(Tagesspiegel, 14.2.) In dieser Woche konstituiert sich die brandenburgische Härtefallkommission.
Sie kann aus humanitären Gründen ein Bleiberecht für Ausländer empfehlen
Potsdam — Keine Therapie hat die Bilder vertreiben können, die Ania (Name
geändert) nachts heimsuchen. Vor zehn Jahren musste sie mit ansehen, wie ihr
Bruder erschossen wurde. Mit Kind und Mann ist Ania damals geflohen — weg
aus Bosnien, wo Nachbarn zu Mördern wurden. In einer märkischen Stadt fand
die Familie neue Freunde. Die zweite Tochter wurde geboren, die Kinder sind
heute acht und zwölf Jahre alt. Bosnien kennen sie nicht. Weil
Kriegsflüchtlinge kein Asyl erhielten, wurde die Duldung immer wieder
verlängert. Anias Mann darf kein Geld verdienen, obwohl er eine
Arbeitsplatzzusage hat.
Maurice (Name geändert) demonstrierte 1993 mit anderen Studenten in Togo
gegen die Militärdiktatur. Als ein Freund nach dem anderen verschwand, floh
der 22-Jährige nach Deutschland. Die Teilnahme an einer Demonstration, die
ihn bei einer Rückkehr das Leben kosten könnte, reichte hier nicht aus, um
politisches Asyl zu erhalten. Vor fünf Jahren wurde Maurice von mehreren
rechten Schlägern attackiert und schwer verletzt.
Ania und Maurice sind zwei Beispiele für Menschen, die in Brandenburg
integriert sind, aber rechtlich gesehen nicht bleiben dürfen. Jetzt hoffen
sie auf die Härtefallkommission, die das Land im Zuge des neuen
Zuwanderungsgesetzes am Freitag einrichten will. Sie kann aus humanitären
Gründen das Bleiberecht für bestimmte Ausländer empfehlen, auch wenn die
rechtlichen Wege ausgeschöpft sind. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatte
sich lange gegen eine solche Kommission gewehrt, die es in Berlin schon seit
1990 gibt und die auch der Koalitionspartner SPD forderte. Nach der
Landtagswahl gab er nach.
Die Kommission setzt sich aus acht Mitgliedern zusammen: Evangelische und
Katholische Kirche, Flüchtlingsrat, Wohlfahrtspflege, Städte- und
Gemeindebund, Landkreistag, Innen- und Sozialministerium entsenden je einen
Vertreter. Verstimmung rief hervor, dass Brandenburgs Ausländerbeauftragte
Almuth Berger zwar Mitglied ist, aber kein Stimmrecht hat. In Berlin, sagen
viele, wäre so etwas undenkbar. Nach Tagesspiegel-Informationen
intervenierte Ministerpräsident Platzeck (SPD) deshalb kürzlich noch einmal
bei Schönbohm. Doch der blieb hart. Die Härtefallkommission ist dem
Innenministerium unterstellt, sie kann nur Vorschläge unterbreiten, die
Entscheidung trifft letztlich Schönbohm. Deshalb finden es manche
bedenklich, dass das Ministerium einen Vertreter in die Kommission
entsendet. Damit ein Fall überhaupt angenommen wird, bedarf es der
Zwei-Drittel-Mehrheit. Für andere Beschlüsse genügt die einfache Mehrheit.
Es gibt aber noch härtere Kritik am festgelegten Verfahren. So sollen
Flüchtlinge, die zur Fahndung ausgeschrieben sind, von der Prüfung durch die
Kommission ausgeschlossen werden. Zur Fahndung ausgeschrieben werden aber
nicht etwa nur Kriminelle, sondern alle Asylbewerber, die sich der
Abschiebung entziehen, in dem sie nicht mehr zur Ausländerbehörde gehen.
Auch Flüchtlinge im Kirchenasyl hätten keine Chance. “Absurd”, nennt Traudel
Vorbrodt, die seit 15 Jahren für die Berliner Härtefallkommission arbeitet,
diese Regelung. “So etwas gibt es weder in Berlin noch in einem anderen
Bundesland”, sagt sie. Noch problematischer sei, dass die Kommission keine
Anträge von Flüchtlingen annehmen dürfe, für die der Abschiebe-Termin
bereits feststehe. Die Ausländerbeauftragte Almuth Berger sieht das ähnlich.
“Wenn wir feststellen, dass dadurch tatsächlich viele Härtefälle nicht
behandelt werden können, müssen wir uns für Nachbesserungen stark machen.”
Helmuth Friske, Pfarrer im Ruhestand, wird deutlicher: “Sollte sich
herausstellen, dass die Härtefallkommission eine Farce ist, werden wir uns
wehren”, sagt er und meint den Kirchenkreis und viele Bürger von
Altlandsberg, die sich seit Jahren für die vietnamesische Familie Nguyen
einsetzen. Sie wurde im Jahr 2000 bundesweit bekannt, als der Vater und der
Sohn getrennt von der damals schwangeren Mutter abgeschoben werden sollten.
Um das zu verhindern, erhielten sie mehrere Monate Kirchenasyl der
evangelischen Gemeinde Dolgelin. Seither ist die Duldung immer wieder
verlängert worden — zuletzt bis März.
Wie Maurice aus Togo und Ania aus Bosnien hoffen auch die Ngyuens, dass ihr
Fall einer der ersten sein wird, den die neue Härtefallkommission behandelt.