Am Montag dem 20. November kam das Potsdamer Landgericht überraschenderweise zu
einem Urteil im Potsdamer Antifa-Prozess. Dieses Urteil sieht 6 Monate Haft
ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung und zusätzlich die Ableistung von 50
Arbeitsstunden für den Angeklagten P.B. vor, für die Angeklagte J.S. ebenfalls 6
Monate Haft ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung und für die Angeklagten R.D. und A.L
jeweils eine Verwarnung, zusätzlich muss ersterer 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit
ableisten.
Gegen dieses Urteil haben die vier Angeklagten das Rechtsmittel der Revision
eingelegt.
Aus Sicht der Soligruppe ergeben sich aus der Urteilsbegründung des Gerichts
Indizien dafür, dass dieser Prozess auch ein politischer war. Eine Verurteilung
aller Angeklagten war nur mithilfe von viel Fantasie und einer recht einseitigen
Bewertung des Wahrheitsgehaltes von Zeugenaussagen möglich, zusätzlich mußte das
Gericht jeden Anflug eines Zweifels an der Tatversion der Staatsanwaltschaft
ausräumen. So wurden die Aussagen des Angeklagten A.L. sauber getrennt in Belastndes
und Entlastendes. Ersteres wurde ausnahmslos als wahr erachtet, was zur Verurteilung
des Angeklagten P.B. führte. Letzteres hingegen, also die mehrmalige und eindeutige
Entlastung der Angeklagten R.D. und J.S. wurde als unglaubwürdig erachtet.
Desweiteren soll sich die Angeklagte J.S. in einem sogenannten „Zeitfenster“ später
zum Tatort bewegt haben. Da sie 50m vom Tatort entfernt, unmittelbar während der
Tatzeit, von Cindy Prause in einer Unterhaltung mit einem weiteren Zeugen gesehen
wurde. Und obwohl die Tat selbst von allen ZeugInnen als extrem schnell und
„blitzartig“ beschrieben wurde, sah es das Gericht als erwiesen an, dass sich J.S.
später zum Tatort begab und dort auf den am Boden liegenden Nebenkläger eintrat.
Auch der Umgang mit den Zeugenaussagen seitens des Gerichts ist ein zweifelhafter.
So wurde den Einlassungen des Angeklagten A.L., dieser habe zur Tatzeit mindestens
5m vom Tatort entfernt gestanden, nicht geglaubt, da dies von keinem der Zeugen
bestätigt wurde. Andererseits berichtete auch keineR der anwesenden ZeugInnen, dass
im Laufe der Tat noch eine weitere Person hinzukam, was das Gericht selbstredend
nirgends erwähnte.
Es ist unserer Auffassung nach also mehr als offensichtlich, dass es bei diesem
Verfahren einen gewissen Druck gab, die Angeklagten auch zu verurteilen. Nach einem
derartigen Presserummel um die angebliche „Gewaltspirale“, einen angeblichen
Mordversuch und einer mehr als 5 monatigen Untersuchungshaft für J.S., hätte es für
die Justiz und die Staatsanwaltschaft das Eingeständnis in die nicht vorhandene
Unfehlbarkeit bedeutet, wenn es in diesem Falle zu Freisprüchen gekommen wäre. Ein
derartiges Eingeständnis wäre dann allerdings ein politisches Desaster, zu dem es
eben nicht kommen konnte.
Wir als Soligruppe fordern nach wie vor einen Freispruch der Beschuldigten in diesem
Verfahren. Desweiteren erwarten wir nach wie vor eine offizielle Entschuldigung der
Staatsanwaltschaft dafür, dass sie monatelang Antifaschismus als niedere Gesinnung
und somit als Mordmerkmal kriminalisierte.