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Die Aufklärungsarbeit in den Dörfern ist gefährdet

Der einzi­gen geförderten Koor­dinierungsstelle für Les­ben und Schwule in
Bran­den­burg sollen ab 2004 die Gelder gestrichen werden

(TAZ) Ein schwarzweißes Schild hängt neben der Ein­gangstür an dem zweistöckigen
Haus in der Pots­damer Lin­den­straße. Es ist unauf­fäl­lig, bis auf die kleinen
Regen­bo­gen­fah­nen in den Büro­fen­stern im ersten Stock. Wer will, sieht sie -
aber den wenig­sten Pas­san­ten fall­en sie wohl auf. 

Drin­nen druckt Gabriele Kern­topf eine E‑Mail aus, die sie ver­gan­gene Woche
erhal­ten hat, von einem 15-jähri­gen Schüler aus Pots­dam. “Das ist nicht von
vor zehn Jahren, und das ist noch nicht mal jemand, der auf dem Land lebt”,
sagt Kern­topf. Der Junge schreibt: “Ich bin wirk­lich nie­mand, der irgendwie
Kle­in­fussel­szeug hoch­putscht. Jedoch war dies nicht das erste Mal. Vor
einiger Zeit wurde mir ein Zip­po ins Gesicht geschnippst und mir wurde
gedro­ht, dass man mich umbringe, und wegen all dieser Geschehnisse möchte
ich mich bei Ihnen melden, da ich nicht weiß, wie ich das durch­ste­hen soll.” 

Der Junge ist schwul und hat schon mehrere physis­che Angriffe von
Gle­ichal­tri­gen über­standen. Gabriele Kern­topf ist die Lei­t­erin der
Lan­desko­or­dinierungsstelle (LKS) für Les­BiS­chwule-Belange in Potsdam. 

Die LKS — so sieht es der Bran­den­bur­gis­che Haushalt­sen­twurf 2004 vor — soll
es ab kom­men­dem Jahr nicht mehr geben. Die anges­pan­nte Haushalt­slage, sagt
der zuständi­ge Ref­er­ent im Bran­den­bur­gis­chen Sozialmin­is­teri­um, Thomas
Wendt, habe die Stre­ichung erzwun­gen. Viele soziale Pro­jek­te haben darunter
zu lei­den, solche für Jugendliche, für Frauen, für alle. Noch wird in
Arbeit­skreisen und Auss­chüssen berat­en. Die endgültige Entschei­dung durch
den Land­tag fällt im Dezem­ber. Mit dem Geld, das die LKS bis­lang erhalten
hat — 68.000 Euro in diesem Jahr -, koor­diniert Gabriele Kern­topf die
(weni­gen) les­bisch-schwulen Pro­jek­te in Bran­den­burg. Sie fährt darüber
hin­aus in Kle­in­städte und Dör­fer, organ­isiert Ver­anstal­tun­gen in Jugendklubs
und Schulen, auch Lehrerfort­bil­dun­gen. An vie­len Orten ist sie die Erste,
die sich je offen les­bisch gezeigt hat. Sie berät und ver­mit­telt Kon­tak­te an
Schwule und Les­ben, die nie­man­den in ihrer Kle­in­stadt ken­nen. Organisiert
Gelder, damit es eine CSD-Tour, eine Plakatak­tion, ein kostenloses
Les­BiS­chwules Mag­a­zin geben kann. Sie leis­tet längst nicht mehr nur
Selb­sthil­fe, son­dern Aufk­lärungsar­beit für die All­ge­mein­heit. Sie leit­et das
einzige schwul-les­bis­che Pro­jekt, das vom Land Bran­den­burg gefördert wird. 

“Ein Jugendlich­er, der in Bran­den­burg sein Com­ing-out hat, find­et erst mal
fast gar nichts vor, was ihn unter­stützen kön­nte”, sagt Kern­topf. Wer Glück
habe, finde in seinem Ort einen Jugend­klub, wo das Plakat der LKS mit der
Beratung­stele­fon­num­mer hänge. “Dabei geht es in den meis­ten Fällen gar nicht
um eine psy­chol­o­gis­che Beratung. Son­dern ein­fach nur darum: Wo kann ich mich
mit meinen Gefühlen wiederfinden?” 

Auf die Arbeit der Lan­desko­or­dinierungsstelle ist auch Ministerpräsident
Matthias Platzeck (SPD) stolz. Noch im August hat er sie in der Berliner
schwul-les­bis­chen Zeitschrift Siegessäule als Vorzeige­pro­jekt des Landes
Bran­den­burg präsen­tiert. Gabriele Kern­topf, die das Inter­view gele­sen hat,
verdeckt den Teil über die LKS mit der recht­en Hand: “Wenn es uns nicht mehr
gibt”, fragt sie, “was bleibt dann eigentlich noch übrig?” 

Übrig bleiben dann etwa die fortschrit­tliche Brandenburgische
Lan­desver­fas­sung, nach der nie­mand wegen sein­er sex­uellen Identität
bevorzugt oder benachteiligt wer­den darf, und das
Lebenspart­ner­schafts­ge­setz. Doch Geset­ze allein, find­et Kern­topf, nutzen
nicht viel, man müsse sie auch mit Leben füllen. “Frau Müller und Herr
Mey­er, die müssen das ver­ste­hen kön­nen, denen müssen wir begeg­nen. Man muss
miteinan­der ins Gespräch kom­men, nur so verän­dert man die Gesellschaft.” Die
Bran­den­bur­gis­che Lan­desregierung, so Kern­topf, trage auch Les­ben und
Schwulen gegenüber eine Verantwortung.

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