Schade, denn eigentlich kennen ja alle alle Namen.), macht die Klappe nicht zu weit auf oder sieht halt einfach nicht so scheiße aus.
Jahre sind vergangen, doch wir werden keine Freunde
Nichts als tiefster Respekt, vor jedem, der noch da ist und sich gegen dich stellt
Also, an alle die noch da sind: Wir haben diesen Respekt verdient. Danke dafür! Aber: Es ist hier nicht besser geworden. Es ist anders schlecht. Das was passiert, ist nicht genug! Es liegt an uns Cottbuser*innen, alles in Kraft zu setzen, damit es irgendwann wirklich besser wird.
Cottbus hat seinen schlechten Ruf nicht, weil jemand ruft, dass es schlecht ist, sondern: weil es schlecht ist.
1 In fett und kursiv gesetze Textstellen: Audio88 & Yassin (2021): Cottbus. In: Todesliste. Köln: Normale Musik.
2 Vgl. Müller, Daniel / Zimmermann, Fritz (2020): Der Clan von Cottbus. In: https://www.zeit.de/2020/42/rechtsextremismus-lausitz-kampfgemeinde-cottbus-rassismus-brandenburg (15.02.2021)
3 Vgl. RBB / Zeit Online (2020): Baseballschlägerjahre. In: https://www.ardmediathek.de/rbb/sendung/baseballschlaegerjahre/staffel‑1/Y3JpZDovL3JiYi5kZS9iYXNlYmFsbHNjaGxhZWdlcmphaHJl/1/ (15.02.2021)