Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm über rechtsextreme Strukturen und Vergleiche zur RAF
Berliner Morgenpost: Teilen Sie die Warnung Becksteins vor einer “Braune Armee Fraktion”?
Jörg Schönbohm: Nein. Der Vergleich mit der Rote Armee Fraktion ist
irreführend. Die RAF war eine kadermäßig organisierte und abgeschottete
kriminelle Vereinigung. Es handelte sich um eine Gruppe, die versuchte,
westdeutsche Führungskräfte wegzubomben. Die rechtsextremistische Szene ist
zwar kriminell, aber Vergleichbares ist nicht erkennbar. Eine Vernetzung und
eine Logistik wie in den siebziger Jahren bei der RAF gibt es nach unseren
Erkenntnissen nicht. Ein neuer Aspekt der Münchner Ermittlungen ist
allerdings die Bereitschaft von Rechtsextremisten, die Tötung von Personen
in Kauf zu nehmen. Das sollten wir sehr ernst nehmen.
Wie ist Ihre grundsätzliche strategische Einschätzung zum Rechtsextremismus?
Der Einfluss rechtsextremistischer Organisationen in der Gesellschaft hält
sich in engen Grenzen. Weiter verbreitet aber sind fremdenfeindliche
Ressentiments und andere demokratiefeindliche Klischees, an die
Rechtsextremisten anzuknüpfen suchen — gerade auch bei jungen Leuten.
Deshalb müssen wir alle — Familie, Schule und Öffentlichkeit — offensiv für
die Normen und Werte der Demokratie werben.
Sehen Sie eine Verzahnung von Neonazi- und Skinhead-Strukturen?
Scharfe Trennungslinien zwischen dem rechtsextremistischen Skinhead-Milieu
und neonazistischen Gruppen gibt es schon lange nicht mehr. Bei
einschlägigen Demonstrationen sieht man die einen wie die anderen, oft auch
noch NPD-Anhänger dazu, einträchtig miteinander marschieren. Neue Strukturen
entstehen aus diesem Miteinander aber nur punktuell.
Wäre die nur in Brandenburg geschaffene Mobile Einsatzeinheit gegen Gewalt
und Ausländerfeindlichkeit (Mega) auch für andere Länder geeignet?
Die Mega hat sich in Brandenburg gut bewährt. In anderen Bundesländern
erprobt man ähnliche oder auch andere Ansätze, über die ich mich mit meinen
Innenministerkollegen austausche.
Soll das Versammlungsrecht verschärft werden, wie Schily es angekündigt hat?
Ich bin erfreut, dass der Bundesinnenminister in dieser Frage jetzt handeln
will. Bislang hat sich die rot-grüne Koalition allerdings gegen jede
Verschärfung gesträubt. Vorschläge der Union dazu liegen seit langem auf dem
Tisch. Allerdings sind einer Verschärfung enge verfassungsrechtliche Grenzen
gesetzt. Es gilt immer die Verhältnismäßigkeit von Einschränkungen zu
beachten. Ein Versammlungsverbot sollte auf bestimmte Orte eingegrenzt
werden. Damit wollen wir einen Missbrauch etwa des Brandenburger Tores als
Kulisse für rechtsextremistische Demonstrationen verhindern.