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Die Freiheit, rassistisch zu sein

INFORIOT Bald geht es für Bran­den­burgs Innen­min­is­ter in den Ruh­e­s­tand. Nach den Land­tagswahlen im Sep­tem­ber zieht sich der CDU-Recht­saußen Jörg Schön­bohm erk­lärter­maßen auf das Altenteil zurück. Poli­tisch gibt es für den Ex-Gen­er­al also nicht mehr viel zu ver­lieren. Wen wun­dert es da, dass Schön­bohm aus­gerech­net jet­zt mit einem Pam­phlet an die Öffentlichkeit tritt, das um deut­liche Worte nicht ver­legen ist: “Poli­tis­che Kor­rek­theit — Das Schlacht­feld der Tugend­wächter” ist die gut 60-seit­ige Schrift betitelt, die vor weni­gen Wochen erschien.

Das Buch würde, so urteilt die ultra­rechte “Junge Frei­heit”, “Dämon­isierung und Stig­ma­tisierung von Ander­s­denk­enden” ange­hen, welche durch über­triebene “poli­tis­che Kor­rek­theit” (PC) her­vor­rufen würde. Die neurechte Wochen­zeitung ist so begeis­tert, dass sie die Schön­bohm-Schrift sogle­ich in ihren Buchver­trieb aufgenom­men hat. Auch das Inter­net­por­tal “Bibel-wissen.de” (“Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben”) freut sich, dass der “gemäßigt-kon­ser­v­a­tive” Schön­bohm so mutig sei, die gegen­wär­tige “Sprach­normierung” endlich ein­mal anzugreifen.

Worum geht es tat­säch­lich? Schön­bohm wet­tert gegen Kri­tik, die aus­gren­zende Sprache ins Visi­er nimmt. Vorge­bliche “polit­i­cal cor­rect­ness” würde die Mei­n­ungs­frei­heit in Deutsch­land gefährden. Das The­ma ist seit Jahren schon Objekt von Tiraden aus der extremen und kon­ser­v­a­tiv­en Recht­en. Bere­its 1996 wurde von antifaschis­tis­chen Wis­senschaftler darauf aus­führlich einge­gan­gen. Zum Kom­plex hat Schön­bohm kein Iota Neues beizu­tra­gen. Er erge­ht sich in Wieder­hol­un­gen der neurechts-recht­sex­trem-kon­ser­v­a­tiv­en Stan­dards. 1994 (!) schrieb etwa die ein­deutig recht­sex­treme Zeitschrift “Nation und Europa” (Heft 7/8, S. 6ff) über “polit­i­cal cor­rect­ness” als ein­er “neuen Zen­sur” (S. 6) wie im “Orwellschen ‘1984’ ” (S. 6), von “tabuisierten The­men” (S. 8) und von “link­er PC-Inqui­si­tion” (S. 8). Schön­bohm in 2009 schreibt von “Kor­rek­theit­szen­sur” (S. 20) wie bei Orwell (S. 35), “neuen Sprachtabus” (S. 21) und “PC-Inqui­si­tion” (S. 6). Mit langem Anlauf wächst zusam­men, was zusam­men gehört.

Schön­bohm schimpft: “Es gibt keine Zen­sur mehr — Gott sei Dank! Aber es gibt den Auf­s­tand der Anständi­gen — Gott sei’s geklagt. Was wir momen­tan erleben, ist ein Amok­lauf der Poli­tis­chen Kor­rek­theit. In allen Bere­ichen infizieren uns die Gut­men­schen mit dem Betrof­fen­heitsvirus, normieren die Sprache und bes­tim­men unsere Lebensgewohnheiten.”

Was genau damit gemeint ist? Wenn Wörter wie “Neger” für ihre ras­sis­tis­che Bedeu­tung kri­tisiert wer­den, sieht Schön­bohm die Mei­n­ungs­frei­heit in Gefahr. “Dabei ist der Wor­tur­sprung eigentlich denkbar harm­los”, so der CDUler. Es stamme vom lateinis­chen “niger” und das bedeute nichts weit­er als schwarz. Dass darin notwendig der Ver­weis auf eine “negride Rasse” inbe­grif­f­en ist, erwäh­nt er nicht. Eigentlich ver­wun­der­lich, denn die Rede von ange­blichen men­schlichen Rassen sei aus Schön­bohms Sicht mit­nicht­en ras­sis­tisch. Er klagt: “ ‘Rasse’ zählt [..] zu jenen Wörtern, die in uns sofort einen Polit­i­cal-Cor­rect­ness-Reflex auslösen.”

Weit­er: “Poli­tis­che Kor­rek­theit führt dazu, daß wir unsere eigene Iden­tität aufgeben.” Welche Iden­tität ist gemeint? Die stammtisch-ras­sis­tis­che Iden­tität, die endlich, endlich wieder von “Rasse” und “Neger” reden und damit die Dinge beim Namen nen­nen darf? Genau die: “Wie oft habe ich es erlebt, daß jemand zu mir kam und sagte: ‘Sie haben ja recht, aber müssen Sie das unbe­d­ingt in aller Öffentlichkeit sagen?’ ”, berichtet Schön­bohm. Und hat so auch gle­ich die Zauber­formel gefun­den, um den bun­des­deutschen Recht­sex­trem­is­mus zu erk­lären: “Daß Recht­sex­treme in solch einem Kli­ma an Boden gewin­nen, liegt auf der Hand. Sie geben vor, die ver­meintlichen Tabus zu brechen, und schaf­fen es auf diese Weise, daß sich ein Teil der Wäh­ler nur noch von ihnen ver­standen fühlt. Nach dem Mot­to: Endlich sagt mal ein­er die Wahrheit.” Noch ein­mal in Zeitlupe: Schön­bohm sagt, dass diejeni­gen Leute an Recht­sex­trem­is­mus und Ras­sis­mus schuld hät­ten, die Recht­sex­trem­is­mus und Ras­sis­mus kri­tisieren. Denn dadurch füh­le sich der deutsche Michel auf den Schlips getreten und würde durch diesen PC-Tugendter­ror genötigt, DVU oder NPD zu wählen.

Ende des Jahres soll übri­gens wom­öglich ein weit­eres Buch von Schön­bohm erscheinen.

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