Wo man heute – zur Zeit der Fußball-Europameisterschaft – auch hingeht, überall sieht man sie, die deutsche Nationalfahne. Egal ob am Auto oder aus den Fenstern, überall zeigen die braven Bürger Deutschlands ihre Zuneigung für den deutschen Staat. Und man kommt nicht umhin, zu fragen, ob sich der Bürger nur mit der deutschen Nationalmannschaft identifiziert oder doch mit dem ganzen Deutschland.
An der BTU Cottbus spielten sich noch ganz andere Szenen ab. Dort trafen sich Fußballbegeisterte im Audimax, um sich gemeinsam das Spiel anzusehen. Leicht störend war es schon, dass es manche gab, die glaubten im Stadion zu sein, und den Zuschauer mit Gegröle durch ein Megafon zu nerven. Was gewisse Kreise im Stadion geübt hatten, funktionierte auch im Audimax. Es erklang der Ruf: „Steh auf, wenn Du ein Deutscher bist.“ und die meisten standen auf. Die Nationalhymne erklang und die meisten standen stramm. Einige wenige konnten es nicht lassen und hoben dabei den rechten Arm. Man mochte immer meinen, dass Rechtsradikalismus noch nicht in der bürgerlichen Mitte angekommen ist, aber Hitlergrüße werden schon toleriert. In der Halbzeitpause und nach dem Spiel kam es noch „besser“, als sich einige mit „Heil Hitler“-Rufen oder „Sieg Heil“-Rufen als rechtsradikal outeten. Und niemand schritt ein oder verwies diese Gruppierungen des Platzes.
Ist es wirklich schon so weit gekommen, dass rechtsradikales Gedankengut in den Köpfen Vieler fest verankert ist und der reaktionäre Nationalismus Konsens der Gesellschaft ist? Nach den Vorgängen der letzten Jahre muss man diese Frage wohl bejahen.
Nehmen wir nur die Medienkampagne der letzten Jahre „Du bist Deutschland“. Vorbild dafür war die gleichnamige Kampagne im Dritten Reich. Damals hatte sie den Zweck, den deutschen Arbeiter zu Lohnverzicht usw. zu bewegen. Die deutsche Industrie, die 1935 wohl immer noch an den Folgen der letzten Weltwirtschaftskrise zu knabbern hatte, sollte auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung saniert werden. Ähnlich war es in den letzten Jahren. Die deutsche Bevölkerung sollte auf Verzicht eingeschworen und zu mehr Opferbereitschaft mobilisiert werden, damit die Unternehmensgewinne steigen konnten und diese Gewinne zur Übernahme ausländischer Firmen verwendet werden konnten. Damals wie heute wurde der Nationalismus in der Bevölkerung geschürt, um den deutschen Unternehmern einen besseren Platz auf dem Weltmarkt zu verschaffen.
Im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft lief der Axel-Springer-Konzern wieder einmal zur Höchstform auf. In seinem polnischen Blatt „Fakt“ setze er Michael Ballack kurzerhand eine Pickelhaube auf und schürte anti-deutsche Ressentiments. In seinem deutschen Blatt „Bild“ „reagierte“ er darauf und schürte anti-polnische Vorurteile. Was ist der Sinn davon? Weil ein großer Teil der Bevölkerung keine Informationen darüber hat, dass es sich um eine gezielte Kampagne des Axel-Springer-Konzerns handelte, lässt er sich nationalistisch aufheizen.
Aber jeder Einzelne sollte sich fragen, was er von einer Identifikation mit der BRD hat. Findet ein Arbeitsloser Arbeit, nur weil er sich zu Deutschland bekennt? Verdient ein Ostdeutscher genau so viel wie ein Westdeutscher, nur weil er sich zu Deutschland bekennt? Ist eine Frau in der Gesellschaft gleichberechtigt, nur weil sie sich zu Deutschland bekennt? Das alles und noch viel mehr trifft in der Realität nicht zu. Der Nationalismus wird durch die herrschenden Eliten dazu benutzt, der Bevölkerung die klare Sicht auf die gesellschaftlichen Probleme zu nehmen. Und eine Frage muss man am Ende doch noch stellen: Wann wird es wohl soweit sein, bis es wieder zur offiziellen Lehre und Politik erhoben wird, dass deutscher Kapitalist und deutscher Arbeiter fest verbunden durch die Blutsabstammung gemeinsam in der Welt für deutsche Interessen zu kämpfen haben?