FRANKFURT (ODER) Der Tourismus zwischen Ost- und West€pa scheint in eine Flaute geraten zu sein. Das zumindest suggeriert die Zahl der Reisenden, die im Vorjahr einen der 20 brandenburgisch-polnischen Grenzübergänge überquerten. Um 15 Millionen auf insgesamt 53 Millionen Reisende ging der Grenztransfer im Vergleich zum Jahr 2000 zurück. “Auswirkungen von BSE-Krise sowie Maul- und Klauenseuche, die verschärften Sicherheitskontrollen nach den Terroranschlägen in den USA, aber auch ein gewisses Sättigungsgefühl bei den Billigeinkäufern in Polen dürften Ursachen dieses spürbaren Rückganges sein”, sagte Ekkehart Wache, Leiter des Grenzschutzamtes Frankfurt (Oder), gestern.
Während der legale Transfer also lahmt, boomt nach Erkenntnissen des Bundesgrenzschutzes (BGS) seit dem vergangenen Jahr das illegale Reisegeschäft. Insgesamt 30 000 Fälle wurden laut Wache bisher ermittelt, in denen Ost€päer vorgaben, als Touristen mit gültigem Pass und gültigem Visum in die Europäische Union zu kommen. Doch statt, wie in den Begleit-Papieren vorgegaukelt, auf kulturelle Städtereise zu gehen oder sich in der italienischen Sonne zu erholen, fahren die falschen Touristen weiter in jene EU-Staaten, in denen Arbeit zu bekommen ist: Spanien, Portugal oder Holland.
Wer als Ausländer in diesen Ländern erst einmal einen Job hat — wenn auch zunächst nur als Schwarzarbeiter — bekommt einen Aufenthaltsstatus. Das scheint besonders für Ukrainer erstrebenswert zu sein. Sie zählen laut BGS zur häufigsten Nationalität der getarnten Schwarzarbeiter. “Wir haben es bei diesem neuen Phänomen unerlaubter Einreise mit organisierter Schleusung zu tun”, erklärt der Frankfurter BGS-Pressesprecher Mirko Heinke. Der florierende Schwarzarbeiter-Transfer liegt in der Hand von Menschenschmuggler-Banden.
Als Reisebüros getarnt werben sie potenzielle “Kunden” per Zeitungsinserat in der Ukraine, Russland oder Weißrussland an, kümmern sich um die Visa in den west€päischen Botschaften, stellen Verkehrsmittel und oftmals auch die Legenden, die bei Nachfrage den Reisezweck untermauern sollen: Hotelreservierungen, Reiserouten, Buchungslisten. Mittlerweile sollen sich Agenturen in West€pa darauf spezialisiert haben, im Auftrag von Bauunternehmen oder Touristikfirmen ganz gezielt billige Arbeitskräfte aus Ost€pa zur Verfügung zu stellen. Allein 15 000 Fälle wurden nach Angaben von BGS-Leiter Wache in einem einzigen Verfahren aufgedeckt worden. Im Zuge der Ermittlungen seien Wohn- und Geschäftsräume mutmaßlicher Hintermänner in Nordrhein-Westfalen durchsucht, Buchungen und Finanztransaktionen überprüft worden.
Die Grenzschützer vermuten, dass auch Hotels an den touristischen Scheingeschäften mitverdienen. “Wozu sollten die bei unseren Nachfragen Buchungen bestätigen, wenn die angeblichen Touristen dann gar nicht bei ihnen einkehren?”, fragt Wache.
Für den BGS hat das Geschäft mit den Schwarzarbeitern eine völlig neue Dimension gegenüber der klassischen illegalen Einreise von Ausländern erreicht. Zwar sei die Zahl der unerlaubten Grenzgänger 2001 im Vergleich zu den Vorjahren noch einmal geringfügig auf 1800 gestiegen. Ein wahrer Flüchtlingsansturm wie noch Anfang der 90-er Jahre sei jedoch nicht mehr zu verzeichnen. Nur noch ewa die Hälfte der illegal Einreisenden werde von organisierten Menschenschmugglern — wie früher üblich — über die grüne Grenze geschleust, erklärt Behördenleiter Wache.