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Die Demokraten bringen uns den Volkstod?”

In Pots­dam ist sie für die Neon­aziszene nicht mehr weg zu denken, die so genan­nte “Volk­stod­kam­pagne”. Seit mehreren Jahren beschäfti­gen sich ins­beson­dere die “Freie Kräfte Pots­dam” (FKP) mit dem The­ma “Volk­stod” und gestal­ten eine inhaltliche sowie aktion­is­tis­che Kam­pagne damit aus.

Doch was meinen sie damit, wenn sie uns auf Flug­blät­tern, Trans­par­enten, Aufk­le­bern, ihren Inter­net­seit­en und mit Krei­deze­ich­nun­gen immer wieder mit­teilen: “Die Demokrat­en brin­gen uns den Volkstod”?

Wer sind “die[se] Demokrat­en”, wer ist “uns” and who the f**k is “Volk­stod”?

Der Kampf­be­griff “Volk­stod”, der seit eini­gen Jahren zunehmend Ver­bre­itung in der bun­desweit­en Neon­aziszene find­et, beschreibt ein düsteres Endzeit­szenario in dem das “deutsche Volk” im Begriff ist auszuster­ben. Dabei berufen sie sich auf den demographis­chen Wan­del, Migra­tions­the­men, einen ver­meintlichen Wertev­er­fall und die “Volks­ge­mein­schaft”. Let­ztere bildet dabei den zen­tralen und wichtig­sten Bezugspunkt und ist es auch, die als let­zte und einzige Möglichkeit gilt, den dro­hen­den “Volk­stod” abzuwen­den. Die “Volks­ge­mein­schaft” impliziert für die Neon­azis dabei die Vorstel­lung, es gäbe einen organ­is­chen und “ras­sisch” homo­ge­nen “Volk­skör­p­er”. Dieser ist es, der durch den “Volk­stod” bedro­ht wird und den es zu vertei­di­gen gilt.
Auf der im Okto­ber 2010 zusät­zlich für die “Volk­stod­kam­pagne” ein­gerichteten Home­page der “Freie Kräfte Pots­dam” heißt es, “[…] deshalb ist es eben auch die Frage nach dem dro­hen­den Volk­stod, die sich für uns in den Mit­telpunkt unseres Denkens stellt. […] Die Abwen­dung dieses dro­hen­den Volk­stodes allein, muss den vor­läu­fi­gen Kern unser­er poli­tis­chen Arbeit bilden [und] alle anderen poli­tis­chen Felder und The­menge­bi­ete [sind] dieser grundle­gen­den Forderung […] unter[zu]ordnen.”[1]
So lassen sich auch auf ihrer eigentlichen Inter­net­präsenz, dem “Info­por­tal-Pots­dam”, zahlre­iche Texte passend zum apoka­lyp­tis­chen Szenario des “Volk­stod” find­en. In ihnen wird dann weit­er “[d]er Ver­lust von urvölkischen Werten[, der] den Nährbo­den für den Volkstod”[2] bildet beklagt und “die Demokrat­en” als dafür Ver­ant­wortliche benan­nt. Beim genauen lesen wird schnell klar, wer hier eigentlich gemeint ist.
Denn die Kon­struk­tion “der Demokrat­en” funk­tion­iert bei den Neon­azis nur in Bezug­nahme auf eine ange­blich jüdis­che Weltver­schwörung. Diese Grun­dan­nahme ist es, die neben der “Volks­ge­mein­schaft” den Aus­gangspunkt jed­er Kri­tik bildet. Und diese ist es auch, die dann zur Parole “Die Demokrat­en sind unser Unglück”[3] führt, die zum Beispiel auf einem Fly­er der “FKP” vom Novem­ber 2009 zu lesen war. Das klingt doch stark nach der anti­semi­tis­chen Parole “Die Juden sind unser Unglück” oder? Diese Par­al­lele ist genau­so beab­sichtigt wie die anderen anti­semi­tis­chen For­mulierun­gen und Bilder. So ist es neben diesem Beispiele vor allem aber die Art der Argu­men­ta­tion, die den struk­turellen Anti­semitismus der “FKP” offen­bart. So sei die durch den Geburten­rück­gang schrumpfende “deutsche Bevölkerung” ein von “den Demokrat­en” auserko­renes Ziel, welche diese plan­mäßig umset­zen. Daher heißt es fol­glich:
“Wir haben erkan­nt, dass es die Demokrat­en waren, deren jahre­lange Herrschaft uns in den Volk­stod trieb”[4] oder “Willfährige Mar­i­onet­ten […] sitzen seit mehr als 60 Jahren in den Par­la­menten der BRD und lassen sich fürstlich dafür ent­lohnen, dass sie ihr eigenes Volk in seinen Unter­gang regieren.”[5]
Mit Anti­semitismus lässt sich die eigentlich sehr kom­plexe Welt dann eben doch rel­a­tiv leicht erk­lären. Feind­bilder sind damit ein­fach auszu­machen, eine ver­meintliche Alter­na­tive im “Nationalen Sozial­is­mus” ist bere­its gefun­den und die eigene Posi­tion gewin­nt dadurch an Berech­ti­gung und Begründung.

Copy & Paste aus Südbrandenburg?

Der Aus­gangspunkt der “Volk­stod­kam­pagne” war aber nicht in Pots­dam, son­dern im Süden Bran­den­burgs. Hier sind seit spätestens Anfang 2009 die so genan­nten “Spreelichter” aktiv. Dieser Zusam­men­schluss, in dem sich auch Neon­azis der “Freie Kräfte” aus dem Nor­den Sach­sens wiederfind­en, hat seit­dem für einige Neon­azistruk­turen in der Bun­desre­pub­lik Vor­bild­charak­ter. So bedi­enen sich seit einiger Zeit weit­ere Neon­azis aus Bran­den­burg, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Sach­sen, Sach­sen-Anhalt, Thürin­gen und Nor­drhein-West­falen ähn­lich­er oder aber auch der gle­ichen Inhalte, Ästhetik und Aktionsform(en).
So auch die Pots­damer Szene, die seit Mitte 2009 nach und nach die Inhalte und Parolen der “Spreelichter” übern­immt. “Die Demokrat­en brin­gen uns den Volk­stod”, als zen­trale Parole dieser “Volk­stod­kam­pagne”, taucht seit­dem in unzäh­li­gen Tex­ten der “FKP” auf.
Auch an Ver­anstal­tun­gen in Süd­bran­den­burg nehmen Neon­azis aus Pots­dam teil. So bericht­en die “FKP” in mehreren Artikeln auf ihren Home­page, mit Titeln wie: “Bran­den­burgs Kader­schmiede wächst weit­er” oder “Kader­schmiede Bran­den­burg ist im Gange”, von ide­ol­o­gis­chen Schu­lungsver­anstal­tun­gen. Hier­bei wird das elitäre Selb­st­bild dieser Neon­azi­grup­pierun­gen deut­lich. In einem dieser Berichte heißt es dem­nach:
“Nicht jed­er hat das Zeug zum Führungskad­er, man muss den Charak­ter und den unbe­d­ingten Willen zur Aufopfer­ung innehaben. Das Führen von Men­schen muss man beherrschen, eben­falls muss man sich mit sein­er Gefol­gschaft auseinan­der­set­zen und sich nicht nur über sie stellen. Der Führungskad­er hat nicht nur Rechte und Priv­i­legien. Nein, er hat vor allem mehr Pflicht­en! Mit sein­er Per­sön­lichkeit, ste­ht oder fällt die Gruppe. Hat er gewisse Eigen­schaften bzw. Tugen­den nicht, dann kann er niemals eine Gruppe führen, geschweige denn, ein Teil der Gruppe sein!”[6]

Aber auch die Aktions­for­men, welche von den “Spreelichtern” vorgelebt wer­den, bes­tim­men zunehmend den Aktion­is­mus der Pots­damer Neon­azis. So wur­den zum Beispiel Vis­itenkarten für das Sprachrohr der “FKP” – das “Info­por­tal-Pots­dam” – gedruckt und bei Gele­gen­heit verteilt, beziehungsweise bei Aktio­nen hin­ter­lassen. Auch die Art und Weise sich über die Polizei lustig zu machen haben sie eins zu eins von den “Spreelichtern” über­nom­men. So fer­tigten sie eigene Fah­n­dungsplakate von sich an, nach­dem die Polizei gegen sie ermit­telte. Grund dafür war eine Aktion bei der sie sich am Tag der Ober­bürg­er­meis­ter­wahl mit einem Trans­par­ent vor ver­schiede­nen Pots­damer Wahllokalen fotografierten und anti­demokratis­che Het­ze betrieben.
Darüber hin­aus ist in eini­gen Fällen auch eine Zusam­me­nar­beit der “FKP” und der “Spreelichter” zu sehen. So ver­anstal­teten sie bere­its mehrfach zusam­men ein so genan­ntes “Heldenge­denken”. Zulet­zt am 21.11.2010, wo sie auf dem Sol­daten­fried­hof Jüter­bog-Neues Lager mit Fack­eln und Kerzen der deutschen Toten der bei­den Weltkriege gedachten.[7] Davon und auch von anderen Aktio­nen wer­den dann gele­gentlich Audio- oder Videomitschnitte online gestellt, in denen sich das jew­eilige pathetis­che Spek­takel angeschaut, beziehungsweise ange­höhrt wer­den kann. Dabei sind dann je nach Anlass zwis­chen 40 und 80 Neon­azis anwesend.

Einige mehr waren es hinge­gen am 01.05.2010. Hier marschierten ca. 400 Neon­azis bei ein­er von den “Spreelichtern” im Namen der “AG Wir wollen leben” organ­isierten Demon­stra­tion in Hoy­er­swer­da. Mit dabei waren auch wieder einige Neon­azis der “FKP” wie zum Beispiel Daniel Hintze, Thomas P. oder Carsten S. Wobei die bei­den let­zteren im mit­tler­weile für die “Spreelichter” typ­is­chen Sensen­mann-Kostüm auf­trat­en und Hintze eine schwarze Pots­dam Fahne trug.

Volk­stod” – und jetzt?

Abschließend ist zu sagen, dass die völkische Frak­tion inner­halb der Pots­damer Neon­azi-Szene stark an Ein­fluss gewon­nen hat. Dies lässt sich sowohl durch Mar­cel Gus­es Aktiv­itäten für die NPD aber vor allem durch die inhaltliche Neuaus­rich­tung der “FKP” seit Mitte 2009 beobacht
en.
Diese an den “Spreelichtern” ori­en­tierte Aus­rich­tung ist jedoch keine rein inhaltliche son­dern zeigt sich vere­inzelt auch durch einem Habi­tus der sich an Klei­dung und Frisuren sowie dem Auftreten und der Sprache der Pots­damer Neon­azis able­sen lässt. Inwieweit sie mit diesem elitären und zumin­d­est ver­bal kom­pro­miss­losen Auftreten auf Wider­stände inner­halb der doch sehr sub­kul­turell geprägten Szene stoßen wer­den, bleibt ab zu warten. Denn das Poten­tial hin­sichtlich ein­er Spal­tung mit den “Autonomen Nationalist_innen” oder anderen Teilen der Szene brin­gen diese völkischen Freaks alle mal mit. Auch bleibt abzuwarten, ob das hohe Selb­st­be­wusst­sein und die gute Ver­net­zung der Pots­damer Neon­azis auch zu ein­er ver­gle­ich­baren Inten­sität der Gewalt, wie sie derzeit in Süd­bran­den­burg zu beobacht­en ist, führt. Anze­ichen dafür sind, mit einem Blick auf die aktuelle Sit­u­a­tion zum Beispiel im Stadt­teil Wald­stadt, ger­ade deut­lich zu sehen.

Fußnoten und Bildquellen:
[1] „FKP“ hxxp://www.infoportal-potsdam.net/kampagne.html
[2] „FKP“ hxxp://infoportal-potsdam.net/ak116.html
[3] „FKP“ hxxp://infoportal-potsdam.net/ab5.html
[4] „FKP“ hxxp://www.infoportal-potsdam.net/kampagne.html
[5] „FKP“ hxxp://infoportal-potsdam.net/ak123.html
[6] „FKP“ hxxp://infoportal-potsdam.net/ak27.html
[7] „FKP“ hxxp://inforiot.de/artikel/chronik-neonazistischer-aktivitaeten-potsdam-umgebung

Bild 1: hxxp://infoportal-potsdam.net/picture/kampagne03.jpg
Bild 2: hxxp://infoportal-potsdam.net/kampagne.html
Bild 3: hxxp://infoportal-potsdam.net/ab16.html
Bild 4: hxxp://infoportal-potsdam.net/au2.html und hxxp://www.spreelichter.info/medien/327/bilder/heldengedenken09_006.jpg

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