(Mathias Hamann, Tagesspiegel) Potsdam — Eine Ausstellung zu machen, kostet normalerweise 150 000 Euro, braucht drei Jahre zur Planung und Profis für die Abwicklung. Elke-Vera Kotowski ist Geschäftsführerin des Moses-Mendelsohn-Zentrums der Universität Potsdam, sie hatte nur 30 000 Euro, neun Monate und ein Gruppe Studenten. Und organisierte im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im Potsdamer Kutschstall eine Ausstellung über die französische Dreyfus-Affäre vom Ende des 19. Jahrhunderts.
Der französische Hauptmann Alfred Dreyfus war Jude, er wurde – zu Unrecht – der Spionage für das Deutsche Reich verdächtigt und 1894 in einer Atmosphäre des offenen Antisemitismus in Militär, Justiz, Teilen der Kirche und der Öffentlichkeit zu lebenslanger Verbannung verurteilt. Am 13. Januar 1898 erscheint dann in der Literatur-Zeitschrift „L´Aurore“ der berühmte offene Brief des Schriftstellers Emile Zola: „J´Accuse“ (Ich klage an). Zola beschuldigt Justiz und Militär, einen Skandal zu vertuschen. Es setzt eine heftige Debatte ein, der Prozess gegen Dreyfus wird wieder aufgenommen. Das ganze Land ist tief gespalten, in Dreyfus-Gegner und Unterstützer. Am Ende wird er freigesprochen.
Natürlich ist auch eine Originalausgabe des „ J´Accuse“ zu sehen, neben Dokumenten, Uniformen und viele Karikaturen aus Zeitungen und Magazinen. Die meisten der 231 Stücke stammen aus dem Besitz von Lorraine Beitler, einer amerikanischen Erziehungswissenschaftlerin, die seit 30 Jahren zur Dreyfus-Affäre sammelt. Sie ist überzeugt, dass „diese Affäre kein Einzelfall ist, sondern ein Denkmuster spiegelt“ , dass also ein solches Unrecht jederzeit wieder geschehen kann. Das soll auch die Ausstellung zeigen, und so war Beitlers Sammlung schon in Paris oder Auschwitz zu sehen; und sie wollte sie auch gern in Deutschland zeigen.
Als Elke-Vera Kotowski vom Mendelsohn-Zentrum davon hörte, war sie begeistert. Im Oktober 2004 bot sie eine Lehrveranstaltung an: „Die Dreyfus-Affäre, ein Ausstellungsprojekt.“ Zwölf Studenten fanden sich zusammen, sogar in den Semesterferien arbeiteten sie an dem Projekt – und ergänzten die Schau auf eigene Kosten: Im Internet ersteigerten sie zum Beispiel das Filmplakat zum Dreyfus-Film von 1930, mit Heinrich George als Emile Zola. Gestern Abend sollte die Ausstellung eröffnet werden – pünktlich zum 70. Todestag von Alfred Dreyfus.
Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9, Potsdam. Bis 19. August, täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr. Eintritt frei. Anschließend wird die Ausstellung in Berlin zu sehen sein. Anmeldung für kostenlose Führungen unter Tel. 0331/28094–0. Weitere Informationen im Internet unter www.hbpg.de