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Die große Hoffnung auf eine letzte Chance

(San­dra Dassler, Tagesspiegel vom 14.2.05) Pots­dam – Keine Ther­a­pie hat die Bilder vertreiben kön­nen, die Ania (Name geän­dert) nachts heim­suchen. Vor zehn Jahren musste sie mit anse­hen, wie ihr Brud­er erschossen wurde. Mit Kind und Mann ist Ania damals geflo­hen – weg aus Bosnien, wo Nach­barn zu Mördern wur­den. In ein­er märkischen Stadt fand die Fam­i­lie neue Fre­unde. Die zweite Tochter wurde geboren, die Kinder sind heute acht und zwölf Jahre alt. Bosnien ken­nen sie nicht. Weil Kriegs­flüchtlinge kein Asyl erhiel­ten, wurde die Dul­dung immer wieder ver­längert. Anias Mann darf kein Geld ver­di­enen, obwohl er eine Arbeit­splatz­zusage hat. 

Mau­rice (Name geän­dert) demon­stri­erte 1993 mit anderen Stu­den­ten in Togo gegen die Mil­itärdik­tatur. Als ein Fre­und nach dem anderen ver­schwand, floh der 22-Jährige nach Deutsch­land. Die Teil­nahme an ein­er Demon­stra­tion, die ihn bei ein­er Rück­kehr das Leben kosten kön­nte, reichte hier nicht aus, um poli­tis­ches Asyl zu erhal­ten. Vor fünf Jahren wurde Mau­rice von mehreren recht­en Schlägern attack­iert und schw­er verletzt. 

Ania und Mau­rice sind zwei Beispiele für Men­schen, die in Bran­den­burg inte­gri­ert sind, aber rechtlich gese­hen nicht bleiben dür­fen. Jet­zt hof­fen sie auf die Härte­fal­lkom­mis­sion, die das Land im Zuge des neuen Zuwan­derungs­ge­set­zes am Fre­itag ein­richt­en will. Sie kann aus human­itären Grün­den das Bleiberecht für bes­timmte Aus­län­der empfehlen, auch wenn die rechtlichen Wege aus­geschöpft sind. Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) hat­te sich lange gegen eine solche Kom­mis­sion gewehrt, die es in Berlin schon seit 1990 gibt und die auch der Koali­tion­spart­ner SPD forderte. Nach der Land­tagswahl gab er nach. 

Die Kom­mis­sion set­zt sich aus acht Mit­gliedern zusam­men: Evan­ge­lis­che und Katholis­che Kirche, Flüchtlingsrat, Wohlfahrt­spflege, Städte- und Gemein­de­bund, Land­kreistag, Innen- und Sozialmin­is­teri­um entsenden je einen Vertreter. Ver­stim­mung rief her­vor, dass Bran­den­burgs Aus­län­der­beauf­tragte Almuth Berg­er zwar Mit­glied ist, aber kein Stimm­recht hat. In Berlin, sagen viele, wäre so etwas undenkbar. Nach Tagesspiegel-Infor­ma­tio­nen inter­ve­nierte Min­is­ter­präsi­dent Platzeck (SPD) deshalb kür­zlich noch ein­mal bei Schön­bohm. Doch der blieb hart. Die Härte­fal­lkom­mis­sion ist dem Innen­min­is­teri­um unter­stellt, sie kann nur Vorschläge unter­bre­it­en, die Entschei­dung trifft let­ztlich Schön­bohm. Deshalb find­en es manche beden­klich, dass das Min­is­teri­um einen Vertreter in die Kom­mis­sion entsendet. Damit ein Fall über­haupt angenom­men wird, bedarf es der Zwei-Drit­tel-Mehrheit. Für andere Beschlüsse genügt die ein­fache Mehrheit. 

Es gibt aber noch härtere Kri­tik am fest­gelegten Ver­fahren. So sollen Flüchtlinge, die zur Fah­n­dung aus­geschrieben sind, von der Prü­fung durch die Kom­mis­sion aus­geschlossen wer­den. Zur Fah­n­dung aus­geschrieben wer­den aber nicht etwa nur Krim­inelle, son­dern alle Asyl­be­wer­ber, die sich der Abschiebung entziehen, in dem sie nicht mehr zur Aus­län­der­be­hörde gehen. Auch Flüchtlinge im Kirchenasyl hät­ten keine Chance. “Absurd”, nen­nt Traudel Vor­brodt, die seit 15 Jahren für die Berlin­er Härte­fal­lkom­mis­sion arbeit­et, diese Regelung. “So etwas gibt es wed­er in Berlin noch in einem anderen Bun­des­land”, sagt sie. Noch prob­lema­tis­ch­er sei, dass die Kom­mis­sion keine Anträge von Flüchtlin­gen annehmen dürfe, für die der Abschiebe-Ter­min bere­its fest­ste­he. Die Aus­län­der­beauf­tragte Almuth Berg­er sieht das ähn­lich. “Wenn wir fest­stellen, dass dadurch tat­säch­lich viele Härte­fälle nicht behan­delt wer­den kön­nen, müssen wir uns für Nachbesserun­gen stark machen.” 

Hel­muth Friske, Pfar­rer im Ruh­e­s­tand, wird deut­lich­er: “Sollte sich her­ausstellen, dass die Härte­fal­lkom­mis­sion eine Farce ist, wer­den wir uns wehren”, sagt er und meint den Kirchenkreis und viele Bürg­er von Alt­lands­berg, die sich seit Jahren für die viet­name­sis­che Fam­i­lie Nguyen ein­set­zen. Sie wurde im Jahr 2000 bun­desweit bekan­nt, als der Vater und der Sohn getren­nt von der damals schwan­geren Mut­ter abgeschoben wer­den soll­ten. Um das zu ver­hin­dern, erhiel­ten sie mehrere Monate Kirchenasyl der evan­ge­lis­chen Gemeinde Dol­gelin. Sei­ther ist die Dul­dung immer wieder ver­längert wor­den – zulet­zt bis März. 

Wie Mau­rice aus Togo und Ania aus Bosnien hof­fen auch die Ngyuens, dass ihr Fall ein­er der ersten sein wird, den die neue Härte­fal­lkom­mis­sion behandelt.

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