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Der umstrittene Rotarmist aus Bronze

(Jens Blanken­nagel) SEELOW. Der bronzene Sol­dat glänzt sog­ar an trüben Tagen. Er ist frisch
restau­ri­ert, sand­strahlgesäu­bert und eingewachst. Mit wehen­dem Man­tel und
Maschi­nen­pis­tole vor der Brust ste­ht der 4,50 Meter große Rotarmist auf
einem Hügel und schaut gen Osten. Dor­thin, woher die Befreier kamen, denen
dieses Denkmal gewid­met ist. Es ist die kleine Vari­ante sowjetischer
Mon­u­mentalkun­st — die hier, bei Seelow (Märkisch-Oder­land), an eine der
let­zten und erbit­tert­sten Schlacht­en des Zweit­en Weltkrieges erin­nert. An
die Schlacht auf den Seelow­er Höhen, mit der sich die Rote Armee im April
1945 den Weg ins 70 Kilo­me­ter ent­fer­nte Berlin freikämpfte. Am Wochenende
beg­ing die Gedenkstätte ihren 30. Geburt­stag. Aus diesem Anlass eröffnete am
Sonnabend eine Sonderausstellung. 

Ide­ol­o­gis­che Pilgerstätte

Dass das bronzene Mah­n­mal samt Muse­um nicht unum­strit­ten ist, beweist vor
allem das Gäste­buch. “Wir brauchen keine Sow­jet-Pro­pa­gan­da, sondern
Objek­tiv­ität” oder “Nach­dem ich alles gese­hen habe, kann ich nur Nie wieder
Krieg sagen”, ist darin zu lesen. Die Äußerun­gen sind eben­so wie zahlreiche
his­torische Fotos Teil der Ausstel­lung, die die Entwick­lung des Muse­ums seit
seinem Entste­hen 1972 anlässlich des 50. Jahrestages der Sow­je­tu­nion zeigt.
So erfährt der Besuch­er unter anderem, wie der Bronzene Rotarmist entstand.
Schon im Herb­st 1945 beauf­tragte der Ober­be­fehlshaber der 1. Belorussischen
Front, Marschall Shukov, den rus­sis­chen Bild­hauer Lew Ker­bel, den Sieg der
roten Armee mit drei Denkmalen nachzuze­ich­nen. In Küstrin ent­stand binnen
weniger Monate ein Obelisk mit rotem Stern, im Berlin­er Tier­garten ein
nachge­bilde­ter Panz­er und auf den Seelow­er Höhen der Bronzesol­dat mit den
Ehren­gräbern für die gefal­l­enen Sowjetsoldaten.
Sehr wohl sei die Anlage zu DDR-Zeit­en eine ide­ol­o­gis­che Pil­ger­stätte zur
poli­tis­chen Erziehung der Jugend gewe­sen, sagt Gerd-Ulrich Her­rman, der neue
Gedenkstät­ten-Chef. “Zu DDR-Zeit­en wurde hier natür­lich nicht der deutschen
Gefal­l­enen gedacht. Nach offizieller Lesart war die Erde nur vom Blut
sow­jetis­ch­er Sol­dat­en getränkt”, sagt Her­rmann. Täglich kamen Busladungen
voll Brigaden, Schulk­lassen, NVA-Sol­dat­en nach Seelow — jährlich 50 000
Besuch­er. Wegen des ein­seit­i­gen Geschichts­bilds schlu­gen Kri­tik­er nach der
Wende vor, das Mah­n­mal abzubauen. Als dann doch der Entschluss fiel, die
einzige deutsche Gedenkstätte, die an eine Schlacht im Zweit­en Weltkrieg
erin­nert, zu erhal­ten, wurde das Muse­um im Laufe der 90er-Jahre umgestaltet,
Filme und Dia-Vorträge geän­dert. Statt 17 Mitar­beit­ern arbeit­en heute noch
vier dort. Doch kamen im ver­gan­genen Jahr immer­hin wieder 26 500 Besucher. 

Zwei zer­störte Dörfer

“Es ist unser Anspruch, ein Antikriegsmu­se­um zu sein”, sagt
Gedenkstät­ten-Chef Her­rmann. Heute gedenke man hier aller Toten. “Egal, ob
Sol­dat­en oder Zivilis­ten.” Her­rmann hält dies für wichtig, denn nach seinen
Berech­nun­gen fie­len Anfang 1945 bei den Kämpfen auf den Seelow­er Höhen bis
zu 100 000 Sol­dat­en — dop­pelt so viele wie bish­er angenom­men wurde.
Die Auf­gabe für die Zukun­ft sei nun: Erin­nern, Gedenken und Mah­nen. “Durch
das Oder­bruch fegte damals die fürchter­lich­ste Katas­tro­phe, die es je in
Deutsch­land gab”, sagt der Muse­um­sleit­er. Übrig blieb eines der am meisten
zer­störten Gebi­ete des Lan­des. “Zwei Dör­fer waren zu 97 Prozent zerstört,
viele andere zu 70 Prozent”, sagt Her­mann. Es sei ein­fach, einen Krieg zu
begin­nen, schw­er, ihn zu been­den und noch schw­er­er, mit den Fol­gen zu leben. 

Weit­ere Infor­ma­tio­nen zur Gedenkstätte und zur Son­der­ausstel­lung im Internet
unter www.gedenkstaette-seelower-hoehen.de

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