Rechtsanwalt geht ins Rennen um Platz 3 auf offener PDS-Liste / Weitere Bewerber denkbar
(ND, 6.7.) Die Brandenburger Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) hat sich auf ihren Mann für den Bundestag verständigt. Der Potsdamer Rechtsanwalt Steffen Hultsch soll auf PDS-Ticket ins Parlament einziehen. Hultsch werde sich um den ersten Platz auf der offenen Liste bewerben, den die Sozialisten für jemanden von außen zur Verfügung stellen, sagte der WASG-Landesvorsitzende Herbert Driebe dem ND. Darüber herrsche in allen Regionalgruppen und Kreisverbänden Einigkeit.
Nach bisherigem Kenntnisstand geht es um Listenplatz 3 – hinter dem PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky und seiner Stellvertreterin Dagmar Enkelmann. Allerdings dürfen unter Umständen auch Listenplätze weiter hinten durchaus als sicher gelten. Bei 30 bis 34 Prozent, auf die die märkische PDS derzeit in Umfragen kommt, wären sechs bis sieben Bundestagsmandate drin. Nicht ausgeschlossen ist, dass sich noch jemand anders von der WASG – vielleicht aus einem anderen Bundesland – oder ein Parteiloser oder ein PDS-Mitglied um Platz 3 bewerben.
Die Frage ist, wen der PDS-Landesvorstand unterstützt. Entscheiden werden die Delegierten bei einer Versammlung am 30. Juli im Frankfurter Kleistforum. Nach Aussage von PDS-Landeschef Thomas Nord ist noch keine Entscheidung gefallen. Am Sonnabend trifft sich der Landesvorstand. Nord hofft, dass man danach einen Listenvorschlag unterbreiten kann.
Politisch steht Hultsch unter anderem für neue Vorschriften, die den Arbeitnehmern mehr Rechte einräumen. Dazu startete er gemeinsam mit dem WASG-Landesvorstand eine »Neuhardenberger Initiative« (ND berichtete). Der 61-jährige Hultsch wurde in Aue geboren und ist in Bischofswerda zur Schule gegangen. Jura studierte er an der Universität in Jena, wo er 1969 sein Examen machte. Die Doktorarbeit – 1974 an der Potsdamer Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften – befasste sich mit dem Arbeitsrecht.
In der Habilitationsschrift 1984 widmete sich Hultsch dem afrikanischen Gewohnheitsrecht. Das Material dazu stammte von einem Aufenthalt in Guinea-Bissau 1979 bis 1982. In der früheren portugiesischen Kolonie baute Hultsch eine rechtswissenschaftliche Hochschule auf und beriet den Justizminister. Nebenher bereiste Hultsch das Land und sammelte die seit mindestens 300 Jahren nur mündlich weitergegebenen Rechtsvorschriften der einzelnen Stämme. Zwar erließ Guinea-Bissau Gesetze, nachdem es 1974 die Unabhänigkeit erlangte, doch in den Dörfern sprechen bis heute die Ältestenräte nach alter Tradition Recht. Die Gesetzbücher aus der Hauptstadt Bissau können sie zumeist auch gar nicht lesen. Hultsch lernte zwar »mit Ach und Krach« Portugiesisch, bevor er sich auf den Weg nach Guinea-Bissau machte. Die Dörfler beherrschten diese Sprache jedoch oft nicht, weil sie sich in ihrem Stammesdialekt verständigen. Dolmetscher mussten helfen.
Erstaunlich sei, wie wenig sich das Gewohnheitsrecht afrikanischer Stämme im Kern von dem angeblich so zivilisierten und weit entwickelten €päischen Recht unterscheide, berichtet der Anwalt. Inzwischen begann er, seine afrikanischen Erlebnisse aufzuschreiben. Ihm fehlt aber die Zeit, das Buch zu vollenden, nicht zuletzt, seit er im Landesvorstand der WASG sitzt.
Von 1984 bis 1993 wirkte Steffen Hultsch als Hochschuldozent für Arbeitsrecht erst an der Akademie und dann an der Universität in Potsdam. Anfang der 90er Jahre begann er, parallel als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Sozialrecht zu arbeiten. Einst gehörte Hultsch der SED an, aber »nicht ganz bis zum Schluss«, wie er sagt. Im Jahr 1989 ist er ausgetreten.