Ermittler filzen Wohnung eines Neonazis
Spur der in München verhafteten Planer eines Anschlags auf die
Hauptsynagoge führt auch nach Menkin
(Nordkurier-Templin, Monika Strehlow und Nicole Hinz) Uckermark. Bayrische Ermittler filzen eine Wohnung in Menkin. Damit
führt die Spur der in München verhafteten Neonazis, die offenbar
einen Anschlag bei der Grundsteinlegung der dortigen Hauptsynagoge
geplant hatten (der Uckermark Kurier berichtete), auch in die
Uckermark.
Der Aufmarsch von Polizeifahrzeugen mit Diensthundeführern vor dem
Neubau in der Dorfstraße fand, wie erst jetzt bekannt wurde, am 9.
September — zeitgleich mit bundesweiten Durchsuchungsaktionen in der
Neonazi-Szene — statt.
Am 10. September informierte via Internet die Pressestelle des
Polizeipräsidiums München, dass im Zuge der Verhaftung “von
Mitgliedern der rechten Szene wegen Verdachts eines geplanten
Sprengstoffanschlags” in Brandenburg ein 37-Jähriger und in
Mecklenburg-Vorpommern ein 37-Jähriger vorläufig festgenommen wurden.
Die Menkiner wissen, um wen es sich handelt. Sie erinnern sich noch
gut an den Abend im Mai, als in derselben Wohnung die Polizei schon
einmal nach Waffen suchte. Nachfragen beim Schutzbereich Uckermark
bringen bis heute lediglich das offizielle Zugeständnis, dass die
Polizei des Schutzbereiches mit eigenen Kräften hier im Norden der
Uckermark Maßnahmen des Polizeipräsidiums München unterstützte. Das
Polizeipräsidium Frankfurt/Oder und das Landeskriminalamt Brandenburg
verweisen an das Münchener Polizeipräsidium.
Munition gesucht
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernahm schließlich die
Ermittlungen. Bis zum Redaktionsschluss äußerte sich diese jedoch
trotz mehrmaliger Anfragen durch den Uckermark Kurier nicht dazu. In
Hauptsttadt-Medien wird vermutet, dass drei in der Uckermark lebende
Männer, die Militärplätze nach Munition abgesucht haben sollen,
Sprengstoff für die Anschläge in München besorgt hätten.
Detlef Neumann, Amtsdirektor von Brüssow, weiß offiziell nichts von
den Vorgängen. Aus den Medien erfährt er von Vermutungen, dass drei
Einwohner seines Amtsbereiches damit in Zusammenhang gebracht werden,
die als Militaria-Sammler bekannt seien. “Wenn ich Kenntnis davon
erhielte, dass jemand bei uns Munition oder Waffen sucht, würde ich
sofort die Polizei einschalten. Schließlich geht davon Gefahr für
Leib und Leben aus.” Erst am 17. Juni wurde in der Kiesgrube von
Wollschow eine Bombe gefunden, musste das Dorf evakuiert werden.
Die Randowniederung im Nordosten des Brüssower Amtsbereiches ist als
Kampfgebiet des II. Weltkrieges bekannt. Immer wieder gibt es
Munitions- und Waffenfunde. Nach Einschätzung des Grünberger
Forstrevierleiters Ulf Wosnizek müssten bis zu 200 Hektar des
Gebietes nach Munition abgesucht werden. Vor drei Jahren schon musste
wegen Granatenfundes ein Waldabschnitt gesperrt werden. Gleich nach
der Wende seien im Forstrevier Leute mit Metalldetektoren angetroffen
worden. In seiner Amtszeit habe er schon Leute belehren müssen, die
er bei entsprechendem Tun am Menkiner See angetroffen habe, so
Wosnizek.
“Die Suche auf ehemaligen Truppenübungsplätzen ist grundsätzlich
nicht verboten”, erklärt Burkhard Heise, Pressesprecher des Uckermark-
Schutzbereiches. “Außer wenn Rechte Dritter berührt werden, also
Verbotssschilder missachtet oder Umfriedungen überwunden werden.”
Gefundene Munition oder Waffen unterliegen dem
Kriegswaffenkontrollgesetz oder Waffengesetz.
“Verstöße nach letzterem können sowohl als Ordnungswidrigkeit bis zu
10 000 Euro oder als Straftat mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug
geahndet werden”, so Heise. Bei Verdacht eines unbefugten Waffen-
oder Munitionsbesitzes hat die Polizei einzuschreiten, wobei auch
Landes- oder Bundeskriminalamt einbezogen werden. Dem Schutzbereich
seien keine so genannten Militaria-Sammler bekannt, die für
ihr “Hobby” eine polizeiliche Genehmigung besitzen müssen.
Durch die Bundesanwaltschaft wurden einige der Verdächtigen wieder
auf freien Fuß gesetzt. Dennoch kommt Menkin nicht zur Ruhe. Gerüchte
vermengen sich mit Wahrheiten. Der Betreffende selbst war für den
Uckermark Kurier nicht zu sprechen. Und auch die Einwohner des
kleinen Dorfes reden nur hinter vorgehaltener Hand über den
Vorfall. “Bis jetzt habe ich immer gedacht, das sind ordentliche
Jungs. Höflich und nett”, sagte ein Mitvierziger, der eigentlich in
Brüssow wohnt, öfter aber in Menkin zu tun hat. Dass der Beschuldigte
eine Glatze trug, hat den Brüssower nicht gestört. Schließlich könne
man niemanden wegen seines Haarschnittes vorverurteilen.
Betroffen von dem Vorfall
Der Gastwirt in Menkin kennt das Gerede um den aus der rechten Szene
stammenden Mann. Auch den Aufmarsch der Polizei hat er verfolgt. Vor
einiger Zeit hätte er mit derartig gesinnten Leuten Probleme gehabt,
die seinem Gewerbe schadeten. Eine junge Frau zeigte sich gestern
sichtlich betroffen von dem Vorfall. Es sei schade, dass Menkin nur
so Schlagzeilen macht. Dabei sei man jedes Mal stolz, wenn man etwas
Neues auf die Beine stellt. “Durch diese Sache wird alles zunichte
gemacht”, meinte sie.
Sprengstoff von Neonazis aus Brandenburg?
(BM) Potsdam — Zu den zehn Tatverdächtigen, gegen die die Bundesanwaltschaft
zurzeit im Zusammenhang mit dem Sprengstoff-Fund in München wegen des
Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt, gehören
auch drei Brandenburger aus der Uckermark. Andreas J., Stefan Z. und Marcel
H. sollen Panzergranaten aus dem Zweiten Weltkrieg gesammelt haben. Deren
explosiver Inhalt sollen Münchener Fahnder unlängst bei der Durchsuchung der
Wohnung der Neonazis Martin Wiese und Alexander Metzing gefunden haben. 1,7
Kilogramm TNT und mindestens zwölf Kilo einer “sprengstoffähnlichen”
Substanz stellten die Beamten sicher.
Gestern war allerdings noch unklar, ob die drei Brandenburger im Auftrag des
gebürtigen Mecklenburgers Wiese, Anführer der “Kameradschaft Süd” und
mutmaßlicher Drahtzieher eines geplanten Sprengstoffanschlags auf den Neubau
des Jüdischen Gemeindezentrums in München, die Granaten gesammelt haben, um
Wiese waffentauglichen Sprengstoff zu liefern. Bis auf einen der
Tatverdächtigen, er ist NPD-Mitglied, seien die inhaftierten Männer bislang
weder beim Brandenburgischen Verfassungsschutz noch bei der
Staatsschutzabteilung der Polizei bekannt. “Das sind unbeschriebene
Blätter”, hieß es im Innenministerium.
Offenbar sind die drei Verdächtigen als Militaria-Händler aktiv und suchen
gezielt in munitionsverseuchten Gebieten nach Blindgängern. Das allein wäre
schon verboten, weil das Betreten der nicht beräumten Gebiete untersagt ist.
Sollten sie mit TNT gefüllte Granaten an Wiese weitergegeben haben, auch
wenn sie über die Attentatspläne nicht informiert waren, so droht ihnen
wegen des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ein Verfahren.
Landesbehörde ermittelt wegen Neonazi-Plänen
Verbleib von Verdächtigen weiter unklar
(Berliner Zeitung) POTSDAM/PRENZLAU. Auch das brandenburgische Landeskriminalamt ermittelt nun
wegen der geplanten Anschläge gegen jüdische Einrichtungen in München. Aus
Sicherheitskreisen war zu erfahren, dass dies im Auftrag der
Bundesanwaltschaft in Karlsruhe geschieht, die weiter die Ermittlungen
führt. Die Brandenburger Kriminalisten sollen genauso wie das
Landeskriminalamt in Mecklenburg-Vorpommern feststellen, woher genau der
Sprengstoff stammt, der bei den geplanten Anschlägen verwendet werden
sollte.
Die Bundesanwaltschaft ermittelt allein in Brande
nburg gegen drei Männer aus
dem Amtsbereich Brüssow in der Uckermark. Die drei Militaria-Sammler sollen
den Sprengstoff aus alter Kriegsmunition entnommen und weitergegeben haben.
Sie selbst seien aber keine ideologisierten Neonazis, hieß es. Die
Brandenburger Ermittler haben lediglich eine sehr begrenzte Einsicht in die
Ermittlungsakten, die Generalbundesanwalt Kay Nehm führt. Unklar ist, wo
sich die drei Männer aus der Uckermark derzeit befinden. Mindestens zwei von
ihnen sollen sich womöglich doch noch in U‑Haft befinden. Angehörige
berichteten von einer Justizvollzugsanstalt in Bayern.
Treffpunkte der rechten Szene
Beobachter der Neonazi-Szene in der Uckermark gehen indes davon aus, dass
die drei Waffensammler, die den Sprengstoff beschafft haben sollen, keine
harmlosen Militaria-Fans sind. Die Orte Menkin, Wollschow und Brüssow, aus
denen sie stammen, galten in der Vergangenheit als Treffpunkte der
rechtsextremen Szene. In einer Gaststätte in Menkin soll es
Skinhead-Konzerte gegeben haben. Der rechtsextremistische Kameradschaftsbund
Anklam aus Vorpommern, ein Gruppe von rund 20 straff organisierten Neonazis,
soll mehrmals Reisen zu Dorffesten im Amtsbereich Brüssow organisiert haben.
Rund 200 Skinheads hätten die Dorffeste der Region dann “quasi annektiert”,
sagen Beobachter. Auch der Neonazi Martin Wiese, der als Rädelsführer der
Rechtsterroristen in München festgenommen worden ist, soll seinerzeit dabei
gewesen sein. Wiese stammt aus Anklam.
Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern geht von engen Verbindungen
zwischen Neonazis in Vorpommern und denen im Nordosten Brandenburgs aus. In
Vorpommern seien der Kameradschaftsbund Anklam und die Kameradschaft Usedom
besonders aktiv, während sich in Brandenburg der rechtsradikale Märkische
Heimatschutz straff organisiert habe. Zwischen den Neonazi-Organisationen
gebe es zahlreiche Verbindungen.
Mit anderer Wahrnehmung
Die Münchner Gefahr und der tägliche Terror im Osten
(Frankfurter Rundschau) Der vereitelte Anschlagsversuch von Neonazis in München wirft einige Fragen
auf: Was ist anders an dem geplanten Terrorakt? Und was müsste getan werden,
um solches für die Zukunft zu verhindern?
Nun, es gibt den braunen Terror schon seit langem. Nach der
Wiedervereinigung sind über 100 Menschen von Rechtsextremen getötet worden.
Es entstand ein Klima der Angst für Asylbewerber, Migranten, Obdachlose und
alternative Jugendliche besonders im Osten Deutschlands. Doch diese Art von
Terror erschien in der Öffentlichkeit nie als Bedrohung des Staates und
seines demokratischen Selbstverständnisses, sondern als bedauerliche
Sammlung einzelner Gewalttaten, deren Ziele mehr oder weniger zufällig
gewählt erschienen. Die Opfer gehörten den ohnehin diskriminierten,
gescholtenen oder vernachlässigten Teilen der Gesellschaft an. Ein Angriff
auf sie korrespondierte mit populistischen Signalen aus der Politik, die mit
der Stimmung in der Bevölkerung einhergingen.
Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die sadistischen Folter- und
Mordaktionen von Skinheads und Neonazis waren unterschiedlich — sie reichten
von echter Betroffenheit bis zu vollkommener Gleichgültigkeit. Im Osten
gehört der Terror von rechts zu einer Art selbstverständlicher Folklore, der
bis zum heutigen Tag diesen Landstrich weitgehend ausländerfrei hält und
diejenigen unter Rechtfertigungsdruck stellt, die solche Zustände beklagen.
Die Qualität des geplanten Anschlags, deren ostdeutsche Protagonisten gewiss
nicht ohne Grund die Hauptstadt des Freistaats Bayern für ihr Vorhaben
wählten, unterscheidet sich vom bisher gekannten. Es sind in den letzten
Jahren verschiedene Attentate begangen worden: auf das Grab von Heinz
Galinski, auf den jüdischen Friedhof in Berlin-Charlottenburg. Beide Male
waren es Anschläge mit Rohrbomben. Es wurden auch früher schon Waffen und
Sprengstoffe bei Neonazis gefunden und Listen mit Personen und möglichen
Anschlagszielen. Der Begriff von der “braunen RAF” geisterte damals schon
durch die Medien. Was ist jetzt anders?
Nun ist es München, und das liegt im Westen. Und die Öffentlichkeit schreit
auf. Anders ist auch, dass von allen in Betracht gezogenen Zielen der
üblichen Art wie Einrichtungen von Migranten, Moscheen und einzelnen
Politikern dasjenige in die engere Wahl gezogen wurde, das am deutlichsten
den Kern des Feindbildes der Neonazis verrät: die Juden. In der Hoffnung auf
hohe Sympathiewerte wollte man sie treffen, und das bei einem Staatsakt mit
viel politischer Prominenz.
Die Anschläge von Neonazis hatten immer etwas zu tun mit gesellschaftlichen
Bewegungen. So wie es eine Bewegung gegen Ausländer gab, gestützt von
Entscheidungen und Signalen der Ausländerpolitik von Law and Order auch und
gerade in Bayern, so gibt es zur Zeit eine gesellschaftliche Welle des
Antisemitismus, für die man sich bei der Kameradschaft Süd offenkundig
entschieden hat. Sie beruht auf einer Debattenlage in rechten, aber auch in
linken Kreisen, die der Durchschnitt der Bevölkerung ebenso teilt. In ihr
dreht das Gespenst von den alles dominierenden Juden, besonders in der
Weltmacht USA, heftig seine modernen Runden.
Noch etwas ist anders: Das Ziel ist nicht die Dresdner Synagoge in einer
beliebigen Nacht, sondern die in München am 9. November in voller Montur.
Das trifft den Staat nicht nur an einer moralischen Stelle. Hier werden
seine Vertreter und Symbole unmittelbar bedroht und nicht nur einige
Asylbewerber oder Punks oder ein vergessener jüdischer Friedhof in Zittau.
Dass die Kameradschaft Süd sich dies zutraut, deutet auch auf eine bessere
Vernetzung und Bewaffnung hin. Ohne Zweifel, die vom Osten inspirierte
Szene — ihre Anführer kommen aus Mecklenburg und Brandenburg — ist
gefährlicher und die Bedrohung der Demokratie deutlicher geworden. Doch was
kann man dagegen tun? Der Verfolgungsdruck auf solche Täter muss hoch
bleiben, das ist klar. Doch der Ruf nach dem Staat reicht auch hier nicht
aus.
Die vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen müssen sich auf Initiativen und Projekte
der zivilen Gesellschaft beziehen, die sehr gut in der Lage sind, diese
Aufgabe auch mit dem Staat zusammen zu erfüllen. Viele Projekte im Osten
beweisen das. Und der Antisemitismus muss ernst genommen werden, er ist
längst kein Spielball mehr für intellektuelles Geplänkel.
Doch dazu braucht es den politischen und gesellschaftlichen Willen und
ausreichend Geld — und das auf lange Zeit. Das ist ein alter Hut. Doch er
passt auch auf die neue Gefahr.
Sprengstoff für Anschlag aus der Uckermark
(MOZ) Frankfurt (Oder) Mit Sprengstoff aus der Uckermark sollten offenbar
Anschläge gegen jüdische Einrichtungen in München verübt werden. Drei Männer
wurden in den Orten Brüssow, Menkin und Wollschow durch Münchener Ermittler
festgenommen. Größere Mengen an Waffen und Munition kamen bei den
Haussuchungen ans Tageslicht, bestätigen wollten das weder die
Bundesanwaltschaft noch der Schutzbereich Uckermark.
Als Steven Z. aus Wollschow Mitte voriger Woche nicht zur Arbeit auf der
Baustelle der Brüssower Gartenbaufirma A. Martin GmbH erschien, wußte
niemand, warum nicht. Erst allmählich sprach es sich herum, dass Z. tags
zuvor “Besuch” aus München und Prenzlau bekommen hatte. Schwerbewaffnete
Polizisten durchkämmten auf der Suche nach Waffen und Munition seine Wohnung
in Wollschow. Gleiches erlebten Andreas J. aus Menkin und Marcel K. aus
Brüssow.
Den drei Uckermärkern wird vorgeworfen, einen Großteil des Sprengstoffs
geliefert zu haben, den Rechtsextremisten in München für Anschläge benutzen
wollten. Alle drei verbringen ihre Freizeit damit, auf alten
Trupp
enübungsplätzen oder auf dem Gelände einer alten Munitionsfabrik bei
Löcknitz (Mecklenburg-Vorpommern) nach Granaten und Panzerminen zu suchen,
um waffentauglichen Sprengstoff zu entnehmen.
Die drei sind der Polizei bestens bekannt. Dass die drei Festgenommenen
Kontakte zur rechtsextremistischen Terrorszene unterhalten, sorgt in der
Region für einen Schock. “Dass sie Waffennarren waren, wussten viele. Aber
das jetzt kann nicht toleriert werden”, sagt Torsten Wolff,
Ortsbürgermeister von Wollschow-Menkin.