Der Zoll fahndet künftig im Hinterland
(Tagesspiegel, Claus-Dieter Steyer) Frankfurt (Oder). Mit dem Beitritt Polens zur EU am 1. Mai beginnt an der
Grenze keineswegs die große Freiheit für deutsche Zigaretten‑, Alkohol- und
Benzinkäufer. Zwar zieht sich der Zoll von den Übergängen an den Straßen,
Autobahnen und Bahnhöfen zurück, aber die Einfuhrbeschränkungen für die
genannten Waren bleiben im Großen und Ganzen bestehen.
“Wir kontrollieren die Menschen und Kraftfahrzeuge nicht mehr unmittelbar
bei der Einreise”, sagte der Chef des Hauptzollamtes in Frankfurt (Oder),
Jörg Birkemeyer, gestern. “Aber wir bilden mobile Ermittlungstrupps, die im
Hinterland die Einhaltung der Gesetze garantieren sollen”. Jeder müsse damit
rechnen, auch einige Zeit nach dem Grenzübertritt noch seine Taschen oder
den Kofferraum öffnen zu müssen.
Bis zum 31. Dezember 2008 darf jeder Erwachsene wie bisher nur 200
Zigaretten aus Polen oder Tschechien nach Deutschland einführen. Wer mit
einer größeren Menge erwischt wird, zahlt 13 Cent pro Zigarette Strafe und
muss die Glimmstengel dem Zoll abgeben. Bis zum 30.April liegt die
Strafzahlung bei 26 Cent pro Zigarette. Dafür darf er die Packungen derzeit
aber noch behalten.
Bei Spirituosen und Kaffee steigen die zollfreien Mengen an. Der Autofahrer
darf ab 1.Mai neben dem eigentlichen Tank noch einen
20-Liter-Reservekanister füllen, das sind 10 Liter mehr als derzeit. Ein
Liter Benzin “Super bleifrei” kostete an Tankstellen in Polen gestern
zwischen 76 und 78 Cent, in Deutschland wurden rund 1,07 Euro verlangt. Der
Direktor des Hauptzollamts rechnet mit einem starken Anstieg der
Zigarettenkäufer ab dem 1. Mai: Mit der Preiserhöhung in Deutschland
verschärft sich ab März noch der Unterschied zwischen Polen und Deutschland.
Eine Schachtel der gängigsten Tabakmarken kostet in Polen weniger als einen
Euro.
Im Vorjahr stellten die Zöllner an der deutsch-polnischen Grenze rund 30
Millionen unverzollter Zigaretten sicher. Die meisten waren auf Lastwagen in
speziellen Hohlräumen oder in Computergehäusen und Kaffeemaschinen
versteckt. Der größte der Teil der bei Stichproben entdeckten Lieferungen
aus Ost€pa sollte in Großbritannien verkauft werden, da hier der größte
Gewinn zu machen ist.
Da sich die Zoll mehr und mehr auf Verdachtskontrollen beschränkt, sinkt
auch die Zahl der Beschäftigten. Von ehemals 1600 Bediensteten bleiben im
Bereich des Hauptzollamtes Frankfurt (Oder) nur knapp 1000 übrig. Etwa 370
Personen kam bei anderen Bundesbehörden unter, 230 Angestellten wurden
Arbeitsplätze in anderen Bundesländern angeboten. 190 Zöllner widmen sich
künftig der Bekämpfung von Schwarzarbeit in Ostbrandenburg. Zu ihnen gehören
auch ehemalige Ermittler der Arbeitsämter. Derzeit erlernen sie den Umgang
mit Waffen. “Wir müssen uns schließlich auf Erscheinungen der organisierten
Kriminalität einstellen”, begründete der Chef der “Finanzkontrolle
Schwarzarbeit”, Dietmar Siepert, die Aufrüstung.