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Die Demokratie läuft nicht weg”

Stüh­le rück­en war gestern ange­sagt in der Aula des Cot­tbuser Oberstu
fen­zen­trums I (OSZ). Doch obwohl die rund 120 Holzsitze vor allem mit jungen
Leuten beset­zt waren und obwohl sich am Rand noch welche dazustell­ten, lag
über dem Saal eine ges­pan­nte Stille. Vielle­icht deshalb, weil
OSZ-Schulleit­er Fritz-Rudolf Holaschke ein Auge auf seine Schüt­zlinge hatte.
Vielle­icht lag es auch am promi­nen­ten Besuch, denn auf dem Podi­um saß der
SPD-Parte­ichef Franz Mün­te­fer­ing. Vielle­icht lag es aber auch daran, dass
die Ver­anstal­tung zum «Tag der Demokratie und gegen Recht­sradikalis­mus» auch
einige glatzköp­fige Vertreter der recht­en Szene ange­lockt hatte. 

«Ja, eure Aktio­nen sind lächer­lich. Demokratie ist lächer­lich.» Mit diesen
marki­gen Parolen machte gestern in der Aula des OSZ ein junger, ebenso
markiger Mann auf sich und «seine Sache» aufmerk­sam. Kräftig gebaut, in
weit­en Jeans, mit oblig­a­torisch­er Stop­pel­haar­frisur, durch die sich auch
seine neben ihm sitzen­den Fre­unde ausze­ich­nen, stand er da und son­nte sich
in der Aufmerk­samkeit des Augen­blicks. «Genau» , nick­te ein weit­er­er, auf
dessen T‑Shirt die Auf­schrift «Schön­er leben mit Nazi-Läden — Kam­pagne gegen
Antifa» und weit­ere schlichte Nazi-Parolen prangten. Doch der «Tri­umph» der
jun­gen Vertreter der recht­en Szene währte nur kurz, eine gespen­stis­che Pause
nur, ein Luft­holen lang. «Gegen Intol­er­anz darf man nicht tol­er­ant sein» ,
kon­terte der Parte­ichef der Sozialdemokrat­en, Franz Mün­te­fer­ing, mit
kräftiger Stimme und dem rol­len­den «R» eines Sauer­län­ders. «Sie wer­den keine
Chance haben in Deutsch­land, da bin ich ganz sich­er» , set­zte Müntefering
hinterher. 

Sein beherrschter Aus­bruch wurde belohnt. In die Hände klatscht­en nicht nur
Schüler, Lehrer, die anwe­senden Poli­tik­er von der Cottbuser
SPD-Land­tagsab­ge­ord­neten Mar­ti­na Münch bis hin zum Ex-Bil­dungsmin­is­ter des
Lan­des Bran­den­burg, Stef­fen Reiche (SPD), der Direk­tor des Cottbuser
Amts­gerichts, Wolf­gang Rupieper, son­dern auch ein Großteil der son­st so
betont zurück­hal­tenden Jour­nal­is­ten. Sich nach der Ver­anstal­tung den
Pres­sev­ertretern oder Mün­te­fer­ing selb­st zu stellen, über ihre angeblich
«zeit­gemäße, aber nicht radikale Mei­n­ung» Auge in Auge zu debat­tieren, das
traut­en sich die jun­gen Szene-Mit­glieder dann doch nicht. Nein, seinen Namen
werde er nicht sagen, sagte der junge Mann im schwarzen Nazi-Shirt. Nein,
auch ob er in ein­er Kam­er­ad­schaft sei, wolle er nicht sagen. Ein Kumpel von
ihm ver­suchte, den Kam­eras auszuwe­ichen und hielt sich dafür ausgerechnet
die SPD-Broschüre «Wirk­sam han­deln gegen Rechts» vor sein Gesicht. «Münte» ,
wie ihn die Schüler gestern fast kumpel­haft nan­nten, hat es sich­er gefreut -
schließlich ist der zweitwichtig­ste Mann der SPD zurzeit im Herzen ein
Wahlkämpfer, auch wenn er den gestri­gen Aktion­stag, den Besuch in Cottbus,
aus­drück­lich nicht als Wahlver­anstal­tung deklar­i­erte. Als Wahlkämpfer wird
er am 5. Sep­tem­ber in Cot­tbus auftreten. 

Prob­leme noch nicht gelöst 

«Münte» war extra ins ferne Süd­bran­den­burg gereist, dor­thin, wo das «Prob­lem
mit den Recht­en» noch lange «nicht gelöst» sei. «Eine klare Lin­ie zeigen» ,
das sei die Strate­gie, erk­lärte der SPD-Chef. Man dürfe das The­ma nicht
totschweigen, «die Demokratie läuft nicht weg» , sagte Mün­te­fer­ing. Auch und
vor allem vor dem The­ma Recht­sradikalis­mus sei Weglaufen nicht der richtige
Weg. Im Gegen­teil, man müsse disku­tieren, denn «es fängt immer in den Köpfen
an» , so Müntefering. 

In den Köpfen der gut 100 Cot­tbuser Schüler, die zu der Diskussionsrunde
gekom­men waren, ist das The­ma Recht­sex­trem­is­mus längst angekom­men. Viel zu
früh müsse man sich entschei­den, wie man mit dem Prob­lem umge­he. «Es wird
auch immer schlim­mer mit den Recht­en» , fügte ein Mitschüler hinzu. Eine
weit­ere Schü­lerin befürchtet, dass es in der Schule für ein Ein­greifen schon
«zu spät, viel zu spät» sei. Doch ob zu spät oder noch rechtzeit­ig, wichtig
sei über­haupt, sich auf die Seite der Min­der­heit­en zu stellen, widersprach
Müntefering. 

Engagierte Schüler 

Dass die Schüler genau das tun, sich offen­siv wehren, zeigt die Palette der
Aktio­nen, die sie gestern dem SPD-Chef präsen­tieren kon­nten. Mit diversen
Aktio­nen, vom Vide­ofilm als Beitrag zu einem Wet­tbe­werb unter dem Motto
«Zeig Mut» , über ein län­derüber­greifend­es Schul­club-Pro­jekt namens Klub-net
bis hin zu einem Besuch im Jüdis­chen Muse­um. Die Schüler des OSZ seien
«beein­druck­end» in ihrem Engage­ment gegen Rechts, lobt Mün­te­fer­ing. Sie
wollen «immer wieder auch in Zukun­ft auch ein Zeichen gegen Rechts setzen» ,
sagt Oliv­er, Chef des OSZ-Jugend­clubs. Und Mün­te­fer­ing will die Schüler eben
darin «ermuti­gen» . Diese Arbeit, die laut Mün­te­fer­ing vor allem in
Bran­den­burg und Sach­sen wichtig sei, dränge sehr. Denn die Szene bereite
sich «gezielt offen­sichtlich sys­tem­a­tisch vor auf das, was da kommt» , so
Mün­te­fer­ing. Und wie, um die Dringlichkeit seines Anliegens zu
unter­stre­ichen, brach der SPD-Chef auch nach gut ein­er Stunde schon wieder
auf — zur näch­sten Aktion gegen Rechts, dies­mal in Dresden.

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