Schon Stunden vor Beginn der offiziellen Demonstration der linksautonomen
“Antifa-Finsterwalde” anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung der
Sängerstadt vom Hitlerfaschismus durch Truppen der Sowjetstreitkräfte,
herrschte in der Stadt der subjektive Eindruck des Ausnahmezustandes. Eine
Überpräsenz von Einsatzkräften der Polizei und des Bundesgrenzschutzes im
Stadtgebiet war unübersehbar.
“Wir rechneten mit 300 bis 400 linksautonomen Demonstranten und deshalb gibt
es hier diesen Auflauf”, so Ines Filohn, Pressesprecherin des
Elbe-Elster-Schutzbereiches, am Rande des Schauplatzes, zwischen Wasserturm
und sowjetischem Ehrenfriedhof.
Auf diese Zahl kam man durch die Art der Kommunikation, denn es wurde nicht
nur über Handzettel zur Demo aufgerufen, sondern auch über verschiedene
Internetplattformen.
Als es dann gegen 14 Uhr losging, lief alles eine Nummer kleiner ab. Sehr
zur Freude der Einsatzkräfte und etwas enttäuschend für die Veranstalter.
Etwa 60 bis 70, vorwiegend in Schwarz gekleidete Demonstranten, standen dann
etwa 100 Polizeibeamten gegenüber. “Das ist alles kein Spaß, wir sind hier
nicht mit so vielen Einsatzkräften präsent, weil wir die Jugendlichen
provozieren wollen, sondern, weil wir sie vor Übergriffen Rechtsradikaler
schützen wollen. Das ist alles präventiv zu sehen”, so Filohn. Und in der
Folge sollte sie auch recht behalten.
“Befreiung feiern — Faschismus bekämpfen”, so das Motto der vorwiegend
jugendlichen Teilnehmer und alle Anwesenden, auch die Polizei, fanden den
Anlass schon “löblich”, die Art und Weise der Durchführung stieß dagegen
teilweise auf Unverständnis.
Keine Vermummung, kein Alkohol, keine Hunde, keine Waffen, selbst im
weitesten Sinne nicht, so die Auflagen der Polizei und daran wurde sich auch
gehalten. Frank Stellmach vom Finsterwalder Ordnungsamt erließ dann noch
weitere Auflagen, die die Veranstalter als “Kleingeisterei” abstempelten. So
sollte eine Versicherung für die Veranstaltung abgeschlossen werden, es
durfte nur ein Transparent gezeigt werden und der sowjetische Ehrenfriedhof,
auf dem man Blumen niederlegen wollte, war absolut tabu. Nicht einmal der
Zaun durfte angefasst oder sich auf die Mauer gesetzt werden.
Die PDS-Landtagsabgeordnete Carolin Steinmetzer hielt die Auflagen des
städtischen Ordnungsamtes für “sehr bedenklich” und auf der anderen Seite
die Aktion der Jugendlichen für “sehr mutig”.
“Es ist schön, dass hier auch Leute aus Berlin und Dresden gekommen sind”,
so Steinmetzer. Was die allerdings mit dem Jahrestag der Befreiung vom
Hiltlerfaschismus in Finsterwalde zu tun haben, darauf gab es keine Antwort.
Als kritikwürdig empfand die junge Abgeordnete den Umstand, dass die
Veranstalter nicht öffentlich “Gesicht zeigten”. So saßen die Redner in
einem abgeklebten und abgedunkelten Transporter, schwarze Kapuzen und große
Sonnenbrillen gehörten zur Standardausstattung.
Die Art und Weise der Durchführung, aus einem Totengedenken ein Happening
mit Tanz und lauter Musik zu machen, fand nicht die ungeteilte Zustimmung
unter Passanten und älteren Demonstrationsteilnehmern, die einfach nur ein
paar Blumen niederlegen wollten und in einer stillen Minute der Opfer
gedenken wollten. Durch die Auflagen des Ordnungsamtes wurde auch ihnen der
Zutritt zum Ehrenfriedhof verwehrt.
Obwohl eine permanente Spannung in der Luft lag, die Veranstaltung verlief
weitestgehend friedlich, wenn auch etwas laut. Kurz vor dem offiziellen
Ende, gegen 16 Uhr, kam plötzlich eine hektische Bewegung unter den
Demonstranten und Einsatzkräften auf. Aus einem Fenster gegenüber dem
Ehrenfriedhof wehte ein übergroßes Plakat mit einem deutlich sichtbaren
Hakenkreuz.
Sofort waren die Polizisten geschlossen am Tatort — aber auch die
Demonstranten, die es nicht an Beschimpfungen fehlen ließen. Der Wind löste
das Problem, wehte das Plakat weg, das sofort von der Polizei gesichert
wurde und die Beamten suchten die Wohnung auf. Was sie dort aber fanden,
waren drei Kinder, ohne Aufsicht, das älteste zwölf Jahre alt. Sofort wurde
das Jugendamt informiert und die Eltern haben nun mit einer ernsthaften
Aussprache bei der Polizei zu rechnen.
“Durch solchen Blödsinn kann eine Lage ganz schnell eskalieren und außer
Kontrolle geraten”, so Sven Bogacz, der Chef des Schutzbereiches Elbe-
Elster, der permanent bei seinen Kollegen vor Ort war. Zum Abschluss der
Demo zog er dann aber ein positives Fazit. “Die Veranstalter haben sich
weitestgehend an unsere Auflagen gehalten, haben in kritischen Situationen
deeskalierend eingewirkt und auch unsere Leute haben einen guten Job
gemacht.”