Rede zur Nationalismuskritik der Antifagruppe Oranienburg auf der Antirademo 04
Spätestens seit dem Irakkrieg ist es wieder Mode sich als Deutscher zu präsentieren. Äußerungen wie, „man kann doch stolz darauf sein, dass Deutschland gegen den Irakkrieg war“, sind keine Seltenheit mehr. Auf der großen Friedensdemo am 15. 3. letzten Jahres waren unter anderem auch Transparente mit Aufschriften wie: „Jetzt kann ich endlich stolz sein Deutscher zu sein“. Dass sich Nazis auf solchen Demonstrationen nicht nur wegen ihrer Sympathie für die antisemitische Diktatur wohlfühlten, ist bei solchen Transparenten kein Wunder. Doch der Nationalismus findet auch auf anderen Ebenen statt. Als negativ hervorhebenswert gilt hier die Berliner Poppunkband Mia und ihr neudeutsches Projekt und Label „Angefangen“. Andi, der Gitarrist der Band, meint in Bezug auf den Song „Es ist, was es ist“: „Es geht uns jetzt darum, die schwere Bedeutung der deutschen Farben neu zu belegen.” Der Betreiber des Labels ist der Ansicht: “Was offensichtlich das Schönste an diesem Krieg (gemeint ist der Irakkrieg) ist, dass man endlich wieder ungehemmt für Deutschland sein darf…” Nationalismus kommt trotz gleicher altbekannter Inhalte heute in trendiger Form daher. Als Beispiel dafür seien die Lifestylemagazine „Blond“ und „Deutsch“ gewählt, die sich in moderner Aufmachung an junges Publikum wenden und nationalistische Inhalte transportieren. Der Nationalismus bildet nach wie vor den Kitt, der das sogenannte Volk in Krisenzeiten zusammenhält und den kapitalistischen Verwertungsprozess aufrechterhält. Der Staat schafft ein nationales Kollektiv, das sich durch seine völkische Identifikation gegen die „außerstaatliche Umwelt“ abgrenzt. Ein Großteil der deutschen Bevölkerung hat dieses nationalistische, oft auch völkische Denken verinnerlicht und reproduziert es tagtäglich durch Hetze gegen Andersdenkende und Andersaussehende, gegen sog. Sozialschmarotzer oder als besonders bösartig identifizierte raffende Kapitalisten, die dem kleinen Mann das Geld aus der Tasche ziehen und dem sogenannten „Volkskörper“ schaden. Bei solch weitverbreitetem Gedankengut ist es nicht verwunderlich, wenn sich Nazis als Vollstrecker des „Volkswillens“ sehen. Wie dieser „Volkswille“ in der Praxis aussieht, mussten wir nicht nur Anfang der 90er in den Pogromen von Hoyerswerda oder Rostock erleben, sondern auch hier in Oranienburg bzw. Oberhavel – so zum Beispiel die Anschläge auf die jüdische Baracke in der Gedenkstätte Sachsenhausen oder der Anschlag auf einen Dönerimbiss in Lehnitz. Nationalistische Tendenzen bieten einen guten Nährboden für solche rassistischen oder antisemitischen Ausschreitungen. Darum hier etwas Grundlegendes zur Nation:
Die Nation ist ein durch die ökonomischen Entwicklungen der letzten Jahrhunderte entstandenes Konstrukt, welches besonders in Deutschland durch den völkischen Gedanken zusammengehalten wird. Dieses Konstrukt hatte hauptsächlich wirtschaftliche Gründe dient aber auch der Aufspaltung der Menschen über Staatsbürgerschaft, Grenzen, Traditionenbildung, sowie Symbolen (Hymnen, Flaggen). So werden Gegensätze geschaffen, die z.B. den „Deutschen“ von dem „Polen“ unterscheiden. Es wird eine nationale Identität durch eigene Tradition, Sprache, Kultur, Geschichte oder Territorium vorgegeben, der mensch sich auf Grund seiner Staatsangehörigkeit unterordnet und die sein Denken prägt. Doch wer solch eine Identität sucht und braucht, dem mangelt es an Individualität. Warum sonst sollte mensch sich diesem Zwangskollektiv Nation unterwerfen wollen, welches Individuen, die sonst wenig bis nichts miteinander gemein haben, in sich hineinpfercht und vereinheitlicht. Und dadurch, dass sich diese Zugehörigkeit zur Nation durch Abgrenzung von anderen Staaten definiert, gehen der Rassismus und Nationalismus Hand in Hand. Denn, durch den Nationalismus wird die eigene Person aufgewertet und Menschen anderer Nationen rassistisch abgewertet. Nutzen zieht nur der jeweilige Staat daraus. Er wird durch den Nationalismus nicht nur in seinem Handeln gestärkt, sondern kann so auch bestehende Gegensätze, wie soziale Ungleichheiten verwischen und Bevölkerungsschichten von ihren eigentlichen Interessen ablenken.
Immer wieder waren auch Nationalismus die Ursache für Kriege, Feindbilder, Expansionen und Ausbeutung. Darum gilt es diesen weltweit anzugreifen! Nationalismus bedeutet nicht nur einen Höhepunkt der Distanzierung von Feinden, sondern auch einen Höhepunkt der Identifikation mit dem eigenen Staat. Besonders deutlich werden die nationalen Ausartungen hier in Deutschland. Nach 1945 hielt sich die Mehrheit der deutschen Bevölkerung durch die alliierte Aufsicht zwar mit nationalen Forderungen zurück, politisch wurde mit der Offenhaltung einer großdeutschen Wiedervereinigung die nationalistische Tradition aber latent fortgeführt. Am 3. Oktober 1990 schließlich konnte man wieder einen Höhepunkt nationalen Glücks feiern. Deutschland war wiedervereint und schon legte „das deutsche Volk“ los. Asylbewerberheime brannten in Rostock und Hoyerswerda, MigrantInnen wurden in Solingen und Mölln ermordet. Und auch international hielt Deutschland nichts mehr zurück. Die alten Versprechungen, dass nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen wird, waren spätestens 1999 mit den Bombardierungen im Kosovo vergessen. Mit der außenpolitischen Militarisierung, auch im Rahmen der EU, dürfte weiteren deutschen Interventionen in Zukunft nichts mehr im Wege stehen. Nachdem sich Deutschland durch den Irakkrieg, in dem sich die deutsche Nation geschlossen als die guten Pazifisten feierten, profilieren und zum Teil von den USA lossagen konnte, ist die lang ersehnte Eigenständigkeit deutscher Außenpolitik endlich erreicht. Dass bei der deutschen Kriegsablehnung maßgeblich wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielten wird vergessen und nur den USA angelastet.
So bleibt uns nur zu sagen:
NationalistInnen bekämpfen!
Gegen eine selbstbewusste Nation Deutschland!
Für eine Gesellschaft freier Individuen!
Antifaschistische Gruppe Oranienburg [A.G.O.]