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Die Freie Heide: Ein Überblick

Stre­it um Bombodrom-Schilder 

Anwälte dro­hen der Bun­deswehr mit Zwans­geld und Ordnungshaft

POTSDAM/BERLIN Sie ste­hen im Abstand von mehreren Hun­dert Metern an der umstrit­te­nen Kyritz-Rup­pin­er Hei­de: Auf großen Schildern warnt die Bun­deswehr vor dem Betreten ihres Trup­penübungsplatzes. Schlag­bäume sper­ren Wald­wege und Zufahrten. Bom­bo­drom-Geg­n­ern ist dies schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Bish­er hat­te die Bun­deswehr den Abbau der Schilder kat­e­gorisch abgelehnt. 

Doch mit dem Wider­stand ist es wohl bald vor­bei. Das Bran­den­burg­er Oberver­wal­tungs­gericht (OVG) in Frank­furt (Oder) hat am 27. Dezem­ber auf Antrag der Orte Rossow und Schwein­rich (Ost­prig­nitz-Rup­pin) dem Bund Zwangs­gelder ange­dro­ht, falls er Schilder mit der Beze­ich­nung “Trup­penübungsplatz” auf­stelle. Die Richter sahen darin einen Ver­stoß gegen vorherige Gericht­surteile. Im Novem­ber 2000 hat­te das Bun­desver­wal­tungs­gericht in Berlin nach jahre­langem Rechtsstre­it den Stre­itkräften unter­sagt, die Kyritz-Rup­pin­er Hei­de mil­itärisch zu nutzen, ohne vorher die Anliegerge­mein­den aus­re­ichend ange­hört zu haben. Das OVG gab der Bun­deswehr drei Wochen Zeit, den Schilder­wald zu lichten. 

Der Anwalt der kla­gen­den Gemein­den, Rein­er Geulen, verkürzte diese Frist auf den 31. Dezem­ber, 12 Uhr. Bis dahin müssten alle Absper­run­gen rest­los beseit­igt sein, dro­hte Geulen. Anson­sten werde er unverzüglich Zwangs­maß­nah­men gegen die ver­ant­wortlichen Mitar­beit­er des Vertei­di­gungsmin­is­ters beantragen. 

Die Dro­hung blieb bish­er erfol­g­los. Bei ihrem alljährlichen Protest­marsch wur­den die Mit­glieder der Bürg­erini­tia­tive Freie Hei­de am 1. Jan­u­ar von den Übungsplatz-Schildern begrüßt. “Wir haben demon­stra­tiv einige Schilder mit Tüten ver­hängt”, berichtet der Sprech­er der Bürg­erini­tia­tive Benedikt Schirge. Allerd­ings eben­falls ohne Erfolg: “Armeeange­hörige haben die kurz darauf wieder runtergerissen.” 

Wenig Effek­te sieht der Züh­len­er Pfar­rer auch bei der Anhörung, die die Bun­deswehr derzeit bei den Gemein­den durch­führt. “Die Unter­la­gen sind so dürftig, dass man darauf nur schw­er etwas erwidern kann.” Er gehe davon aus, dass es wieder zu einem langjähri­gen Klageweg durch die Instanzen komme, so Schirge. Seine einzige Hoff­nung: Ein Grup­penantrag von rund 60 SPD- und Grü­nen-Abge­ord­neten im Bun­destag, in dem sie sich für eine zivile Nutzung des Bom­bo­droms ein­set­zen. “Das würde alles verkürzen.” 

Die Berlin­er Anwälte haben inzwis­chen beschlossen, der Bun­deswehr die drei­wöchige Frist des Gerichts zu gewähren, sagt Geu­lens Part­ner Remo Klinger. Ver­stre­iche die Frist, werde das Gericht ein Zwangs­geld in Höhe von rund 1000 Euro ver­hän­gen. “Das kann bis zu 250 000 Euro gesteigert wer­den.” Let­ztes Mit­tel wäre die Ver­hän­gung ein­er Ord­nung­shaft gegen den ober­sten Dien­s­ther­rn der Bun­deswehr: Vertei­di­gungsmin­is­ter Rudolf Scharp­ing (SPD).

Der Bund habe keine Möglichkeit, Rechtsmit­tel gegen das OVG-Urteil einzule­gen, ver­sichert Klinger. “Das Gebi­et rund um den Dranser See kön­nte man sofort fÜr die Offentlichkeit freigeben — das ist nicht munitionsbelastet.” 

Die beklagte Bun­deswehr hält sich bish­er bedeckt. In ein­er ersten Reak­tion hat­te der Kom­man­dant des Witt­stock­er Trup­penübungsplatzes, Wolf­gang Engel, erk­lärt, der Beschluss sei “unver­ständlich”. Im Übri­gen habe die Bun­deswehr dafür kein Geld. 

Unter­stützung bekom­men die Bom­bo­drom-Geg­n­er mit­tler­weile sog­ar aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern. Am let­zten Protest­marsch beteiligte sich auch der Bürg­er­meis­ter von Mirow. “Wir sind mas­siv bedro­ht — unser Ort liegt direkt in der Ein­flugschneise des geplanten Übungsplatzes”, erk­lärt Nor­bert Pape. “Unsere Region lebt vom Touris­mus — wenn Tief­flieger in 300 Meter Höhe rüber­ballern, kön­nen wir hier alles dichtmachen.” 

Bom­bo­drom-Chronik

Der Kampf um die Kyritz-Rup­pin­er Hei­de dauert neun Jahre: Seit 1992 ver­suchen Anwohn­er zu ver­hin­dern, dass die Bun­deswehr dort Manöver abhält. Der Kon­flikt um das 14 000-Hek­tar-Are­al begin­nt bere­its nach dem Zweit­en Weltkrieg: 

1946/47: Beset­zung durch die Sowjetarmee. 

1952/53: Erste Mil­itärübun­gen der Sow­jets. Bis zu 25 000 Mal im Jahr wer­den Bomben­ab­würfe im Tief­flug geübt. 

1992: Grün­dung der Bürg­erini­tia­tive “Freie Hei­de”, die sich für eine zivile Nutzung des Gelän­des einsetzt. 

1993: Abzug der rus­sis­chen Trup­pen. Die CDU/FDP-Bun­desregierung beschließt die Militärnutzung. 

1994: Kan­zlerkan­di­dat Rudolf Scharp­ing (SPD) ver­spricht den Verzicht auf die Mil­itär­nutzung im Fall seines Wahlsieges. 

1998: Scharp­ing wird Bun­desvertei­di­gungsmin­is­ter — an der Nutzung des Bom­bo­droms ändert sich nichts. 

2000: Das Bun­desver­wal­tungs­gericht unter­sagt der Bun­deswehr, dass Gelände ohne aus­re­ichende Anhörung der Gemein­den zu nutzen. Die Anhörung läuft bis zum 25. Januar.

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